(„Jing Ke ci qin wang“ directed by Chen Kaige, 1999)
Der chinesische Regisseur und Drehbuchautor Chen Kaige (Lebe wohl meine Konkubine) gehört innerhalb der chinesischen Filmlandschaft zur so genannten „Fünften Generation“ und hat sich in seinem Werk vor allem der Rekonstruktion der chinesischen Geschichte verschrieben. Zusammen mit Zhang Yimou (Hero, House of Flying Daggers) hat er nicht nur den Film Die große Parade produziert, sondern maßgeblich zur Stilbildung der entpolitisierten „Fünften Generation“ beigetragen.
Im Jahr 230 vor Christus ist das spätere China noch in sieben Königreiche gespalten. Seit hunderten von Jahren kämpfen die einzelnen Reiche um die Vormachtstellung. Der Kaiser von Qin, Ying Zhen (Li Xuejian), hat die Vision, die einzelnen Reiche unter seiner Führung zu einem Großreich zu vereinigen, um eine friedliche Herrschaft durchzusetzten. Dafür muss er allerdings erst alle anderen Völker im Kampf besiegen. Zhens Konkubine Zhao (Gong Li) entwickelt mit ihrem Herrn einen Plan, indessen Folge ein Attentäter angelockt werden soll, damit auch das Reich angegriffen werden kann, das bisher keinen Grund geboten hat. Doch Zhao erkennt durch Zhens Machthunger, welch hoher Preis für die Einheit zu zahlen ist und überredet nun den ehemaligen Auftragsmörder Jing Ke (Zhang Fengyi), in den sie sich inzwischen verliebt hat, den Kaiser von Qin zu töten, um das Blutvergießen Zhens zu stoppen.
Das monumentale Historienepos Der Kaiser und sein Attentäter erzählt Chen Kaige in fünf Kapiteln in Shakespeare’scher Manier. Denn seine Erzählung ist nicht nur eine Geschichte über die chinesische Geschichte, sondern auch eine Geschichte über Macht und dessen Verstrickungen. Wer schon immer wissen wollte, warum China so groß ist und warum die chinesische Mauer errichtet wurde, bekommt in Kaiges Film Nachhilfeunterricht. Die teilweise langsam voranschreitende Handlung wird von stimmiger Musik untermalt. Der Film beeindruckt vor allem durch seine farbenprächtigen Kostüme und authentisch wirkenden Settings.
Ganz entpolitisiert ist auch dieser Film nicht, selbst wenn Kaige der „Fünften Generation“ angehört. Der politische Kern der Erzählung versteckt sich lediglich hinter der prunkvollen Ästhetik. Als (westlicher) Zuschauer muss man sich allerdings auf den Erzählstil des Films einlassen. Offiziell hat China Der Kaiser und sein Attentäter Geschichtsklitterung vorgeworfen. Kaige nehme sich narrative Freiheiten bezüglich der Historie heraus. Kaige verteidigt sich mit dem Argument, dass ihn weniger die Symbole, wie die chinesische Mauer, dafür um so mehr die Menschen interessiert hätten, die vor 2000 Jahren gelebt haben und sich „im Tiefsten ihres Inneren“ nicht sonderlich von den heutigen Menschen unterscheiden würden.
So würden sich die Menschen nach Kaige in der historischen Situation genauso wie in der Gegenwart in einem „Prozess tiefgreifender Reformen“ befinden, der gestern wie heute neben „großen Problemen“ ebenfalls „große Chancen“ berge. Eine weitere Parallele der Epochen sieht der Regisseur im Verlust der „Identität und Werte“, der im gegenwärtigen China mit der Dezentralisierung und wirtschaftlichen Reformen in den 1990ern einherging. Seine Charaktere würden sich über eine „erhöhte Sensibilität“ von der „Masse der Menschen“ in China abheben. So stellt Kaiges Film auch ein Plädoyer für die Bewahrung von Individualität innerhalb eines totalitären Systems dar.
In 160 Minuten bietet Kaige einen bis auf wenige Ausnahmen unterhaltsamen farbprächtigen Bilderbogen, der tiefe Einblicke in die chinesische Sitte und Alltag im dritten Jahrhundert vor Christus zeigt. Vergleichbar ist der Filmklassiker Ran vom japanischen Meisterregisseur Akira Kurosawa (Das Schloss im Spinnwebwald, Yojimbo). Auf subtile Weise präsentiert Chen Kaige neben dem anschaulichen Geschichtsunterricht ebenso einen sehenswerten Film über Macht und Individualismus.
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