(„Sleeper“ directed by Woody Allen, 1973)
Der dystopische Roman „Wenn der Schläfer erwacht“ („When The Sleeper wakes“) vom Science-Fiction-Gründervater H. G. Wells aus dem Jahr 1899 handelt von einem Engländer, der in einen komatösen Zustand entschläft, von dem er nach gut 200 Jahren wieder erwacht. Alles hat sich im Lauf der Zeit verändert. Der Protagonist muss sich den neuen Gegebenheiten stellen. Diesen Ansatz greift der emsige Filmemacher Woody Allen (Vicky Cristina Barcelona, Whatever Works) in seinem Science-Fiction-Streifen Der Schläfer auf.
Eigentlich ist der Reformhausbesitzer und Klarinettist Miles Monroe (Woody Allen) mit dem Ziel zu seinem Arzt gegangen, sich von einem plagenden Furunkel befreien zu lassen. Nachdem der Vegetarier von der Narkose jedoch aufwacht packt ihn das Entsetzen: Er befindet sich im Jahre 2174, weil man ihn 1974 irrtümlicherweise eingefroren hatte. Das Amerika, so wie er es in Erinnerung hat, gibt es nicht mehr. Inzwischen herrscht ein Führer mit Hilfe eines allmächtigen Überwachungsstaates über seine Untertanen. Eine elektronische Datenverarbeitung ermöglicht sogar die Bevormundung der intimsten Bereiche. Als Verfechter von Romantik und konventionellem Geschlechtsverkehr – der ist durch den „Orgasmotron“ mittlerweile abgeschafft worden – schließt er sich, nachdem er verhaftet und resozialisiert wurde, zusammen mit seiner einzigen (widerwilligen) Bekanntschaft Luna Schlosser (Diane Keaton) einer Untergrundbewegung an, um das totalitäre System abzuschaffen.
Neben der eindeutigen Hommage an H.G. Wells ist in dem Film auch eine Ehrerbietung für Charlie Chaplin (Der große Diktator) eingebaut. So verweisen die Verfolgungsszenen zwischen Allen und den Polizisten an die Chaplin-Filme. Denn erstens sind diese entgegen des restlichen Films in Stummfilm-Art, nur mit Musik untermalt, eingespielt und zweitens kopieren diese Sequenzen die typischen Gag-Situationen Chaplins. Von Wells‘ Vorlage rückt er aber doch stark ab. Bis auf das Erwachen Monroes in einer veränderten Zukunft gibt es kaum Überschneidungen zwischen den beiden Arbeiten. Allen benutzt das Terrain der Anti-Utopie lediglich, um eine Gesellschaftssatire zum Besten zu geben. Das geht die erste Hälfte des Films auch gut. In der zweiten Hälfte verliert Allens Streifen jedoch an Fahrt, vor allem die Chaplin-Gags verlieren ihren Reiz.
Die futuristische Ästhetik ist recht heterogen geworden. Während sich die Settings trotz geringem Einsatz von Special Effects durchaus auch heute noch sehen lassen können, muss das Urteil über die meisten technischen Geräte negativ ausfallen, da diese wie Spielzeug aus dem Kinderladen wirken. Sieht man von den Mängeln ab, ist Allen trotz allem ein größtenteils unterhaltsamer Film gelungen, wohl die humorvollste Film-Gegenutopie in der Filmgeschichte. Mit anderen Film-Dystopien, wie THX 1138“(George Lucas) oder Gattaca (Andrew Niccol) kann er freilich nicht mithalten, muss und will er aber auch gar nicht. Allens bislang einziger Science-Fiction-Film verbindet den Charme von Chaplin mit der Vision von Wells und fügt dem seinem eigenen Stil hinzu.
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