(„Moby-Dick“ directed by Franc Roddam, 1998 and „Star Trek: The First Contact“ directed by Johnathan Frakes, 1996)
…To the last, I grapple with thee; from hell’s heart, I stab at thee; for hate’s sake, I spit my last breath at thee.
Womöglich ist es einer der einzigartigen Charakteristika, die Menschen ausmachen: Rache. Kein anderes Wesen scheint die Vergeltung eines zugefügten Leids zu kennen; diese verteidigen sich, rächen sich jedoch nicht. Insofern, falls man einem durchweg positiven Bild menschlicher Entwicklung anhängt, sollte es eine Errungenschaft sein; Und tatsächlich, jeder Menschen kennt die Attraktivität von Rache; diesen Wunsch, seinem Peiniger den erlittenen Schmerz zurückzuzahlen. Anders als Strafe, die in manchen Aspekten der Rache ähnlich zu sein scheint, wird Rache jedoch in der heutigen westlichen Moral nicht mehr als legitime Option betrachtet. Das war einmal anders und es gibt sicher auch heute noch genügend Fälle von ausgeübter Rache, ob nun von einer Moral zugelassen oder nicht. Rache ist allzu menschlich und der Mensch definiert sich eben nicht einfach nur durch die positiven Entwicklungsschritte. Ein Blick in die Nachrichten genügt, um sich davon zu überzeugen. Weil aber Rache so gegenwärtig und jedem Menschen bekannt ist, ist es ein Motiv, das in der Kunst von jedem Betrachter nachgefühlt werden kann; nichts abgehobenes und entglittenes, sondern eine direkt zugängliches. Vielleicht lässt sich auf diesem Weg der Erfolg des 1851 erschienen Romans Moby-Dick von Hermann Melville erklären (Ein Erfolg, den der Autor leider nicht mehr miterleben durfte.). Die Vermutung liegt jedenfalls nahe, dass es die von Rache getriebene Jagd des Kapitän Ahab ist, welche bis auf Ismael sich und alle Mitglieder seiner Besatzung in den Tod reist; dass das letzlich erfolglose rachsüchtige Unternehmen von Ahab den Reiz des Werkes ausmacht.
Sicher, das verrät ein Blick in das Archiv der hier bereits rezensierten Filme, haben sich schon viele Künstler vor und nach Melville dem Thema angenommen, Melville jedoch hat es in eine so einfache Form gegossen, dass die grobe Handlung der Geschichte jedem bekannt ist, obgleich das Buch die wenigsten Menschen gelesen haben dürften. Ich möchte im folgenden zwei Filme vorstellen, in denen Patrick Stewart als Hauptdarsteller dieses Motiv behandelt und als Kapitän Ahab und Captain Picard sich diesem Aspekt des Menschseins stellt.
Die bekannteste Verfilmung des melvillschen Romanstoffs stammt aus dem Jahre 1956 mit Gregory Peck in der Hauptrolle unter der Regie von John Huston. Trotzdem dieser Film zurecht hoch gelobt wurde und selbst heute noch gelobt wird, entstand zum Jahr 1998 eine Neuverfilmung von Moby-Dick mit Patrick Stewart in der Hauptrolle. Gregory Peck, der mehr als vierzig Jahre zuvor die Figur des Kapitän Ahab mimte, taucht in einer Nebenrolle auf. Schon allein dadurch verweist der Film auf seinen Vorgänger und darauf, wie schwer es sein würde nicht in dessen Kielwasser unterzugehen. Die Regie lag in den Händen von Franc Roddam.
[Im folgenden fasse ich die Handlung kurz zusammen, jedoch komplett bis zum Ende, da ich davon ausgehe, dass ohnehin jedeR den Ausgang der Geschichte kennt. Andernfalls Vorsicht!]
Moby-Dick ist eigentlich der Erfahrungsbericht von Ismael (Henry Thomas), eines zunächst unerfahrenen jungen Mannes, der auf Nantucket den Entschluss fasst auf einem Walfangschiff anzuheuern. Noch an Land und lernt er dabei Queequeg (Piripi Waretini) kennen, einen tatowierten Indigenen, der als erfahrener Harpunier stets mit seiner eigenen Harpune unterwegs ist. Zusammen finden sie schließlich die Pequod, ein Walfangschiff unter dem Kommando des Kapitän Ahab (Patrick Stewart) und heuern darauf an. Die dritte wichtige Person an Bord, neben Erzähler Ismael und Kapitän Ahab, ist Starbuck (Ted Levine), der erste Maat.
Die auf mehrere Monate angesetzt Fahrt, die um den ganzen Globus führen kann, beginnt zunächst wie erhofft. Die Wale blasen und nach einiger Zeit ist der Lagerraum des Schiffes bereits mit Fässern von Öl gefüllt, welches der Besatzung gute Laune beschert. Nach und nach wird dem Zuschauer und der Besatzung klar, dass der zurückgezogen die Fahrt verbringende Kapitän, der nur selten mit seinem Holzbein an Deck steht, andere Ziele verfolgt. So lobt er eine Goldmünze als Belohnung für den aus, der ihn seinem Ziel näher bringt: Rache an Moby-Dick, der ihn einst verstümmelt und das Bein geraubt hat. Noch ist die Besatzung dem Unternehmen nicht unbedingt abgeneigt, haben sie doch den Lagerraum bereits voll mit flüssigem Gold. Doch nicht nur die gefährlichen Begegnungen mit dem Weißen Wal, der von früheren Begegnungen noch immer Harpunen in seinem Rücken trägt, sondern auch weitere Zeichen des Schicksals, der verrückt gewordene Schiffsjunge, ein Sturm und am Ende sogar Lecks in den Ölfässern, lassen die Stimmung kippen. Während Ahab seine Jagd mit allen Mitteln fortsetzen will, will die Besatzung zurück nach Nantucket, um die Ladung zu löschen und die Gewinne einzustreichen, v.a. aber um ihr Leben nicht für den sich als Wahn herausstellenden Eifer ihres Kapitäns zu verlieren. In diesem Konflikt wird Starbuck zu einer wichtigen Person. In seiner Funktion als erster Maat ist er der engste Vertraute des Kapitäns an Bord der Pequod und versucht ihn davon zu überzeugen den Kurs zu ändern und gen Heimat zu segeln. Doch Starbuck stellt sich hierbei als schwacher Charakter heraus, der zwar die Argumente auf seiner Seite hat, es jedoch nicht schafft sich seinem Vorgesetzten zu widersetzen. Schließlich setzt ihm Ahab sogar ein Gewehr an die Brust, trotzdem bleibt Starbuck unfähig Ahab das Kommando über Schiff und Leben seiner Besatzung zu entreißen. So kommt es schließlich zum Ende von Ahab. In einer finalen Jagd befindet sich selbst mit einer Harpune bewaffnet auf einem Fangbot, das dem Weißen Wal nachstellt. Nach mehreren Tagen schafft es Ahab sogar seine Harpune in den Leib von Moby-Dick zu treiben, doch wickelt sich die Leine der Harpune um sein Bein und er wird zusammen mit Moby-Dick in die Tiefe gezogen, wo er sein nasses Grab findet. Doch nicht nur Ahab, auch alle anderen Fangbote werden von dem wütenden Wal aufgebracht, der letzlich sogar das Schiff, die Pequod, rammt, welches noch immer mit Öl beladen ist und daraufhin explodiert und sinkt. Zusammen mit Ahab hat die Jagd nach Moby-Dick allen anderen Besatzungsmitgliedern das Leben gekostet. Es überlebt lediglich Ismael, der Erzähler. Und Moby-Dick.
Obwohl, wie oben erwähnt, die grobe Handlung einfach zu erfassen ist, erlaubt der Film (und das Buch noch in größerem Maße) weitere Ausdeutungen und Motive zu erkennen. So begegnet Ahab mit der Pequod einem anderen Schiff, dessen Kapitän um Hilfe bittet bei der Suche nach seinem auf dem Meer verschollenen Sohn. Ahab jedoch verweigert jede Hilfe und fragt den verzweifelten Vater lediglich, ob er den Weißen Wal gesehen habe. In diesem Moment wird spätestens klar wieso Rachsucht zurecht den Stempel der Unmoral aufgedrückt bekommen sollte. Hier zeigt der von dem Wahn nach Vergeltung getriebene Ahab keinerlei Mitgefühl für seine Mitmenschen. Nicht, dass er es nicht will, er kann es nicht. Die Rache hat ihn blind gemacht für anderes menschliches Leid. Er sieht nur sich selbst und sein Leid, jedoch nicht, dass er auf seiner Jagd soviel mehr weiteres Leid zufügt. Verweigerte Hilfe, der Tod seiner Besatzung und sein eigener Tod, das alles nimmt er in Kauf und das Ende der Geschichte zeigt, dass er dabei nicht einmal sein Ziel erreicht. Denn Moby-Dick bläst noch immer.Wie machtlos die Vernunft doch ist, lässt sich dann auch am besten an der Person Starbucks sehen: Ahab die wütende und blinde Rache, Starbuck die moralische Vernunft. Wer am Ende jedoch die Oberhand behält, das ist Ahab. Eine pessimistische Perspektive menschlicher Freiheit.
Habe ich oben von der Verfilmung aus dem Jahr 1956 geschrieben, so muss ich zugeben, dass sie mir nicht bekannt ist. Ich erkenne jedoch die mir bekannte Berichte an, die dem Film eine größere Qualität zusprechen als die TV-Produktion aus dem Jahr 1998. Worin die Kritiker jedoch auch übereinstimmen, das ist die Leistung von Patrick Stewart als Kapitän Ahab. Und in diesem Punkt muss ich zustimmen. Patrick Stewart, der nicht zuletzt bei der Royal Shakespeare Company seine Fähigkeit zur Charakterdarstellung erworben hat und noch immer unter Beweis stellt, ist die perfekte Besetzung für Ahab. Wenn Stewart an Deck steht, die feuchten Haare im Wind wehen und er die vom Wahn gezeichneten Reden gegen die Natur – „Talk not to me of blasphemy, man; I’d strike the sun if it insulted me!“ –, den Wal und an seine Besatzung richtet, kommt es dem melvillschen Ahab näher als das vermutlich Gregory Peck geschafft hat. Insofern kann ich für den Film (180 Minuten in 3 Teilen) auch eine Empfehlung aussprechen. Die Fassung von 1956 ist aber sicherlich ebenso sehenswert.
Beim zweiten Film, den ich kurz besprechen möchte, handelt es sich um den achten Kinofilm des Star Trek Franchise: Der erste Kontakt aus dem Jahr 1996. Allen Menschen, die sich jetzt womöglich abgeschreckt abwenden, lässt sich vermutlich sagen, dass dieser achte Film der massentauglichste und daher wohl auch der erfolgreichste war. Obwohl manche Star Trek Fans die Abkehr von den Ideal Gene Roddenberrys beklagen, spricht der Film mit seiner Handlung, der Action und der technischen Umsetzung sicher ein breiteres Publik an als alle anderen Filme.
Bei Star Trek: Der erste Kontakt geht es um den schon länger existierenden Konflikt zwischen der Föderation, verkörpert durch das unter dem Kommando von Captain Picard (Patrick Stewart) stehende Flagschiff USS Enterprise, und den Borg, den in der Fernsehserie The Next Generation eingeführten Super-Villains des Star-Trek Universums. Die Borg, kybernetische Lebensformen, die keine Individuen kennen und als Kollektiv funktionieren, sind der Föderation eigentlich technisch überlegen und haben schon weite Bereiche der Galaxie assimiliert und in ihr Kollektiv aufgenommen. Ohne deren Einwilligung versteht sich. So beginnt der Film auch damit, dass die Borg mit den bekannten Worten „Widerstand ist zwecklos.“ Kurs auf die Erde nehmen und von einer Flotte von Sternenflottenschiffen gestellt werden. Das modernste und bestbewaffnetste Schiff, die Enterprise, ist jedoch dazu verdonnert an einer unbedeutenden Grenze Patrouille zu fliegen. Der Grund dafür liegt auch in der Serie The Next Generation. Vor einigen Jahren nämlich wurde Captain Picard in das Kollektiv der Borg assimiliert, konnte schließlich jedoch gerettet und von den Implantaten befreit werden. Als Borg jedoch befehligte er bei der bekanntesten Auseinandersetzung zwischen Borg und Sternenflotte die Kräfte des Gegners: Die Schlacht von Wolf 359 kostete etwa 11.000 Menschen das Leben. Aus diesem Grund ist die Schwachstelle Picard nun vom Kampfgeschehen ferngehalten. Erst als klar wird, dass die Borg die Überhand gewinnen, entscheidet er, unterstützt von seiner Besatzung, sich seinen Befehlen zu widersetzen und zu Hilfe zu eilen. Mit Erfolg, denn das Borg-Schiff kann zerstört werden. Bevor es jedoch in grünen Flammen explodiert, setzt es eine kleine Einheit ab, die sich vom Kampfgeschehen entfernt und sich der Erde nähert. Picard verfolgt diese wenigen Borg und findet sich schließlich mit ihnen im 21. Jahrhundert wider. Dort ist es ein Leichtes die Borg zu vernichten. Diese hatten geplant durch die Zeitreise die Geschichte zu verändern und den ersten Kontakt der Menschheit mit den späteren Verbündeten, den Vulkaniern, zu verhindern indem sie den ersten Warpflug der Menschheit durch Zefram Chochrane (James Cromwell) unterbinden. Dies konnte jedoch verhindert werden. Allerdings braucht das Chochrane auf der Erde Unterstützung, da die Phoenix, das Warp-Schiff, durch die Borg beschädigt wurde. Als zeitgenössische Erdbewohner verkleidet, leisten die Offiziere der Enterprise technische Hilfe. Auf der Enterprise jedoch stellt sich heraus, dass die Borg nicht vollständig vernichtet wurden und sie sich an Bord eingenistet haben. Es beginnt ein verlustreicher Kampf zwischen den Borg und der Besatzung, welche die Borg zu gewinnen drohen. Vor allem droht damit eine Unterbindung des Warpflugs der Phoenix und eine Änderung der Geschichte. In der Zukunft würde es den Borg leicht fallen die wehrlose Erde zu assimilieren.
In dieser Situation ist die meines Erachtens großartigste Szene bei Star Trek und von Patrick Stewart angesiedelt [YouTube]. Obwohl Picard sein Schiff durch Selbstzerstörung mitsamt der Borg in die Luft jagen könnte, entscheidet er sich dagegen und verlangt von seiner Besatzung den Kampf bis zum Tod. Diesmal will er nicht aufgeben und die Borg für all das, was sie getan haben, bezahlen lassen – „And I will make them pay for what they’ve done!“. Dass der Kampf aussichtslos und es nur noch eine Frage der Zeit ist bis das ganze Schiff unter Kontrolle der Borg steht, sieht er dabei nicht. Während die Besatzung seine Entscheidung akzeptiert, folgt Lily (Alfre Woodard), eine mit an Bord gekommene Bewohnerin der Erde des 21. Jahrhunderts, Picard in sein Büro und stellt ihn zu Rede: „Jean Luc, blow up that damn ship!“. Nach einem beeindruckendem Gespräch voll von Emotionen der Rache und Verzweiflung, in dem Lily Picard vorwirft wie Ahab seinen Wal jagen zu müssen, wird Picard schließlich klar, dass er keine andere Wahl hat als die Selbstzerstörung einzuleiten, das Schiff zu zerstören und die Zukunft der Erde zu retten. Warum es schließlich doch nicht dazu kommt, das sollte sich jeder selbst ansehen.
Unverkennbar sind die Parallelen des Films von Jonathan Frakes, der auch die Rolle des Will Riker spielt, mit der Handlung von Moby-Dick. Und es wird ja auch bewusst diese Ähnlichkeit von Lily angesprochen. Picard, einst von den Borg verletzt, will sich nicht ergeben und sucht den finalen Sieg über seine Peiniger. Dabei übersieht auch er die Aussichtslosigkeit und dass er damit vielen Menschen Leid zufügen würde. Doch es bedarf erst Lily, des Starbucks des 21. Jahrhunderts, um ihn davon abzubringen. Sind die Parallelen zu erkennen, erkennt man hier jedoch auch große Unterschiede zur klassichen Vorlage von Moby-Dick. Picard, von Rachegelüsten getrieben, wird schließlich doch überzeugt anders zu handeln und seine Prioritäten anders zu setzen. Er sieht ein, dass er sich sonst zum Ahab machen würde. Der Film bietet natürlich noch viele andere Aspekte, die ich aber ausgeklammert habe. Außerdem natürlich noch weitere Charaktere und Szenen, von denen ich nicht gesprochen habe. So ist zum Beispiel James Cromwell als Zefram Cochrane einfach nur köstlich anzusehen und die Special Effekte sowie die Handlung um Data (Brent Spiner) und die Borg Queen (Alice Krige) sind auch eine Erwähnung wert. Zusammenfassend kann ich den 106 Minuten dauernden Film uneingeschränkt empfehlen.
Gene Roddenberry, der Erfinder von Star Trek hatte ein ausgesprochen positives Bild der Zukunft. Auch wenn seine Ideale nach seinem Tod etwas in Vergessenheit geraten sind, so waren es während seiner Zeit, z.B. bei The Next Generation, moralische Problemstellungen oder friedliche Geschichten, deren Hauptaugenmerk nicht auf Action lag, die Star Trek ausgemacht haben. Obwohl Der Erste Kontakt selten in der Tradition Roddenberrys gesehen wird, will ich diesem Urteil anhand des Rachemotivs etwas entgegensetzen. Vielleicht brauchte es einen Ahab im 19. Jahrhundert, der seiner Rache mit allen Folgen nachgegeben hat, um aus seinen Fehlern zu lernen. Picard wird ja eben erst durch seine Erwähnung einsichtig. Wenn wir dem obigen Vergleich von Starbuck und Lily mit der Vernunft und der Moral zugestehen, dass er zutrifft, dann zeichnet Der Erste Kontakt eben jene positive Zukunftsperspektive von Roddenberry. Denn es wird in Zukunft nicht mehr so sein wie auf der Pequod, wo Starbuck sich nicht durchsetzen kann, sondern es wird Lily sein, die auf der Enterprise Picard dazu bringt die richtige Entscheidung zu treffen. Kann es also vielleicht doch möglich sein die allzu menschliche Rache aus dem Menschen zu verbannen? Vielleicht ist Verbannung das falsche Wort, vielleicht ist es eher eine Stärkung – keine Alleinherrschaft! – einer anderen typisch menschlichen Eigenschaft, der vernünftigen Moral.
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