(„Le scaphandre et le papillon“ directed by Julian Schnabel, 2007)
Diese ungewöhnliche Biografie erzählt, in nur 112 Minuten, die Geschichte eines erfolgreichen Mannes, der Chefredakteur einer französischen Zeitschrift „Elle“, Vater und Liebhaber ist. Die Bilder zu Beginn sind für den Zuschauer surreal, verstörend, man weiß nicht was dort vor sich geht, wo man sich befindet oder zu welcher Zeit es geschieht. Als man erkennt, was nicht allzu lange dauert, dass man sich in der Perspektive des Protagonisten selbst befindet, geht alles Schlag auf Schlag. Die Auftauchenden Personen in Ärztegestalt, schildern dem Protagonisten und den Zuschauern, was geschehen ist. Ein Schlaganfall, Jean-Dominique Bauby (Mathieu Amalric) ist gelähmt, lediglich sein linkes Auge kann er noch bewegen. Diese tragische, wahre Lebensgeschichte zeigt mit beeindruckenden Bildern, wie die Welt wohl aus der Sicht eines gelähmten Menschen aussieht. Die korrekte Bezeichnung Jean-Dominiques Krankheit ist: „Locked-In-Syndrom“, er ist also in seinem eigenen Körper gefangen, kann sich nicht rühren und nicht sprechen. Die Therapeutin Henriette Durand (Marie-Josée Croze) entwickelt eine neue Art der Kommunikation, die es Bauby erlaubt sich mitzuteilen. Sie liest Buchstaben, in der Reihenfolge der am meisten vorkommenden in der französischen Sprache vor, wenn der richtige Buchstabe an der Reihe ist, muss Bauby nur mit dem Auge zwinkern und ist so in der Lage ganze Sätze zu formulieren. Auf diese Weise erfüllt sich Bauby den Traum, sein eigenes Buch zu schreiben. Eben dieses Buch, welches dem Drehbuchautoren Ronald Harwood („Der Pianist„) und Regisseur Julian Schnabel ermöglicht, einen Film auf die Beine zu stellen, der den Zuschauern einen Einblick in die Welt eines Menschen erlaubt, der zu jeder Zeit auf die Hilfe anderer angewiesen ist und sein Leben letztendlich dennoch nicht aufgeben will. In dem Film wird eine Interessante Parallele zu seinem vom Alter gezeichneten Vater (Max von Sydow) präsentiert, der zwar nicht gelähmt, aber dennoch, durch die Unfähigkeit zu gehen, ein Gefangener seiner eigenen Wohnung geworden ist („Locked-In“).
In dieser Rezension beschreibe ich die zwischenmenschlichen Beziehungen, die in dem Film beschrieben werden, absichtlich nicht. Sie sind Teil der „Betrachterfaszination“, genau wie der gesamte Umgang, dem Jean-Dominique Bauby hier ausgesetzt ist. Dieser Film ist nicht nur, aber doch insbesondere für Pflegekräfte, die sich keine Vorstellung davon machen können, dass ein Mensch mit Plegie, der eben nur noch seine Augen zum kommunizieren besitzt, alles was um ihn herum geschieht mitbekommt, innerlich kommentiert und im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist. Es wird deutlich, was in einem Menschen vorgeht, der (zumindest für ihn selbst) von jetzt auf gleich bewegungsunfähig und absolut uneigenständig wird. Den Film in gut oder schlecht einzustufen gleicht für mich einem Verbrechen. Immerhin geht es in dieser Biografie um die Lebens- und Leidensgeschichte, die der Ironie und gewissen Lässigkeit mit der Bauby seinem Schicksal begegnet, Tribut zollt. Sie gibt wieder, was ein Mann tatsächlich durchlebte und schriftlich festhalten ließ. Trotz der eigentlichen Tragik, ist der Film gespickt mit Galgenhumor und auflockernden Sprüchen, überwiegend ausgehend von Bauby selbst.
Ebenso interessant ist die Erzählweise, mit immer wieder einbrechenden Erinnerungen aus seinem vergangenen Leben und seine sich immer mehr ausweitende Fantasie, welche gut getimed und perfekt inszeniert dargestellt werden. Meiner Ansicht nach sollte die Geschichte des Jean-Dominique Bauby jeden interessieren, nicht zu letzt, da wir in einer Zeit leben, in denen Schlaganfälle keine und im Allgemeinen die Lebenserhaltung keine Seltenheit mehr sind.
Fazit: Beeindruckend, außergewöhnlich, interessant, bewegend. Besonders sehenswert!
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