Während vor den Schultoren die frenetischen Rufe der Menge zu ihnen ins Klassenzimmer schallen, hören Paul Bäumer (Lew Ayres) und seine Klassenkameraden den Erläuterungen ihres Lehrers zu, der ihnen vom Heldentum der Soldaten erzählt und von der Pflicht eines jeden Deutschen, das Vaterland zu verteidigen. Jeder Zweifel, der noch in den jungen Männern steckte, ist nun ausgemerzt und ersetzt worden durch überschwängliche Begeisterung dafür, in den Krieg zu ziehen, sodass sie samt ihrem Lehrer ins nächste Rekrutierungsbüro gehen und sich für den Dienst an der Waffe melden. Schon nach kurzer Zeit sind Paul und die anderen bei der Grundausbildung, wo sie sogleich ein Wiedersehen haben mit Himmelstoss (John Wray), ihrem ehemaligen Postboten und zukünftigen Ausbilder. Die Freude über das Treffen ist nur von kurzer Dauer, denn in der Armee sind neben strengen Drills und Demütigungen ebenso ständige Disziplin und Gehorsam an der Tagesordnung. Als es dann endlich zu ihrem Einsatz an der Front kommt, begegnet den jungen Herren eine ganz andere Wirklichkeit, denn in den Schützengräben muss jeder um sein Überleben bangen und der Tod wie auch der Dreck und der ständige Mangel sind an der Tagesordnung und lassen die Jugendlichen schon bald an das Ideal ihres Lehrers zweifeln.
In dem älteren und wesentlich erfahreneren Soldaten Katyzinsky (Louis Wolheim) finden Paul und seine Freunde zunächst einen kauzigen, dann aber einen guten Mentor, der ihnen beibringt, wie man an der Front sein Bestes tun kann, um zu überleben. Doch das Warten auf den Einsatz und der Tod, der vielen von ihnen blüht, als es dann so weit ist, raubt ihnen jegliche weitere Illusion und es dauert nicht lange und sie beginnen sich zu fragen, welchen Sinn dieser Krieg eigentlich hat, für den sie ihr Leben opfern müssen.
Den Kriegstreibern ein Dorn im Auge
Schon kurz nach seiner Veröffentlichung war Erich Maria Remarques Roman Im Westen nichts Neues ein großer Erfolg, doch ebenso ein Dorn im Auge für all diejenigen, denen die Themen und vor allem die Darstellung des Krieges im Buch so gar nicht gefallen wollten, was den Autor letztlich in die Emigration in die Schweiz und schließlich in die USA zwang. Der Erfolg des Romans sollte noch einen weiteren Schub erhalten durch dessen Verfilmung von 1930 durch Regisseur Lewis Milestone, der für seine Leistungen in der Kategorie Beste Regie mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Es ist eine großartige Verfilmung, die in erzählerischer wie auch visueller Hinsicht bis heute wegweisend für das Genre des Kriegsfilms ist und ebenso die für Remarques Werk so wichtige Botschaft über Krieg, Kriegstreiberei und das Verschleißen einer ganzen Generation auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges mehr als deutlich hervorhebt.
Roman wie Film nehmen dabei die Perspektive jener jungen Menschen ein, die nach eine Erfahrung jenseits der Schule, des Elternhauses und der Heimat dürsten und so zu einer leichten Beute für diejenigen werden, die ihnen Abenteuer und Ruhm an der Front versprechen. Remarque und Milestone zeigen eine Welt, in der noch jener romantische Heldenmythos gilt, in dem vom Vaterland die Rede ist, für das es zu kämpfen gilt sowie jenes Konzept der Ehre, was zweifelsohne ideologisch ausgebeutet wird. Diese politische Ebene spielt nur am Rande eine Rolle, als sich die Soldaten beispielsweise bei einer Gefechtspause über die Gründe für den Krieg unterhalten und sich selbst wenig befriedigende Antworten geben können. Jenen Ideen der Rattenfänger der Mächtigen und von ihnen selbst, setzt die Regie wie auch der Autor die Realität der Schützengräben und des Schlachtfeldes entgegen, einer Kakofonie des Chaos, der Zerstörung und des Todes, die auch heute noch zu verstören weiß und jene seelische Veränderung der wenigen Soldaten, die dies überleben, glaubhaft macht.
Coming-of-Age an der Front
Zugleich kommt die Geschichte immer wieder auf die Sichtweise der Jugendlichen zurück und behält somit seine Coming-of-Age-Ebene, sofern man diesen Begriff bemühen will, bei. Wiederholt sind es auch die Gesichter dieser Menschen, welche die Kamera zeigt, die anfangs noch voller Tatendrang erscheinen und später, vom Dreck, der Angst und der Entbehrung gezeichnet, verstört den Zuschauer direkt anzublicken scheinen. Das besonders Verstörende ist in erster Linie, dass jene Freundschaft und Bande, welche die jungen Menschen noch zusammenhält, keinen Schutz in dieser feindlichen Welt bietet, in der die konstant in Gefahr zu sein scheinen. Allein die Geschichte des von Lew Ayres gespielten Paul Bäumer erzählt von einem Prozess der Desillusionierung, welcher ihn zu einem anderen Menschen macht, der sich immer mehr von seiner eigentlichen Heimat und Familie entfremdet.
Die Ästhetik von Im Westen nichts Neues ist dabei geprägt von einem Realismus, den man als Gegengift zu jenem romantischen Ethos sehen kann, was Charaktere wie der Schulmeister noch an ihre Schüler übergeben. Der Krieg wird zu einer alle Sinne ansprechenden Erfahrungen, bei dem man das Blut und den Matsch ebenso sieht, wie man auch das ohrenbetäubende Lärmen einer Fliegerbombe hört. Es ist ein Film, der nicht nur die Figuren verändert, sondern auch den Zuschauer, der gewiss nicht mehr der gleiche ist wie vorher.
OT: „All quiet on the Western Front“
Land: USA
Jahr: 1930
Regie: Lewis Milestone
Drehbuch: Maxwell Anderson, George Abbott, Del Andrews
Vorlage: Erich Maria Remarque
Musik: David Broekman
Kamera: Arthur Edeson
Besetzung: Lew Ayres, Louis Wolheim, John Wray, Arnold Lucy
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