(„Gran Torino“ directed by Clint Eastwood, 2008)
Ungefähr einen Monat vor dem deutschen DVD-Release ist es wohl ein guter Zeitpunkt um ein paar Worte über eines meiner persönlichen Kino-Highlights 2009 zu verlieren. Das amerikanische Release musste dabei herhalten und machte dabei eine sehr gute Figur.
Als Eastwood-Fan hatte ich den Film damals im Kino leider aus zeitlichen Gründen verpasst. Nun bereue ich zutiefst ihn damals nicht im Lichtspielhaus gesehen zu haben denn großes Kino, zu dem ohne Zweifel „Gran Torino“ dazuzählt, macht sich eben am besten auf der großen Leinwand. Eastwood der durch Leones „Für eine handvoll Dollar“ zum Star avancierte und über die Jahre die Rolle des wortkargen Revolverhelden perfektionierte und schließlich im Western-Genre sogar selbst im Regiestuhl saß, bewies auch immer ein Händchen für andere, sentimentalere Storys zu haben. Seine letzten Erfolge wie „Million Dollar Baby„, „Letters From Iwo Jima“ oder „Der fremde Sohn“ bedürfen dabei wohl wenig Worte.
Walt Kowalski (Clint Eastwood) diente in den Fünfzigern im Koreakrieg und hat seitdem dieses traumatische Erlebnis nie richtig überwinden können. Für ihn scheint die Zeit dort stehen geblieben zu sein. Unverständlich ist für ihn die verwöhne Jugend von heute, der Verfall der (amerikanischen) Werte bereitet ihm Kopfschmerzen und die schier endlose Flut an Migranten, die sein ehemals malerisches US Vorstadtviertel in ein Ghetto verwandelt haben, lassen den Ort zu einem Schlachtfeld für arbeitslose Jugend-Gangs verkommen. Zu allem Überfluss stirbt auch noch seine geliebte Frau und die Beerdigung ist dank seiner Familie alles andere als eine festliche Zeremonie. Seine kaufmännischen und verzogenen Söhne mit ihren neumodernen, stereotypischen Familien waren Walt schon nie sympathisch, warum muss auch Sohn Nummer 1 (Brian Haley) ausgerechnet asiatische Autos verkaufen? Wozu hat Walt fünfzig Jahre für Ford gearbeitet wenn die neuen Generationen lieber ausländische Konzerne mit amerikanischem Geld füttern? Was aus diesen alten glorreichen Tagen der amerikanischen Autoindustrie übrig bleibt ist ein 1972 Ford Gran Torino den Walt wie seinen geheimen Schatz gepflegt und wohlerhalten in seine Garage über die Jahre hinweg bewahrt hat.
Der griesgrämige alte Mann scheint auf den ersten Blick ein erzkonservativer, seniler Musteramerikaner zu sein, doch nach und nach schält sich die harte Schale und der Charakter bekommt mehr Tiefe und Feinheiten. Tragend dabei ist die Story die sich nach dem Tod seiner Frau in ca. 115 Minuten Laufzeit zwar langsam aber stets interessant und keinesfalls langweilig entwickelt. Grob gesagt lernt Walt seine asiatischen Nachbarn besser kennen. Sie gehören dem Volk der Hmong an und wohnen bereits seit dem Vietnamkrieg in Michigan. Der Jüngste des Hmong-Clan, Thao (Bee Vang) und dessen Schwester Sue (Ahney Her), werden dabei die Faktoren sein die Walt in eine neue Welt einsteigen lassen. Hintergrund bilden die hiesigen Gangs die sich aufgrund ihrer Ethnien bekämpfen. Thao der äußerst intelligent ist will anfangs nichts damit zu tun haben, wird aber durch seinem Cousin dazu gezwungen, den Gran Torino seines Nachbarn zu stehlen. Als dies kläglich fehlschlägt wird Thao für Walt Kowalski diverse Hausarbeiten als Wiedergutmachung erledigen müssen die schließlich den Anfang für eine ungewöhnlilche Freundschaft bilden werden. Als die Hmong-Gang allerdings nicht locker lässt und Thao samt Familie sogar mit Waffengewalt bedroht sieht sich Walt gezwungen seine alten Korea-Erfahrungen einzusetzen. Im Keller steht immer noch eine Kiste mit alten Army-Erinnerungen samt dem Gewehr das 1950 für unzählige Tote verantwortlich war…
Großes Kino mit viel Gefühl und einen Clint Eastwood der immer noch nicht müde zu sein scheint. Er spielt seine Rolle als Kriegsveteran glaubwürdig und auch die letztendliche Öffnung gegenüber der fernöstlichen Kultur erscheint nicht aufgesetzt sondern durchaus plausibel und nachvollziehbar. Man mag dem Film wohl vorwerfen er bediene sich sämtlichen Klischees doch wenn man genau hinsieht dann finde ich dass Eastwood doch genau hierzu diverse, auch durchaus kritische, Fragen aufwirft. Wie von ihm gewohnt zeichnet er allerdings ein romantisiertes Bild der USA, ganz wie sein Charakter Walt Kowalski scheint Clint in jeder Sekunde den good old days nachzutrauern. Ob früher wirklich alles besser war wird dabei kaum in Frage gestellt, lediglich der Koreakrieg wird ramponiert über den Rest hüllt sich Eastwood in Schweigen.
Nichts desto trotz bleibt für mich „Gran Torino“ eines der großen Highlights des laufenden Kinojahres. Gute schauspielerische Performance, Charakter mit Tiefe und die durchwegs bewegenden Momente machen den Film zu einem Juwel das deutlich zwischen den vielen Hollywoodmüll hervorblitzt.
Ob man sich nun Eastwoods letzen Streich alleine, mit Freunden oder sogar als Familienfilm ansehen möchte spielt dabei wenig bis gar keine Rolle, er funktioniert und ist wirklich empfehlenswert.
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