(„Inland Empire“ directed by David Lynch, 2006)
Nach ca. einem Tag Gedenkpause zweifle ich immer noch ob ich gut daran tue über diesen Film hier zu schreiben. Einerseits fehlen mir die Worte andererseits würde das ausbleiben eines Kommentars zu David Lynch’s „Inland Empire“ eine große Lücke im Blog darstellen. Eine zu große Lücke wie ich finde.
Eine Warnung möchte ich allerdings gleich vorweg loswerden: die ca. 3 Stunden Laufzeit sind kein leichter Tobak und haben es wirklich in sich. Selbst Lynch-Kenner werden es mit dem Plot (sofern man den Inhalt überhaupt so nennen kann) schwer haben. Ich war nicht nur einmal während die DVD lief dazu gewillt das Ganze abzuschalten und mich anderweitig zu beschäftigen, habe es nach drei dringend benötigten Pausen allerdings dennoch geschafft den Film in einem Rutsch zu sehen.
Wie in seinen zuvor gedrehten Streifen „Mulholland Drive“ und „Lost Highway“ spielt Hollywood und die amerikanische Filmindustrie ein wichtiges Thema. „Inland Empire“ erzählt wiederum von einer Schauspielerin, Nikki Grace (Laura Dern), die eine wahnsinnige Odyssee durchlebt wobei die Grenzen zwischen Realität, Traum und Wahnsinn dermaßen verschwimmen, dass selbst die Wahrnehmungsebene des Zuschauers im höchsten Maße in Bedrängnis ist. Es gab eigentlich keinen Zeitpunkt an dem ich glaubte etwas verstanden zu haben. Wenn dieses Gefühl so langsam hervorlugte wurde es von Lynch auch sogleich wieder zerstört oder beispielsweise durch – die mir bis ans Ende unerklärlichen – Hasenfamilie-Szenen abgelenkt.
Das Einzige was klar erscheint ist, dass es eine Bedrohung gibt. Der Film strahlt drei Stunden lang Unbehagen und Unsicherheit aus, dies beginnt gleich mit einer der ersten Szenen wo die unheimliche Grace Zabriskie ihren Auftritt feiert. Ihren Namen wird der Zuschauer nie erfahren, man weiß lediglich dass es sich um eine neue Nachbarin von Nikki handelt die netterweise vorbeischauen wollte um sich vorzustellen. Die Annehmlichkeiten dauern allerdings nicht sehr lange, denn die Frau warnt Nikki vor ihrer neuen Rolle die sie von Regisseur Kingsley Stewart (Jeremy Irons) erhalten hat und gemeinsam mit den Frauenschwarm Devon Berk (Justin Theroux) spielen soll.
Von nun an beginnt eine psychedelische Fahrt, ein regelrechter Alptraum. Man darf sich das Ganze keineswegs wie einen typischen Horrorfilm vorstellen – auch wenn das ständige ungemütliche Brummen des Basses und verstörende Bilder ihre Wirkung entfalten – sondern viel mehr bietet der Streifen Lynch-typische Bilder. Diese gab es bereits in „Blue Velvet„ allerdings konnte man dem Ganzen noch einiges abgewinnen, hier wird der Zuschauer in ein schwarzes Loch geworfen und er ist auf sich alleine gestellt. Es gibt keine Hilfe, es gibt keine Hinweise es gibt keinen Strohhalm an den sich der verzweifelter Beobachter halten könnte.
Der Streifen macht einen nervös und man weiß nicht genau woher die omnipräsente Bedrohung rührt, denn schließlich sieht man keine direkte Gefahr, keinen Angreifer und auch (fast) kein Blut. Wer sich dessen bewusst ist, Geduld mitbringt und offen für einen experimentellen Film ist der sollte sich Lynch’s letztes Werk antun. Antun deshalb, da ich mir nicht vorstellen kann dass irgendwer Wohlwollen hierbei empfinden kann. Die Intention des Künstlers dürfte somit wohl erreicht worden sein.
Ob es jemanden gibt der den Plot zur Gänze durchsteigt kann wohl niemand beantworten schließlich gibt es m.E. immer mehr Interpretationsmöglichkeiten bei solchen Werken. Es dürfte vielleicht auch gar nicht zielführend sein die Geschichte in ihrer Gänze zu entschlüsseln, ich bin der Meinung man sollte David Lynch lieber dafür ehren einen Film geschaffen zu haben der solche Gefühle überhaupt transportieren kann. Es passiert nicht oft dass ich durch dieses Medium schweißgebadet, die Fingernägel abkauend dasitze und ein beschissenes Gefühl habe als ob ich das Ganze selbst durchlebt hätte. Da hilft auch nicht mehr der auflockernde Abspann.
Der Ausnahme-Regisseur hat es wieder mal geschafft und mich in den Wahnsinn getrieben. Er beweist dass er zu Recht immer noch zu den ganz Großen gehört und sich dennoch vom Mainstream deutlich abhebt, ja regelrecht drauf pfeift Auch wenn es pervers klingen mag: Danke Mr. Lynch. Sie haben meinen aufrichtigen Respekt und volle Achtung für dieses gewagte Werk verdient.
Die OpenCritics-Bewertung des Filmes möchte ich erst gar nicht vornehmen zumal ich keine wirklichen Bewertungskriterien wie bei anderen Filmen habe, bin allerdings auf die Reaktion anderer Zuschauer gespannt.
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