(„Star Trek“ directed by J.J. Abrams, 2009)
„To boldly go where no man has gone before.“ Selten traf dieses Star Trek eigene Motto so gut zu. Denn der neue Star Trek von Regisseur J. J. Abrams ist nicht nur der jüngste der Reihe, sondern bricht auch mit einer Reihe von Konventionen, welche die Vorgänger ausgezeichnet hat. Doch steht der Lost-Regisseur auch vor einer schweren Aufgabe: Zum einen hat er natürlich die Verpflichtung, die trotz der Flops des letzten Films (Nemesis, 2002) und der letzten Serie (Enterprise, 2001 – 2005) bestehende Fanbase zu befriedigen. Da es sich aber leider nicht als rentabel erweist, nur für diese relative kleine Gruppe einen Kinofilm zu produzieren, muss Abrams auch versuchen, andere Zielgruppen zu erreichen, um seinen 150 Millionen Dollar teuren Film zu einem Erfolg werden zu lassen. Das Problem ist offensichtlich: Elemente, über die sich diejenigen, die in Uniform in den Kinosaal kommen, freuen, schrecken die eher gewöhnlichen KinogängerInnen ab. Star Trek als Marke hat sich aus meinen eigenen Erfahrungen heraus für manche Menschen zu einem Tabu entwickelt: „Star Trek? Nein Danke!“
Der elfte Kinofilm der Reihe ist wie oft dieser Tage ein Prequel und spielt noch vor der Zeit, in der Kirk von William Shatner gemimt wurde. Er geht sogar ganz zurück zu den Anfängen und so erlebt der Zuschauer in der Anfangssequenz die Geburt von James T. Kirk. Auf dem Planeten Vulkan hingegen erlebt man Spock als Kind. Dieser Film lebt nicht aufgrund seiner Handlung, sondern weil er zeigt wie sich die Charaktere Kirk und Spock zu dem entwickeln, was sie später in der Serie und den Kinofilmen sein werden. Leicht ist das weder für Kirk (Chris Pine), dessen Vater bei seiner Geburt umgekommen ist und der als Draufgänger in Kneipenschlägerein verwickelt ist oder mit einem gestohlenen Wagen unter der lauten Musik der Beastie Boys der Polizei davon jagt. Noch ist es leicht für Spock (Zachary Quinto), der ein Exot auf Vulkan ist, denn sein Vater ist ein logisch-emotionsloser Vulkanier und seine Mutter ein emotionaler Mensch. Beide müssen im Laufe des Films Entscheidungen treffen, wie sie ihr Leben gestalten wollen. Will Kirk der Draufgänger bleiben oder lieber der Sternenflotte beitreten? Will Spock seine menschliche Seite unterdrücken oder sich zu seinen Emotionen bekennen? Dies sind die Fragen, welche den Film voran treiben.
Die Handlung selbst basiert auf einer Zeitreise. Der Romulaner Nero (Eric Bana) reist unfreiwillig in der Zeit zurück und will sich an den Vulkaniern, genauer gesagt an Spock, rächen. Denn Spock, der als Vulkanier eine lange Lebenserwartung hat, betrachtet er als verantwortlich für die Zerstörung seines Heimatplaneten. Nero plant daher den ganzen Planeten Vulkan in einer Vergeltungsaktion zu zerstören, was ihm mit seiner fortschrittlichen Technologie auch leicht möglich ist. Der neu gebaute Enterprise, auf der sich der Konflikt in und zwischen Kirk und Spock weiter abspielt, gelingt es nicht, diesen Plan zu vereiteln und es gilt schließlich Nero an einer weiteren Tat zu hindern: Der Zerstörung der Erde.
Doch nicht nur Nero ist aus der Zukunft zurück gereist, sondern auch Botschafter Spock (Leonard Nimoy), der den romulanischen Heimatplaneten retten wollte, jedoch zu spät kam, erreicht das 23. Jahrhundert. Durch die wohl größte logische Unstimmigkeit des Films trifft er auf Kirk, welchem er von Neros Motiven berichtet und dem er auch davon erzählt, dass er und Kirk einmal Freunde sein würden.
Zugegeben, der blasse Charakter des Nero, welcher als Instant-Bösewicht daher kommt und auch die ganze Handlung, die zwar entgegen anderer Meinungen von in Zeitreisen wohl weniger bewanderten AutorInnen wie ich in sich schlüssig und stimmig ist, dient eher als Kulisse für die persönliche und zwischenmenschliche Entwicklung von Kirk und Spock. Pine und Quinto spielen ihre Rolle jedoch ausgezeichnet und wer ihre Vorgänger aus den 60ern kennt, wird feststellen, dass sie deren Mimik und Gestik genau studiert haben, um wirklich als deren jugendliche Version zu erscheinen. Zu erwähnen sind außerdem die restlichen Crewmitglieder, welcher nach und nach in den Film eingeführt werden. Zunächst ist das Dr. Leonard „Pille“ McCoy (Karl Urban), den Kirk schon auf der Sternenflotten-Akademie kennen lernt und Lt. Uhura (Zoë Saldaña), welche als Objekt der Begierde mit dafür Verantwortlich ist, dass der junge Kirk einer Bar in Iowa mit einem ramponierten Gesicht verlässt. Darüber hinaus die beiden Sulu (John Cho) und Chekov (Anton Yelchin). Ersterer, welcher auf einer Außenmission lieber mit einem Schwert als mit einem Phaser der Kampfkunst seiner Vorfahren nachgeht und Letzterer, welcher in bekanntem russischen Akzent seine Stärken beweist. Schließlich Montgomery „Scotty“ Scott (Simon Pegg), der in den Vorstellungen des Drehbuchautors in seinen Jugendjahren eher ein durchgeknallter Technik-Freak ist als der gemütliche Chefingenieur, der die Schrauben immer im richtigen Moment dreht, was aber natürlich kein Widerspruch sein muss.
Die größte (Neben-)Rolle jedoch hat meines Erachtens Leonard Nimoy, der 45 Jahre nach seiner ersten Verkörperung des Spock erneut in diese Rolle schlüpft und gerade aufgrund dieser Tatsache die ehrwürdigste Aura des ganzen Films hat. Durch Nimoy wird jedem Zuschauer bewusst, dass dies trotz Abrams Verjüngungskurs ein Star Trek Film ist. Aber auch andere Details lassen daran keinen Zweifel und es wurde der Fanbase Rechnung getragen, wenn der bekannte Kobayashi Maru-Test an der Akademie endlich zeigt wie Kirk ihn denn nun genau als einziger je bestehen konnte. Trotz aller Skepsis, der Film bleibt in jeder Szene ein Star Trek Film und wurde nicht zu einem beliebigen SciFi-Streifen, der lediglich einen Star Trek Anstricht trägt.
Handwerklich ist der Film in vielen Aspekten hervor zu heben. Die beeindruckenden visuellen Effekte zeugen davon wie sehr die Leute bei Industrial Light & Magic nach wie vor ihr Handwerk beherrschen (Schließlich war IL&M bei Star Trek II schon für die erste komplette CGI-Szene in einem Spielfilm verantwortlich!), obwohl deren Einsatz in mancher Minute vielleicht ein bisschen zu übertrieben war. Auch die Musik von Michael Giacchino, der schon für Abrams‘ Lost komponiert hat, passt perfekt zum Geschehen. Und der Tatsache, dass er in den End Credits das originale Star Trek Theme mit eingebaut haut, gebührt natürlich besonderer Anerkennung. Auch die moderne Kameraführung, welche bei Star Trek ein Novum darstellt, dürfte Abrams von Lost mitgebracht haben, was nicht heißen soll, dass sie nicht auch zu diesem Film passen würde. Denn wie Charaktere sucht auch die Kamera stehts nach dem richtigen Weg und harmoniert so gut mit der Handlung.
Konnte J.J. Abrams seine schwierige Aufgabe lösen? Ich meine ja! Zunächst hat er es geschafft den Film zu verjüngen. Einmal natürlich durch die junge Besetzung, dann aber auch durch einen zeitgemäßen Einsatz von visuellen Effekten und einer Handlung, die auch losgelöst von ihrem Science Fiction Setting darstellbar wäre. Wenn Kirk, Spock & Co. anders erscheinen als in den vorherigen Kinofilmen, dann liegt das nicht an einer Unterwerfung Abrams unter das Mainstreamkinopublikum, sondern vielmehr daran, dass er deren Anfänge zeigen will. Kirk war selbst in der originalen Serie noch ein bisschen der Draufgänger als der er in Abrams Film dargestellt wird. Die Charaktere sind nicht verbogen und verfälscht, sondern zeigen die noch unbeleuchteten Hintergründe ihres späteren Lebens. Nun gut, Spock eine Freundin zu verpassen ist gewagt, aber warum sollte seine menschliche Hälfte nicht auch nach einer solchen Beziehung streben? Lediglich die oft eingebauten humoristischen Dialogszenen sind meines Erachtens zu übertrieben und der ein oder andere Lacher hätte vielleicht nicht sein müssen. Star Trek TraditionalistInnen wie Peter Mühlbauer sind mit diesem Film natürlich unzufrieden und haben recht, wenn sie viele Änderungen bemerken. Doch führt ein konservatives Festhalten an Altem oft dazu in der Zukunft unterzugehen. Wer also als Star Trek Fan einsieht, dass es eine Änderung geben musste, um das Franchise auch ins 21. Jahrhundert zu retten, der sollte mit dem Ergebnis zufrieden sein, denn Abrams ist es gut gelungen zwei scheinbar unvereinbare Dinge unter einen Hut zu bringen und einen massentauglichen Star Trek Film für das 21. Jahrhundert zu drehen. Mein zugegeben etwas parteiisches Fazit lautet also „Ansehen!“ und es bleibt die Hoffnung, dass das Tabuwort „Star Trek“ nicht dafür sorgt, dass sich der normale Kinozuschauer einen guten Film entgehen lässt und für das Ende des Franchise sorgt. Wäre es nicht Star Trek, so bekäme der Film 5 Sterne, der Charme des Franchise und Details wie der Kobayashi Maru-Test sind für mich jedoch Anlass volle 6 Sterne zu vergeben!
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