Cinema Paradiso

Cinema Paradiso

(„Nuovo cinema Paradiso“ directed by Giuseppe Tornatore, 1988)

Cinema ParadisoUnfassbar dass der Film mittlerweile über 20 Jahre auf den Buckel hat. Die superben Aufnahmen, die kräftigen Farben, schlicht gesagt der Look des Streifens, verdecken seine Altersfältchen sehr gut. Unglaublicher ist es aber umso mehr, dass ich diese wundervolle Ode ans Kino von Giuseppe Tornatore erst jetzt zum ersten Mal sehe. Nachdem ich erst neulich von „Malèna“ sehr angetan war konnte ich diese HD-Austrahlung im Free-TV (17.05.2009) einfach nicht verpassen. Gezeigt wurde lediglich die 124 minütige internationale Fassung (Anmerkung: der italienische Director’s Cut weißt ganze 170 Minuten auf, die Kinoversion 150 Minuten) diese konnte mich aber auch von Anfang an in ihren Bann ziehen.
Salvatore „Toto“ Di Vita ist ein kleiner Lausbub aus dem kleinen sizilianischen Dörfchen Giancaldo. Seine große Leidenschaft ist das Kino. Wir befinden uns in der Nachkriegszeit und gemeinsam mit Freunden, Schulkollegen und eigentlich den gesamten Rest des malerischen Örtchens verbringt er sehr viel Zeit im cinema Paradiso, so der Name des einzigen vorhandenen Lichtspielhaus. Toto wird im Laufe des Films übrigens von drei Schauspielern Salvatore Cascio (als Kind), Marco Leonardi (als Teenager) und Jacques Perrin (als Erwachsener) verkörpert.
Was den Jungen allerdings vom Rest des Publikums auszeichnet ist sein Interesse für das Geschehen hinter den Kulissen. Toto will nämlich nicht nur den Film sehen sondern interessiert sich auch was der verantwortliche Techniker in der Projektorkammer so treibt. Dies führt dazu, dass er den griesgrämigen Filmvorführer Alfredo (Philippe Noiret) kennenlernt. Nachdem die beiden sich etwas in die Haare geraten sind, entpuppt sich Alfredo sehr schnell als liebenswürdiger, älterer Herr der in nicht allzu ferner Zukunft Toto die vielen Tricks und Kniffe beibringen wird die sein Job erfordern. Es gedeiht eine vom Alter her betrachtet zwar ungewöhnliche Freundschaft die vielleicht nur durch die Liebe zum Film entstehen konnte, die aber über die Jahre andauern wird. Ein weiterer Faktor dürfte es wohl sein dass Toto, dessen Vater in Russland gefallen ist, in Alfredo eine Art Vaterfigur, sieht letzerer hingegen im Jungen vermutlich den Sohn den er nie hatte.
Als eines Tages das Odeon durch einen Fehler Alfredos jedoch abbrennt und dieser schwere Verletzungen erleidet – woran er sogar erblinden wird – scheinen die Tage des Kinos in Giancaldo gezählt zu sein. Zum Glück gibt es da den neureichen Neapolitaner Spaccafico (Enzo Cannavale) der erst vor kurzem durch einen Lottogewinn zum Milliardär wurde und ebenfalls ein Filmeliebhaber ist. Er investiert also sein neues Vermögen in das Nuovo cinema Paradiso, einem moderneren und schöneren Kino das das Dorf mit Leinwand-Tragödien beglücken soll. Neuer Filmvorführer wird Toto werden der den gehandicapten Alfredo ersetzen soll. Die Geschäfte der Unterhaltungseinrichtung scheinen gut zu laufen und eine Zeit lang fühlt sich Toto, stets begleitet mit Ratschlägen des guten, alten Freundes Alfredo, sehr wohl in Giancaldo. Er beginnt sogar selbst zu filmen und scheint dafür ein geschicktes Händchen zu besitzen. Doch mit der Pubertät kommen neue Probleme. Der Junge verknallt sich in die Tochter des Bankdirektors Elena Mendola (Agnese Nano) die aber nichts von ihm wissen will. Bald wird er volljährig und der Militärdienst wird ihm weit weg nach Rom führen. Es scheinen also erstmals wichtigere Dinge anzustehen.
Wieder zurück auf Sizilien, drängt ihn Alfredo ständig er möge das kleine Nest das er Heimat nennt verlassen um neue Herausforderungen in Rom zu suchen. Alfredo ist von Totos Talent als Filmkünstler überzeugt und möchte nicht dass dieser sein Potential in Giancaldo als Filmvorführer vergeudet. Wie schon angedeutet, scheint diese Ersatzvater-Rolle für beide Charaktere immens wichtig zu sein. Deshalb befolgt der Junge auch schließlich Alfredos Rat und zieht von dannen. Ohne viel Worte zu verlieren oder in den kommenden Jahren sich jemals wieder bei seiner Mutter zu melden verlässt er das Dorf und wird es tatsächlich zum Star schaffen. Der Zuschauer verfolgt jedoch nicht seine Karriere sondern der Film beginnt eigentlich damit dass Toto nach 30 Jahren wieder nach Giancaldo zurückkehrt um bei der Beerdigung von Alfredo teilzunehmen. Das oben geschilderte wird kurz danach wie eine Art Erinnerung wiedergegeben bis man sich schließlich wieder in der Jetztzeit befindet (es müssen wohl dei 70er sein). Das Nuovo cinema Paradiso ist längst eine Ruine wenn Toto wieder heimischen Boden betritt. Das Kino scheint ausgestorben zu sein genauso wie das Dorf. Es gibt keine neuen Gesichter, lediglich Bekannte die in die Jahre gekommen sind. Begleitet von der genialen Musik von Ennio Morricone erlebt der Zuschauer mit einem mittlerweile grauhaarigen Toto bewegende Momente. Es kommt einem vor als ob die Erinnerungen des Hauptdarstellers die eigenen wären und man Teil des Ganzen sei. Sehr bewegend auch das Geschenk das Alfredo in Form – wie sollte es auch anders sein- einer Filmrolle für Toto quasi als Erbe hinterlassen hat.
Ein wirklich sehenswertes Stück Filmgeschichte. Man merkt dem Reigsseur und Autor die Liebe und Hingabe zum Kino in jeder Sekunde an. Dies geschieht weniger durch Hommagen an Kultfilme oder bekannte Zitate (auch wenn der Streifen mit solchen nicht geizt) sondern vielmehr durch die Darstellung selbst und der phänomenalen Performance von Noiret. Auch die Schauspieler die Toto interpretieren machen ihren Job sehr gut, am wenigsten gelungen fand ich dabei wohl Leonardi der ihn als Teenager wiedergibt. Die, wie immer bezaubernde und sofort ins Ohr gehende, Musik von Morricone steuert ihren Teil dazu bei dieses Erlebnis unvergesslich zu machen.
Aufgelockert wird das Ganze durch sehr witzige und humorvolle Szenen. Neben der Passion des Kinos merkt man auch sofort dass Tornatore, seines Zeichens selbst Sizilianer, eine große Liebe zu seiner Heimatprovinz hegt. Genau wie in „Der Zauber von Malèna“ bekommt man ein träumerisches Sizilien in den 40ern präsentiert. Der krasse Kontrast den uns der Italiener mit den Bildern um 1970 präsentiert spricht in meinen Augen Bände. Giuseppe Tornatores Sizilien ist noch ein malerisches Land, eine Region dessen Farben stets Wärme austrahlen dessen Menschen zwar einfache Leute aber Leute mit Lebensfreude und Hoffnung sind. Er zeigt zwar auch die Trümmer des Krieges und auch (implizit) das Leid bzw. die schwierige Lage doch die Hoffnung oder besser gesagt die Lebenslust ist omnipräsent.
Großes Kino mit viel Gefühl, Passion und eines der wohl schönsten und tränentreibendsten Themes das Morricone je komponiert hat. Volle Punktzahl und meine wärmste Empfehlung an all diejenigen die wie ich bisher dieses Meisterwerk verpasst haben.



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