Jackie Brown

Jackie Brown

„Jackie Brown“ // Deutschland-Start: 16. April 1998 (Kino)

Quentin Tarantinos Ode an das Blaxploitationkino der 70er Jahre kam nicht bei allen so gut an, vor allem nach dem Riesenerfolg von Pulp Fiction war Jackie Brown für viele eine ziemliche Ernüchterung. Diesmal adaptiert der Regisseur einen Roman, Punch Rum von Elmore Leonard, für die große Leinwand und schafft es mit Pam Grier eine ehemalige Blaxpoitation-Queen an Board zu holen. Bereits in seinem Spielfilmdebüt schnitt Tarantino das Thema an und ließ seine Gangster unter anderem über Griers Performance sinnieren. Sie selbst gesteht in einem Interview, von ihrer Erwähnung in Reservoir Dogs überrascht und sehr geschmeichelt gewesen zu sein, was ihre spätere Entscheidung, die Hauptrolle in Quentins dritten Streich zu übernehmen, somit sicherlich erleichtert haben dürfte.

In gewohnter Kapitelform verfolgen wir das Geschehen auf dem Bildschirm. Sofort lernen wir durch die stimmige Intro-Sequenz Jackie Brown (Pam Grier) kennen, eine schwarze Stewardess, die sich durch Geldschmuggel ihren Hungerlohn aufbessert. Anscheinend haben sie ein paar Special Agents (Michael Keaton und Michael Bowen) ins Visier genommen, doch diese sind weniger an Jackie interessiert, sondern vielmehr wollen sie an ihren Auftraggeber herankommen. Der folgende Szenenwechsel zeigt uns auch sofort den besagten Bösewicht Robbie Ordell (Samuel L. Jackson), der gerade mit seinem Freund und frisch entlassenen Ex-Knacki Louis Gara (Robert De Niro) über Geschäfte spricht. Ordell ist ein skrupelloser Waffenschieber, der seinen illegalen Verdienst in Mexiko deponiert hat und Jackie Brown dazu benutzt, ihm sein Geld anzuschaffen. Man könnte Ordell mit seinen „Bumsmäuschen“ (u.a. Bridget Fonda) und „Niggerkurieren“ als einen eiskalten Patriarchen bezeichnen, der nur sehr ungern die Kontrolle verliert und nichts riskiert. Wenn etwa Chris Tucker – der den hysterischen Kleinganoven Beaumont Livingston spielt – verhaftet wird, zahlt Robbie Ordell lieber eine 10.000 Dollar-Kaution und legt den „Nigger“ anschließend mit eigenen Händen um, als seine Geschäfte zu gefährden.

Dass nun Jackie Brown von den Bullen hops genommen wurde, stinkt ihm logischerweise gewaltig, deshalb beauftragt er den Kautionsagent Max Cherry (Robert Forster), der Jackie aus dem Knast kaufen soll. Ordells übliche Vorgangsweise sähe Jackie nun eigentlich mausetot, doch die Frau mittleren Alters ist eine abgezockte Gegenspielerin. Geduldig erklärt sie Ordell ihren Plan, um die Polizisten auszuspielen und vor deren Augen die halbe Million Dollar, die der Waffenhehler in Mexiko deponiert hat, in die USA zu fliegen. Ordell willigt ein, was er aber nicht weiß, ist dass Jackie ein riskantes aber gekonntes Doppelspiel mit ihm treibt, bei dem ihr neuer Verehrer Max Cherry ordentlich mitmischt…

Jackie Brown weicht von Tarantinos selbst gesetzten Maßstäben insofern ab, dass der etwa 150 Minuten lange Streifen diesmal (fast) ausschließlich linear verläuft und die zuvor angewandten postmodernen Elemente etwas in den Hintergrund geraten lässt. Er verzichtet aber auch hier beispielsweise nicht auf seine heißgeliebten Fußnahaufnahmen oder Sicht-aus-dem-Kofferaum-Szenen. Vielleicht nicht so vollgestopft wie manch anderer Tarantino-Film, aber Zitate und Tribute versteckt auch sein dritter Film. Er versucht aber nicht wie etwa im neueren Death Proof dem ursprünglichen Genre durch bewusst eingesetzte Trash-Elemente ähnlich zu sehen, sondern bringt vielmehr seine Wertschätzung und Respektzollung als Fan zum Ausdruck. Er kleidet das Gerne neu ein, modernisiert so einiges den Kern behält er aber bei.

Die Performance von Grier und Jackson sind überragend, Robert De Niro wirkt für mich hingegen nach wie vor fehl am Platz. Die von Tarantino herausgepickten Songs fand ich wie immer sehr gut gewählt und passend eingesetzt. Eine eigens geschriebene Score hätte hier wohl wenig Charisma gehabt und so vermisst man das auch erst gar nicht.

Wenn viele Jackie Brown für Tarantinos schlechtesten oder sagen wir schwächsten Film halten, kann ich mich hier nur bedingt anschließen. Natürlich kommt er nicht gegen die Unkonventionalität eines Reservoir Dogs oder der Genialität von Pulp Fiction an, aber einmal mehr stellt dieser Flick die Sturheit des Amerikaners dar. Er definiert stets Kino selbst, richtet sich weniger an die Erwartungen der Masse oder Fanbase und bedient sich durch seine enorme Popkultur-Kenntnis aus allen möglichen Quellen. Dass seine selbst geschriebenen Storys allerdings interessanter sind, gebe ich auch zu.



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8
von 10