(„Brave Story“ directed by Koichi Chigira, 2006)
Eigentlich ist es kein sehr ungewöhnlicher Wunsch, den der Schüler Wataru Mitsuya hegt: ein einfaches, glückliches Leben mit seiner Familie, mehr will er ja gar nicht. Doch genau dieser Wunsch scheint unerfüllbar, als sein Vater sich entschließt, Frau und Kind zu verlassen. Watarus Mutter verkraftet diesen Schock genauso wenig und landet daraufhin im Krankenhaus. Erst als der todunglückliche Junge Mitsuru begegnet, dem Neuen aus der Parallelklasse, schöpft er neue Hoffnung. Denn der zeigt ihm den Weg in eine magische Welt, in der alle Wünsche wahr werden können. Doch dafür muss Wataru auf eine gefährliche Reise gehen und fünf Edelsteine einsammeln.
Fantasievolle Welten erfreuen sich in Anime seit jeher einer großen Beliebtheit: Vom 80er-Jahre-Klassiker Nausicäa aus dem Tal der Winde über Record of Lodoss War und The Vision of Escaflowne in den 90ern bis hin zu Children Who Chase Lost Voices und Mushi-Shi, man muss nicht wirklich lange suchen, um japanische Zeichentrickvisionen fremder Orte zu finden, wo seltsame Wesen umherstreifen und mutige Helden Abenteuer bestreiten müssen. Auch Brave Story, der auf einem Roman der Autorin Miyuki Miyabe basiert, versucht den Zuschauer aus der Realität zu entführen und eine große, spannende Geschichte zu erzählen. So ganz geht der Plan hier jedoch nicht auf.
Das größte Problem bei dem Film ist, dass er zu gewöhnlich ist, nichts bietet, was die Fantasie anregt oder ihr wirklich entsprungen zu sein scheint. Mehrere Artefakte suchen zu müssen und dabei Abenteuer zu erleben, das ist ein legitimes, wenngleich nur wenig inspiriertes Szenario. Umso wichtiger wäre es, die fremde Welt mit seltsamen Kreaturen zu bevölkern und wundersame Kräfte wirken zu lassen. Doch von beidem gibt es hier kaum etwas zu sehen: Wenn Wataru auf seinen Reisen Wesen begegnet, die viel zu sehr den irdischen nachempfunden sind, etwa zweibeinigen Echsen, dann ist das einfach zu wenig, um auch nur annähernd mit der Referenz Chihiros Reise ins Zauberland mithalten zu können.
Dass hier zudem ein hohes Tempo an den Tag gelegt wird, Wataru von Ort zu Ort hetzt, hilft auch nicht unbedingt dabei, ein Gefühl von Epik und großer Abenteuer zu vermitteln, Brave Story ist ein eher kindlicher, netter, letzten Endes aber nur wenig bemerkenswerter Fantasytrip, der kaum übers Mittelmaß hinauskommt. Nur manchmal gelingt es Regisseur Koichi Chigira (Full Metal Panic!, Last Exile) in seinem Film Szenen zu schaffen, an die man sich später tatsächlich noch erinnert, etwa wenn das Trauma der realen Welt im Reich der Magie zu alptraumhaften Szenen führt. Aber auch hier liegen Licht und Schatten eng beieinander, denn wie so viele Anime neigt man auch hier etwas zum Melodram, zeigt wenig Gespür dafür, wie viel eine Geschichte braucht und verträgt.
Etwas zwiespältig ist auch die Optik. Wie so oft bei Gonzo (Bayonetta: Bloody Fate, Origin: Spirits of the Past) wurden Zeichentrick und Computergrafiken miteinander kombiniert, ohne dass die Elemente wirklich wie aus einem Guss wirken. Immerhin war bei Brave Story das Budget deutlich höher als bei den vielen Massenproduktion des Animationsstudios aus den 2000ern, was sich in flüssigeren Bewegungsabläufen und auch den ein oder anderen schicken Hintergründen zeigt. Wirkliche Schwächen hat der Film also nicht, weshalb fantasyaffine Zuschauer ihn durchaus in ihre Animesammlungen aufnehmen können. Ein richtiges Muss ist die allzu brave Romanverfilmung aber sicher nicht.
(Anzeige)