Closet Monster
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Closet Monster

(„Closet Monster“ directed by Stephen Dunn, 2015)

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„Closet Monster“ läuft seit 6. Oktober im Kino

So richtig nach Plan lief im Leben von Oscar (Connor Jessup) ja nie was. Seine Eltern haben sich getrennt, als er noch ein kleines Kind war, was er bis heute seiner Mutter nicht verzeiht. Und auch das Verhältnis zu seinem Vater Peter (Aaron Abrams) könnte besser sein. Wenn es nach ihm ginge, er wäre deshalb auch schon längst aus dem kleinen Kaff in Neufundland getürmt, um in New York eine Ausbildung zum Maskenbildner zu machen. Immerhin: Zwei verlässliche Freunde hat er. Da wäre zum einen seine Schulkameradin Gemma (Sofia Banzhaf), mit der er durch dick und dünn geht. Und Buffy natürlich, seine vorlaute Hamsterdame. Richtig kompliziert wird es jedoch erst, als er seinen Kollegen Wilder (Aliocha Schneider) kennenlernt und sich in diesen verliebt. Denn Oscar erinnert sich nur zu gut daran, was mit Schwulen passieren kann.

Und schon wieder. Wenn Filme aus dem Queer Cinema etwas höhere Ambitionen haben, als einfach nur attraktive Menschen beim Sex zu zeigen, dann geht es oft darum, das erste Mal mit verwirrenden homosexuellen Neigungen fertig zu werden. Verständlich ist das, die autobiografisch gefärbten Geschichten sind oft ein Mittel zum Zweck, eigene Erlebnisse künstlerisch zu verarbeiten. Interessant ist das aber nicht unbedingt, da die Erfahrungen naturgemäß ähnlich sind und sich auch in ähnlich gestrickten Filmen wieder zeigen. Closet Monster ist einer dieser Filme, so meint man zumindest anfangs. Einer der sich nicht scheut, Standardelemente wie die beste Freundin einzubauen. Der zusätzlich zur eigentlichen Problematik des Coming-outs noch kaputte Familien und traumatische Szenen in der Kindheit nutzt, damit das alles noch ein bisschen schrecklicher wird.

Doch trotz der wenig vielversprechenden Handlung ist dem kanadischen Regisseur und Drehbuchautor Stephen Dunn bei seinem Spielfilmdebüt etwas sehr Außergewöhnliches gelungen. Schon eine der frühen Szenen, wenn Papa Peter seinem Sohn einen Traum schenkt, indem er ihm einen Luftballon an die Stirn hält, lässt einen kurz stocken. Hat er das eben wirklich getan? Und dann wäre da natürlich noch Buffy, ein Hamster, der immer wieder anfängt zu sprechen, sobald alle anderen weg sind. Und das auch noch von Schauspiellegende Isabella Rossellini! Kurios? Ja, aber umwerfend. Eine Mischung aus dem Kultcomic „Calvin & Hobbes“ und Animals, wo seinerzeit ein sprechender Teddybär einem Jugendlichen durch das schwule Gefühlschaos half.

Mit Letzterem teilt Closet Monster auch den Hang zum Bizarren, denn so ganz lassen Oscar seine Erinnerungen an einen schwulenfeindlichen Übergriff aus seiner Kindheit nicht los. Immer wieder brechen sie in seine Gegenwart ein, vermischen diese mit der Vergangenheit, Realität und Alptraum werden eins. Allgemein lässt sich hier vieles nicht so klar trennen: Flashbacks und Hauptgeschichte, aktuelle Ereignisse und die Fantasien, welche dadurch ausgelöst werden. Ähnlich zu dem bald anlaufenden Die Mitte der Welt nutzt Dunn die Möglichkeiten des Films, um Innerstes nach außen zu kehren. Was in Oscar vor sich geht, muss nicht erst gesagt werden, denn das ist spielerisch und visuell mit allem anderen verbunden.

Das kann mal verträumt-ekstatisch sein, dann wieder furchterregend, wahnsinnig komisch und zutiefst traurig – so wie das Leben es auch ist. Gebraucht hätte Closet Monster diese Extravaganz nicht einmal unbedingt, denn so unterhaltsam und originell diese Momente auch sind, am stärksten ist der Film, wenn er darauf verzichtet. Jessup ist in der Rolle des nach einem eigenen Weg suchenden Jungen eine Entdeckung, von der wir hoffentlich noch mehr zu sehen bekommen, so wie die Schauspieler insgesamt eine starke Leistung abliefern. Sicher gibt es innerhalb des Drehbuchs zuweilen kleinere Löcher, gerade auch was die Ehe von Oscars Eltern betrifft. Dafür vermeidet das Drama den Kitsch, sucht nicht unnötig die Tragik oder ergibt sich lästigen Happy-End-Durchhalteparolen. „You never had it easy“, sagt seine Mutter in einer der rührendsten Szenen. „And maybe you never will.“ Nein, das Leben ist nicht immer toll, manche Probleme werden sich auch nie lösen lassen. Nicht wirklich zumindest. Aber das gehört eben dazu. Dunn gelingt das Kunststück das Schöne und das Hässliche zusammenkommen zu lassen, als wäre es das Normalste auf der Welt – sprechende Hamster und versteckte Monster, schwule Jungs und Familienstreitigkeiten, langweilige Jobs und brutale Jugendliche, Baumhäuser und Teufelshörner – und damit auf seine ganz eigene Weise Trost zu spenden.



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„Closet Monster“ erzählt eine im Grunde sehr gewöhnliche Coming-out-Geschichte, setzt diese aber sehr spielerisch und mit vielen originellen Ideen um. Das ist auch aufgrund der starken Schauspieler unterhaltsam, mal komisch, dann traurig und zwischendrin ein einziger Alptraum.
8
von 10