(„The Call“ directed by Brad Anderson, 2013)
Leute, die sich verirrt haben oder vor Fledermäusen fürchten, vielleicht auch mal eine auf den Baum verirrte Katze – die meisten Anrufe, die die Notrufzentrale der Polizei entgegennehmen muss, gehören nicht unbedingt der Kategorie „Hochspannung“ an. Dass das jedoch ein Segen sein kann, stellt die Telefonistin Jordan Turner (Halle Berry) fest, als eine Anruferin noch während des Gesprächs entführt und später tot aufgefunden wird. Ein junges Mädchen, das zu Hause überfallen wird. Fast hätte sie es geschafft, dem Killer zu entkommen, hätte die Polizistin nicht einen dummen wie folgenschweren Fehler begangen. Traumatisiert von dieser Erfahrung zieht sich die von Selbstvorwürfen zerfressene Jordan aus dem aktiven Dienst zurückzieht und unterrichtet stattdessen lieber neue Anwärter.
Und vielleicht hätte sie das auch bis zum Eintritt des Rentenalters durchgezogen, wäre da nicht eines Tages ein Hilferuf, der sie schlagartig zurück an den Hörer holt: Wieder wurde ein junges Mädchen entführt und liegt nun eingesperrt im Kofferraum des Kidnappers. Casey Welsen (Abigail Breslin) wurde auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums entführt und ist jetzt im Auto irgendwohin unterwegs. Die einzige Verbindung nach draußen ist ein nicht ortbares Prepaid-Handy, das sie dabei hat; ihre einzige Chance auf Rettung Jordan, die nun die Gelegenheit bekommt, ihren früheren Fehlschlag wieder auszugleichen. Denn dieses Szenario kommt ihr aus gutem Grund sehr bekannt vor.
Eine Frau am Telefon, ein Mädchen im Kofferraum – viel mehr als das bekommen wir während der anderthalb Stunden nicht zu sehen. Bei einem derart eingeschränkten Setting braucht es schon einige gute Ideen, damit das nicht schnell langweilig wird. Überraschenderweise holt The Call sogar ziemlich viel aus der Situation heraus, lässt die Protagonisten intelligenter handeln, als man es von einem derartigen erwarten konnte, und sorgt so für eine ganze Weile für gute Spannung. Regisseur Brad Anderson (The Machinist), die letzten Jahre eher fürs Fernsehen tätig, kann hier zeigen, dass ein Thriller gar nicht so viel braucht, um richtig gut zu unterhalten.
Dummerweise wird im späteren Verlauf dieser Vorsatz aber wieder fallengelassen, und das mit einem verheerenden Ergebnis. Man spürt zwar, dass die Drehbuchautoren versuchten, die Zuschauer mit überraschenden Wendungen bei Laune zu halten. Was sicherlich clever gemeint war, entpuppt sich aber als zu konstruiert, als überflüssiger Ballast oder ganz zum Schluss sogar als richtig ärgerlich. Der Versuch, den Killer menschlicher zu machen, eine Erklärung für dessen Psychosen zu geben, geht ziemlich daneben und wäre nicht einmal nötig gewesen. Und das Finale ist so grotesk, dass man den guten Eindruck von dem Vorhergegangenen fast im Handstreich wieder zunichte macht. Da wäre weniger eindeutig mehr gewesen. Dank der spannenden ersten Hälfte und der soliden Schauspieler reicht es aber immerhin zum oberen Durchschnitt.
The Call – Leg nicht auf! ist seit 6. Dezember auf DVD und Blu-ray erhältlich
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