(„The Island“ directed by Michael Bay, 2005)
Nach Armagedon drehte der Regisseur Michael Bay einen weiteren Science-Fiction-Film. Im Gegensatz zu seinem Endzeit-Katastrophen-Thriller handelt es sich bei Die Insel jedoch um eine Gegenutopie. Denn der Plot ist in der Mitte des 21. Jahrhunderts angesiedelt, in der die Elite Menschen Klone züchten, um bei Bedarf über Organe verfügen zu können. Michael Bay knüpft damit an eine Reihe von Film-Dystopien an, an denen er sich messen lassen muss. Die Erwartungshaltung ist im Vorfeld eher gering, da der Filmemacher – nicht erst seit Transformers – eher für seine nervenzerreißenden und bildgewaltigen Action-Spektakel bekannt ist.
Lincoln Six-Echo (Ewan McGregor) und Jordan Two-Delta (Scarlett Johansson) leben in einer hermetisch abgeschirmten Hightech-Anlage. Alles, was sie tun, wird überwacht. Ihr Leben wird dirigiert. Wie die anderen Bewohner innerhalb des Komplexes, die allesamt dieselbe weiße Kleidung tragen, hoffen sie eines Tages durch ein Losverfahren auf „Die Insel“ reisen zu dürfen: die letzte natürliche Oase auf der Welt, nachdem eine Kontamination die Erde verseucht hat. Doch Lincoln Six-Echo plagen Zweifel an seinem Dasein und an der Kontamination. Seine Zweifel werden durch einen Mord an einer Mitbewohnerin, die angeblich aufgrund ihrer bevorstehenden Geburt auf „Die Insel“ gebracht wurde. Die nächste Gewinnerin ist seine Freundin Jordan Two-Delta. Deshalb bricht er zusammen mit ihr aus dem abgeriegelten Kokon aus, um in der Freiheit noch mehr erschütternde Wahrheiten zu entlarven.
Zunächst muss man feststellen, dass die erste Hälfte von Die Insel als Hommage an die dystopischen Filme gewertet werden kann. So verweisen die Codenummer, die weißen Klamotten, die Überwachung und die geregelten Beziehungen zwischen den Geschlechtern auf George Lucas‘ Spielfilmdebüt THX 1138 (in diesem Link sind auch die literarischen Vorbilder zusammengefasst). Sicherlich erinnern diese Szenen auch an Filme wie Paycheck (John Woo) oder Minority Report (Steven Spielberg). Bis hierher gibt es an Die Insel nichts auszusetzen. Die Zukunftsbilder wirken beeindruckend. Die Kamera orientiert sich in diesem Teil sehr stark an die Kameraführung bei THX 1138. Sogar ein Kubismus-Zitat ist durch ein Picasso-Gemälde in Die Insel eingebaut, was auf die kubistische Perspektive in George Lucas‘ Film hinweist. Inhaltlich ist noch der Seitenhieb auf den gegenwärtige Fitness-, Gesundheits- und Jugendenwahn erwähnenswert.
Die zweite Hälfte des Films allerdings ergötzt sich an unglaubwürdigen und überhand nehmenden Actionsequenzen, die den Plot nicht weiterbringen und den Film unnötig in die Länge ziehen. Hier macht der Regisseur Referenzen an die Science-Fiction-Trilogien Star Wars (George Lucas) und Matrix (Andy & Larry Wachowski). Die Settings gleichen in dieser Hälfte auch stark den anderen Bay Filmen – allen voran The Rock und Bad Boys. Das ist schade, denn aus dem Stoff „Klonen“ hätte man auch mehr machen können. Der Vollständigkeit halber streut Bay hier und da noch ein paar kleine Denkanstöße in den Film. Aber das ist nicht ausreichend. Außerdem hätte Bay die Versatzstücke einer eigenen Erinnerung bei Lincoln Six-Echo ausführlicher erläutern müssen. Überhaupt bleiben die Erinnerungssequenzen – deren Ästhetik der Bourne– (Paul Greengras) und X-Men-Trilogie (u.a. Bryan Singer) ähnelt – auf der Strecke.
Abstriche müssen neben der Actiondominanz auch – wie in Gattaca (Andrew Niccol) – wegen zu viel Pathos gemacht werden. Die Hauptfigur, die von Ewan McGregor (Stay, Trainspotting) glaubhaft gemimt wird, droht zu oft ins heroische zu kippen. Seine Begleiterin Scarlett Johansson (Match Point, Vicky Cristina Barcelona) verhält sich – ähnlich wie Uma Thurman in Gattaca – im Hintergrund. Positiv aufgefallen ist in der Nebenrolle Steve Buscemi (Reservoir Dogs, Coffe And Cigarettes), der routiniert eine gute Darbietung abgeliefert hat. Die Filmmusik klingt zeitgenössisch und geht zum Großteil in Ordnung. Stellenweiweise verfällt aber auch diese in zu viel Pathos.
Auch die Übergänge sind zum Teil unsauber oder wirken unpassend. Was bleibt ist ein sehenswerter 130 minütiger Michael Bay-Film, der von der Qualität aufgrund der überbordenden Action nicht an seine anti-utopischen Vorbilder herankommt, aber im Ganzen ein unterhaltsamer Science-Fiction-Film mit leichtem Tiefgang geworden ist. Innerhalb des Werks von Michael Bay nimmt Die Insel eine Scharnierstellung zwischen seinen klassischen Action-Streifen und seiner Transformers-Reihe ein.
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