(„Donnie Darko – Director‘s Cut“ directed by Richard Kelly, 2001/2005)
Nachdem 2009 in den USA mit S. Darko – A Donnie Darko Tale – Regie führte Chris Fisher – eine Fortsetzung des Kultfilms Donnie Darko in die Kinos kam, lohnt ein Blick zurück, auf Richard Kellys (The Box) Erstlingswerk, genauer: den im nachhinein veröffentlichten „Director’s Cut“.
Donnie Darko, gespielt von Jake Gyllenhaal, ist ein Teenager, der in einem US-amerikanischen Vorort lebt. Im Gegensatz zu seinen Altersgenossen erlebt er immer wieder mysteriöse Dinge: Nachts schlafwandelt er und sieht übernatürliche Visionen, weshalb er sich in psychologischer Behandlung befindet und Medikamente einnimmt. Trotzdem wacht er regelmäßig aus seinen nächtlichen, surrealen Eskapaden an darauffolgenden Tagen irgendwo in seiner Heimatstadt auf. Die Ereignisse spitzen sich zu, als ihm ein kostümierter Hase mit dem Namen Frank (James Duvall) erscheint, um ihm die genaue Zeitangabe für den Untergang der Welt zu übermitteln. Tags darauf muss Donnie feststellen, dass eine Flugzeugturbine in sein Zimmer gestürzt ist und er nur dank seiner Vision, die ihn nachts aus dem Haus getrieben hatte, überlebt hat. Ab diesem Zeitpunkt wird der Teenager immer wieder vom Hasen, der vorgibt aus der Zukunft zu sein, heimgesucht und mit zum Teil illegalen Aufträgen versehen. Donnies Alltag ist aber auch geprägt von der High School. Dort verliebt er sich in die neue Mitschülerin Gretchen Ross (Jena Malone), gerät in Konfrontation mit einem pseudo-religiösen Heilsbringer Jim Cunningham (Patrick Swayze) und erregt die Aufmerksamkeit seiner Literaturlehrerin (Drew Barrymore als Karen Pomeroy), die ihn zwar als talentiert, aber gleichzeitig auch als selbstzerstörerisch ansieht. Als das Ende der Welt immer näher kommt, reift in Donnie der Entschluss, die Welt durch eine Zeitreise zu retten. Dafür nimmt er auch Kontakt mit seinem Physiklehrer Prof. Kenneth Monitoff (Noah Wyle) und einer als Hexe verschrienen alten Frau mit dem Spitznamen „Grandma Death“(Patience Cleveland als Roberta Ann Sparrow) – auf.
Als Donnie Darko 2001 in den US-amerikanischen Kinos anlief war sein kommerzieller Erfolg von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die Terroranschläge vom 11. September verhinderten, dass sich ein größeres Publikum für einen Film interessierte, in dem eine Flugzeugturbine ein Haus zertrümmert. Auf dem Umweg der DVD-Veröffentlichung erreichte Kellys Genre-Mix aus Science-Fiction, Coming-of-age und Mystery-Thriller jedoch Kultstatus. Eine weltweite Fangemeinde rang in Internet-Foren um die Deutungshoheit über den metaphysischen Interpretationskomplex und die Entwirrung der vielen Querverweise und Zitate. Der Regisseur muss sich wohl missverstanden gefühlt haben. Deshalb versuchte Kelly mit seinem 128 Minuten umfassenden „Director‘s Cut“ seine ursprünglichen Intentionen hervorheben.
Danach liegt sehr viel Gewicht auf der Erklärung der Visionen als eine per „deus ex machina“ übermittelte Botschaft aus der Zukunft, was durch neue Einstellungen eindeutig unterstrichen wird. Weiterhin wird durch das gewaltige Bonusmaterial deutlich, dass es sich, physikalisch gesehen, um eine Art Tangenten-Universum – also um ein Parallel- oder Alternativuniversum –handeln soll, in dem Donnie agiert und seine Zeitreise vorbereitet. Eine endgültige Interpretation gibt Kelly aber auch in seinem „Director’s Cut“ nicht preis. Und das ist gut so. Denn der Kultfilm lebt von seinen mehrstöckigen Handlungsebenen genauso wie von seinen vielen Interpretationsmöglichkeiten. Man kommt gar nicht umhin, sich den Film immer wieder neu anzusehen. Das ganze kann natürlich auch als Schwäche ausgelegt werden. Man könnte Kellys Film als einen willkürlichen metaphysischen Wirr-Warr kritisieren, der sich nicht festlegen will, weil nichts dahintersteckt. Doch muss solchen kritischen Stimmen entgegengehalten werden, dass letztlich jede Kunstform auch von der subjektiven Sichtweise, und damit von einem üppigen Interpretationspotential, lebt.
Auch die Besetzung kann sich trotz des geringen Produktionsetats sehen lassen. Vor allem Jake Gyllenhaal überzeugt in seiner Rolle und hat sich durch seine Leistung als Donnie Darko den Weg in Hollywood geebnet. So konnte der Newcomer sein Können seither in gefeierten Filmen wie Brokeback Mountain (Ang Lee) oder Der Zodiac Killer (David Fincher) unterstreichen.
Die Filmmusik gibt nicht nur den Zeigeist der 1980er wieder. Vielmehr geben allein schon die Songtitel Hinweise zum Verständnis des Films: z.B. spielt „Love will tear us apart“ (Joy Division) auf das Schicksal von Donnie und Gretchen an. Mit dem Song „Mad World“ von Gary Jules gelang sogar ein kleiner Hit, der zudem das Lebensgefühl des Protagonisten zum Ausdruck bringt:
And I find it kind of funny
I find it kind of sad
The dreams in which I’m dying
Are the best I’ve ever had
I find it hard to tell you
I find it hard to take
When people run circles
It’s a very very mad world, mad world
Parallelen besitzt Donnie Darko zu Science-Fiction-Filmen, die sich mit Zeitreisen auseinandersetzen, wie die Zurück in die Zukunft-Trilogie (Robert Zemeckis) oder 12 Monkeys (Terry Gilliam). Atmosphärisch erinnert Kellys Film aber auch ansatzweise an Mystery- und Psycho-Thriller wie Lost Highway (David Lynch) oder Das geheime Fenster (David Koepp). Ein vergleichbarer Film, der wiederum zweifelsohne an Donnie Darko angeknüpft hat, ist Butterfly Effect (Eric Bress & J. Mackye Gruber).
Donnie Darko und der „Director’s Cut“ sind innovative, unkonventionelle Filme. Kellys Arbeit polarisiert aber auch: Entweder man wird zum Fan und versucht sich einen Zugang zu dessen Werk zu erschließen – was hieße ihn mehrmals anzusehen und Hintergrundinformationen zu sammeln. Oder man kann mit Kellys Streifen nichts anfangen, weil man keinen Zugang in seinen surrealen Kosmos findet.
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