(„THX 1138“ directed by George Lucas, 1971)
Der Drehbuchautor, Regisseur und Produzent, der durch seine Krieg der Sterne– und Indiana Jones-Reihe Filmgeschichte schrieb, bewies in seiner Studentenzeit, dass er auch experimentierfreudig sein kann. Denn George Lucas‘ erster Spielfilm von 1971 basiert auf dessen Kurzfilm THX 1138 4EB (Electronic Labyrinth) aus dem Jahr 1967, als er noch ein Student war. Seine oft vergessene und kommerziell nicht erfolgreiche Dystopie überzeugte seine damaligen Kritiker und reihte sich stilbildend in die Science-Fiction-Filme des so genannten „New Hollywood“ ein, in der neben dem Klassiker 2001: Odyssee im Weltraum (Stanley Kubrick) von 1968 auch Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All (Robert Wise) von 1971 oder Lautlos im Weltraum (Douglas Trumbull) von 1972 erschienen. 2004 erschien dann der George Lucas Director’s Cut, in den die durch Warner Bros. gekürzten Szenen wieder eingefügt wurden.
In einem totalitären Staat in einer nicht weit entfernten Zukunft haben die Bürger keine Rechte mehr. Äußerlich sind alle angepasst: alle tragen abrasierte Haare und dazu weiße Kleidung. Sie sind nummerierte Arbeitersklaven, die von einem staatlichen Drogenprogramm ruhig gestellt werden. Als der Arbeiter THX 1138 (Robert Duvall) sich illegalerweise in seine Mitbewohnerin LUH 3417 (Maggie McOmie) verliebt, überredet diese ihn, die Drogen abzusetzen. Zunächst verändern sich das Bewusstsein und schließlich das Leben von THX 1138. Denn der Staat entlarvt die verbotene Liebesaffäre zwischen THX 1138 und LUH 3417 und die Drogenverweigerung von THX 1138, so dass er die beiden trennt und wegsperrt. THX 1138 ist fest entschlossen zu fliehen und LUH 3417 zu befreien.
Zunächst fallen die vielen Anspielungen zu seinen literarischen Vorbildern auf. So verweisen beispielsweise die Geschöpfe, die außerhalb der „Schale“ leben auf „Die Zeitmaschine“ (H. G. Wells) von 1895, die Nummern anstelle der Namen – wie das Fehlen von Individualität generell – auf „Wir“ (Jewgeni Samjatin) von 1920, das Drogenprogramm auf „Schöne neue Welt“ (Aldous Huxley) von 1932 und die Überwachung sowie der fürsorgliche Bruder an „1984“ (George Orwell) von 1949. Bereits im Vorspann zeigt Lucas Originalszenen aus der Science-Fiction-TV-Serie Buck Rogers, der auf dem Roman „Armageddon 2419“ (Philip F. Nowlan) von 1928 beruht. Neben diesen literarischen Zitaten werden aber auch filmische Vorbilder von Lucas offenbar. So ähneln die Liebesszenen eindeutig an die kubistische Perspektive aus Ingmar Bergmans Persona. Außerdem stellen die vielen dokumentarischen Einstellungen – die beiden Kameramänner Alber Khin und David Myers stammen tatsächlich aus dem Dokumentarfilmbereich – eine visuelle Lebensnähe dar, wie sie Akira Kurosawa mit seinem Anspruch einer „makellosen Realität“ stets einforderte.
Robert Duvall (M.A.S.H., Der Pate, Apocalypse Now) trägt zusammen mit der grandios eingespielten, düster und sperrig klingenden, Filmmusik zur Güte des Films bei. Unterstützung erhielt Lucas ebenso vom Produzenten Francis Ford Cappola. Zusammen gründeten die beiden 1969 in San Francisco das Studio „American Zoetrope“, wobei Cappola versprach THX 1138 als ersten Film in Angriff zu nehmen.
Sämtliche filmischen Gegenutopien müssen sich seither mit Lucas‘ Arbeit messen lassen. So stehen Filme wie Gattaca (Andrew Niccol) oder Paycheck (John Woo) in der Tradition von Lucas oder auch eines François Truffauts, der sogar noch früher, mit der Filmadaption von Ray Bradburys Fahrenheit 451, mit dem dystopischen Film begann. Doch nie wurde die Dystopie filmisch so düster und resolut gezeichnet wie bei Lucas. THX 1138 ist gewiss keine einfache Kost. Er fordert in 85 Minuten Laufzeit durch seinen experimentellen Duktus genauso viel vom Zuschauer ab, wie durch seinen kompromisslos-pessimistischen Inhalt, der einem kafkaesken Labyrinth gleicht.
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