Othello

Othello

(„The Tragedy of Othello – The Moor of Venice“ directed by Orson Welles, 1952)

OthelloNach Macbeth – Der Königsmörder wagt sich das Regiegenie Orson Welles (Citizen Kane) zum zweiten Mal an ein Theaterstück von William Shakespeare heran. Die Tragödie von 1622 wurde mehrfach verfilmt und stellt Welles‘ ersten Film dar, der außerhalb des amerikanischen Studiosystems inszeniert wurde.

Der gutmütige Mohr Othello (Orson Welles) ist General der Republik Venedig, der für seine Tugendhaftigkeit und Tapferkeit bekannt ist. Aus Eifersucht und wegen Zurücksetzung bei der Beförderung schmieden Rodrigo (Robert Coote) und der gerissene Fähnrich Jago (Micheál MacLiammóir) einen Plan, um den naiven General Othello in Ungnade zu stürzen. Denn nicht Jago, sondern Cassio (Michael Lawrence) wurde zum Leutnant befördert. Außerdem hat Othello gegen den Willen ihres Vaters Brabantio (Hilton Edwards) Desdemona (Susanne Cloutier) geheiratet.

Nachdem der Mohr erfolgreich den Vorwurf der Verzauberung der Patriziertochter von sich weisen konnte, trifft die Botschaft eines Angriffs der Türkei auf Venedigs unterstellter Insel Zypern ein. Den Angriff der türkischen Flotte kann Othello vor Zypern abwehren, um danach, zur dauerhaften Absicherung, auf die Insel stationiert zu werden. Hier nutzt der hinterlistige Jago geschickt Othellos Gutgläubigkeit, um dessen Argwohn gegen Cassio zu wechen und an der Treue seiner Frau zu zweifeln. Indem der intrigante Fähnrich alle Strippen zu zeihen weiß und Beweise fälscht, beginnt der naive General tatsächlich, an ein Verhältnis zwischen seiner Frau und seinem Leutnant zu glauben. Jago will Othello schließlich davon überzeugen die angeblichen Verräter zu töten.

Othello ist als Kontrastfigur anzusehen. Moralisch ist er zwar einwandfrei: ehrenhaft, tapfer. Aber äußerlich stößt er in der damaligen venezianischen Gesellschaft auf Abstoßung: Dunkelhäutige wurden als hässlich und barbarisch angesehen. Mit diesem Hintergrundwissen ist nachzuvollziehen, warum Othello der Vorwurf der Zauberei – bei der Verführung Desdemonas – gemacht wurde. Denn für ihren Vater war der Mohr ganz einfach hässlich und abstoßend. Damit sich seine Tochter in ihn verlieben konnte, musste schon Zauberei nachhelfen. Strittig ist bei Othello ebenfalls die Übersetzung mit „Mohr“ (Schwarzafrikaner). Stattdessen wäre „Maure“ (Bewohner Mauretaniens) vorzuziehen.

Diese Interpretation würde auch die Anspielung des Namens „Jago“ auf den „Maurentöter“ Santiago ergänzen. Insgesamt steht der Intrigant als Gegenspieler dem kräftigen, aber naiven Othello gegenüber. Jedoch kommt es nie zu einer direkten Auseinandersetzung zwischen den beiden, sondern nur zu einer einseitigen Beeinflussung Othellos durch Jago. Der Name „Desdemona“ könnte etymologisch vom griechischen Begriff „dysdaimôn“ abgeleitet werden. Dann würden sich Bedeutungen wie „unter einem Unstern stehend“ oder auch „vom Schicksal verfolgt“ ergeben, die einen Hinweis auf das fatale Ende vorwegnehmen würden.

Welles drehte mehrere Jahre an Othello. Die Drehorte Italien und Marokko bilden die Schauplätze für die 91 Minuten umfassende Shakespeare-Verfilmung. Der lange verschollen geglaubte Film wurde erst in den 1990er Jahren wiederentdeckt und restauriert. Dadurch konnte er hierzulande erstmals in der kompletten Fassung gezeigt werden. Man bekommt eine Theateradaption zu Gesicht die einen persönlichen Anstrich des Regisseurs trägt, ohne dabei die Originalverse abzuändern. Insgesamt unterhält der Film eine frische Ästhetik. Auch die üblichen Regelbrüche Welles‘ – schräge Kameraperspektiven – verweisen auf das Wanken von Othellos Rezeption der Realität. Wenn sich Othello seiner Frau ab- und dem Spiegel zuwendet, so offenbaren sich hierin der Eifersuchtswahn und der patriarchalische Gestus eines despotischen Mannes. Ohnehin zeigt uns Othello nur die Sichtweise der Männer. Desdemona bleibt lediglich gefügiger Anhang.



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