(„War of the Worlds“ directed by Steven Spielberg, 2005)
1898 sorgte der Begründer der modernen Science-Fiction für sehr viel Furore mit dem ersten literarischen Werk über eine Marsinvasion. H. G. Wells‘ „Krieg der Welten“ ist gleich beim Erscheinen zum Klassiker aufgestiegen und stellt neben „Die Zeitmaschine“ von 1895 seinen erfolgreichsten Roman dar. Nachdem Steven Spielberg kurz zuvor zwei Dystopien gedreht hatte – A.I. – Künstliche Intelligenz und Minority Report – knüpft er wieder an seinen jüngeren Arbeiten – Unheimliche Begegnung der dritten Art und E.T.- Der Außerirdische – an, die sich auch mit dem Erstkontakt mit Außerirdischen befassten.
Die Vorlage von Wells wird von England nach Amerika in das 21. Jahrhundert verlegt. Tom Cruise ist der unzuverlässige und verantwortungslose Dockarbeiter Ray Ferrier. Über das Wochenende lässt seine schwangere Ex-Frau Mary Ann (Miranda Otto) ihre gemeinsamen Kinder Rachel (Dakota Fanning) und Robbie (Justin Chatwin) bei Ray, denn sie will mit ihrem neuen Freund Tim (David Alan Basche) nach Boston fahren, um ihre Eltern zu besuchen. Nach knappen zehn Minuten endet dann erstaunlicherweise schon die Einführung der Charaktere und der Angriff der Außerirdischen beginnt. Unnatürliche Gewitter, in Begleitung von tobenden Stürmen, die durch eine EMP-Welle (electric magnetic pulse) sämtliche Elektrizität lahmlegen, sind die Vorboten der dreibeinigen hochhausgroßen Kampfmaschinen, die fortan eine der größten Zerstörungswut der gesamten Kinogeschichte hinlegen. Ausgestattet mit tödlichen Lichtstrahlen und Tentakelgreifarmen töten sie alles Lebendige und walzen ganze Städte nieder.
Das Design der dreibeinigen Kampfmaschinen muss gelobt werden. Hier hält sich Spielberg an die Vorlage: kühl, elegant, an den Künstler H.R. Giger erinnernd. Umso schlechter fällt das Fazit für die Außerirdischen aus: Während bei Wells diese – aufgrund der Schwerkraft – als schwerfällige Wesen beschrieben werden, kreiert Spielberg eine wilde Insektenmischung aus E.T. und den Wesen aus Independence Day (Roland Emmerich). Die Kameraführung wirkt für einen Blockbuster realistisch: immer dicht hinter und bei dem parallelisierten Tom Cruise (Last Samurai, Collateral), teilweise auch verwackelt. Die Musik von John Williams ist stets passend und souverän eingespielt, besondere Höhepunkte bleiben jedoch auch aus.
Das große Minus stellt bei dem alles in allem durchschnittlichen (und dafür viel zu teueren) Streifen der Plot dar. David Koepp (Spider-Man, Panic Room) und Josh Friedman (Außer Kontrolle, Black Dahlia) präsentieren eine Geschichte, die zunächst in der ersten Hälfte des Films durchaus zu fesseln vermag. Doch schon hier gibt es logische Ungereimtheiten, die für eine derartige Produktion überhaupt nicht entschuldbar sind: Nachdem die EMP alles Elektrische ausknipst, ist es unerklärlich, warum beispielsweise ein Augenzeuge die Dreibeiner in Aktion mit einer Handkamera filmt – die Ästhetik ging hier vor der Logik, denn als Zuschauer sah man das Geschehen kurz durch die am Boden liegende Kamera, was ein toller Effekt, aber eben nicht nachvollziehbar ist.
Nachdem man über die narrativen Unstimmigkeiten hinweggesehen hat und sich auf die beeindruckende und rasant erzählte Dekonstruktion eingelassen hat, wird man im zweiten Teil vollends desillusioniert. Hier bekommt man als Zuschauer einen Tim Robbins (Arlington Road, Mystic River) zu sehen, der mit der Figur des durchgeknallten, familienlosen Einzelgängers eine abgelutschte Rolle mimt. Darüber hinaus zeigt uns Spielberg das Verharren von Tom Cruise und Dakota Fanning (Dreamer) zu lange. Ein weiterer Faux Pas von Spielberg ist dann das zu abrupte Ende, das sich inhaltlich zwar an die Vorlage hält, aber in der filmischen Fassung durchaus besser – mit mehr Anlauf – umgesetztbar gewesen wäre. Noch schlimmer als alles zuvor Beschriebene ist aber die typisch amerikanische schnulzige Familienglorifizierung, die Spielberg irgendwie trotz Scheidung vollzieht.
Krieg der Welten ist nicht nur meilenweit entfernt von der Klasse und Güte seiner Vorlage. Dem gut 115 Minuten beanspruchenden Genremix aus Katastrophen- und Science-Fiction-Film hätte mehr Mühe beim Drehbuch nicht geschadet. Dann wäre aus dem Stoff sicherlich auch mehr als bloß einer von mehreren mittelmäßigen Blockbustern geworden. Denn inhaltlich beachtet Spielberg nur die eine Dekonstruktion: die oberflächliche. Wells ging es aber auch um die Dekonstruktion der Gesellschaft, die in der Situation der Katastrophe zerbricht, alle Sitten und Normen vergisst, und letzten Endes ihr wahres Gesicht zeigt: Jeder kämpft für sich um das nackte Überleben. Bei Spielbergs Arbeit wird das nur leicht angekratzt nur, um dann im nächsten Augenblick wieder, durch eine beruhigende Solidarität aufgefangenzuwerden – es soll ja schließlich kein Zuschauer verängstigt werden. Vielleicht muss man aber auch Amerikaner sein, oder zumindest die Terroranschläge des 11. Septembers (der ästhetisch in den Film eingebaut wird) miterlebt haben, um diese trügerische Sehnsucht nachvollziehen zu können.
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