(„Kiss Me Deadly“, directed by Robert Aldrich, 1955)
Als die Angst vor der H-Bombe 1955 ihren Höhepunkt erreicht hatte, drehte der damals 37-jährige Regisseur Robert Aldrich einen sehr beklemmenden, sehr minimalistischen Streifen, der recht frei nach dem gleichnamigen Roman von Mickey Spillane handelte (der hierzu Lande allerdings nicht „Rattennest“ sondern „Küss mich Tod“ heißt). Aldrich mochte das Buch nicht, denn für ihn war der Protagonist, Privatdetektiv Mike Hammer, ein zynischer Faschist, den er verabscheute. Dennoch ist ihm mit der Adaption des Hard-boiled Stoffes ein hervorragender später Film Noir gelungen, der mit Brutalität nicht geizt und vom damaligen demokratischen Senator Estes Kefauver als „die größte Bedrohung für die amerikanische Jugend“ bezeichnet wurde.
Aldrich selbst erklärte, um seine Verachtung gegenüber dem umstrittenen Autor Spillane zu äußern, er habe „den Titel genommen und das Buch weggeworfen“. Ganz so schlimm sieht es meiner Meinung nach um den Autoren nicht aus. Spillane galt wegen der Gewaltdarstellung in seinen Geschichten als rüde, seine Bücher durften in Deutschland jahrelang nicht verkauft werden. Ich denke, er war (1918-2006) ein begabter Autor für Detektivgeschichten, die er sehr spannend umsetzte und die auch nach mehrerem Lesen immer noch vergnügen.
Zur Handlung aber: Mike Hammer ist ein Privatdetektiv in Kalifornien (Spillanes Romane spielten eigentlich nur in New York), der eines Abends nach Los Angeles zurückkehrt und dabei eine Anhalterin mitnimmt. Sie wird gesucht, von der Polizei und von schlimmeren Gestalten. Diese erwischen Hammer (Ralph Meeker) und die junge Frau, Christina (Cloris Leachman). Hammers Begleiterin wird gefoltert und schließlich getötet, er selbst kann überleben und wacht später in einem Krankenhaus auf. Christina hat ihm eine Nachricht hinterlassen, die nur drei Worte enthält: „Vergiss mich nicht“. Der Privatdetektiv ist ratlos, doch als er bemerkt, dass er beschattet wird, kommt er einer politischen Verschwörung auf die Spur.
Der Filmkritiker Georg Seeßlen schreibt in seinem (sehr empfehlenswerten) Essay „Sodom und Gomorrha“, dass ihm bei Aldrich zunächst die Worte „Amerika, Wahrheit und rüde“ einfallen. Gar nicht falsch wie ich finde. „Rattennest“ ist zumindest schon mal ein sehr amerikanischer und oft auch rüder Film. Mike Hammer ist ein typischer amerikanischer Held, denn auch Spillane schrieb für die einfache Lesergemeinde. Hammer ist ehemaliger Soldat und war deshalb eine Ikone für die Kriegsheimkehrer. Sein Vorgehen ist (und war) immer rüde und des öfteren unbeherrscht. Spillanes Held ist im Gegensatz zu Chandlers Philip Marlowe, Hammetts Sam Spade, oder Macdonalds Lew Archer kein eigentlicher Held, sondern viel mehr ein dunkler Zyniker mit Hang zu Sadismus und Chauvinismus. Auch den Gebrauch von Schusswaffen scheute der Weltkriegsveteran nicht. So setzt der Regisseur den Romanprotagonisten sehr gut um.
„Kiss Me Deadly“ ist mit einem geringen Budget von nur 410.000 Dollar gedreht worden und hatte wie man an einzelnen Stellen erkennen kann nur eine kurze Drehzeit. Aldrichs Film ist dennoch sehr überzeugend, gerade weil durch dieses geringe Budget alles sehr bedrückend wirkt (ähnlich schafft das Sergio Corbucci in seinem pessimistischen Meisterwerk „Django„). Aldrich führt Meeker in der Rolle des Hammer sehr gut durch den Film. Meeker, der auch im späteren Erfolgsfilm „Das Dreckige Dutzend“ mitwirkte (Regie führte ebenfalls Aldrich) wirkt kantig und auch nur in den Szenen sehr aktiv, in denen er Gewalt ausübt. Dabei bleiben vor allem seine zornigen Augen in Erinnerung. Fast wirkt der Ausdruck teuflisch.
Der Plot des „Rattennest“ ist dann wieder sehr an seine Entstehungszeit angelehnt, denn es scheint, als würde alles mit einer Miniaturversion einer Atombombe zusammenhängen. Hier spiegelt sich dann auch die von Seeßlen benannte Wahrheit wider. Das Skript zu diesem Film stammt von dem mehrfach bewährtem Drehbuchautor A.I. Bezzerides, der auch für Raoul Walsh arbeitete. Die Musik stammt von dem exzellenten Sänger Nat King Cole, der zu diesem sehr beklemmenden Film u.a. den melancholischen „I Rather Had The Blues“ beisteuert.
Ich persönlich kann den Film nur jedem empfehlen, der sich für den Film Noir interessiert, denn diese sehen mit „Kiss Me Deadly“ einen großartigen Genre Film.
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