Manderlay

Manderlay

(„Manderlay“ directed by Lars von Trier, 2005)

Bevor ich mich an Lars von Triers letztes, heiß diskutiertes Werk Antichrist heranwage, kam diese Free-TV Ausstrahlung von Manderlay wie gerufen. Mein überhaupt erster Film des Dänen war ausgerechnet das mit mehreren Preisen prämierte Dogville, das gleichzeitig den ersten Teil der sogenannten Amerika-Trilogie darstellt. Auch diesmal begleitet uns, über die insgesamt acht Kapitel, ein Erzähler aus dem Off. Optisch behielt von Trier bekannten Kurs bei und so gleicht auch Manderlay mit seinem minimalistischen Stil eher einer Theaterbühne als einem Kinofilm.  Der Zuschauer wird also nicht durch visuelle Raffinessen abgelenkt sondern konzentriert sich gezwungenermaßen auf die einzelnen Charaktere, deren Beziehungen und natürlich den Dialogen. Im Gegensatz zu Dogville fand ich diesen Film weniger schwerfällig auch wenn die etwa 140 Minuten Laufzeit sich auch diesmal ganz schön strecken.

Die zentrale Figur ist wiederum Grace (diesmal gespielt von Bryce Dallas Howard). Nachdem sie mit ihrem Daddy (Willem Dafoe) und seinen Gangstern das Bergdörfchen Dogville niedergebrannt und dessen Bewohner ihrer (un)gerechten Strafe unterworfen hat, kommen sie nach Alabama, wo die idealistische und vielleicht auch etwas naive Grace sich in eine neue Herausforderung verstrickt. Die Baumwollfarm Manderlay scheint immer noch Sklaven zu halten, obwohl die Sklaverei offiziell seit 70 Jahren abgeschafft wurde. Grace ist empört und ihr aufbrausendes Temperament und treibender Sinn für Gerechtigkeit verleitet sie dazu gegen diese Unmenschlichkeit vorzugehen.

Es folgt ein ähnliches Schema wie von Trier bereits in Dogville angewandt hat. Anfangs widersetzt sich die junge Rebellin den Ratschlägen ihres Vaters der sie davor warnt sich in die Angelegenheiten anderer Leute einzumischen. Sie durchlebt dann eine Achterbahnfahrt von Höhen und Tiefen nur um schlussendlich wieder auf den Boden der Tatsachen anzugelangen und zu erkennen, dass ihr Eingreifen nichts verbessert sondern im Gegenteil, nur verschlimmert hat.

Genau wie in Dogville ist auch hier Gerechtigkeit ein sehr wichtiges Thema. Trier suggeriert, dass wir Menschen davon nur eine begrenzte (subjektive) Vorstellung haben und es uns unmöglich ist einen so komplexen Begriff theoretisch oder gar universell zu definieren, ihn abzugrenzen und erst recht nicht ihn anzuwenden.

 

Genau wie schon in seiner Europa-Trilogie setzt er auch hier den Idealist in den Mittelpunkt und lässt ihn kläglich scheitern. Natürlich greift der Film auch noch andere Themen an wie etwa die Frage nach Freiheit und schließlich auch Demokratie. Grace rühmt sich sehr schnell mit der neu errungenen Freiheit der schwarzen Arbeiter und auch die ersten Schritte der eingeführten Direktdemokratie auf Manderlay scheinen ein voller Erfolg zu sein. Umso tragischer werden für die junge Gangstertochter aber die Folgen ihrer Entscheidungen sein.

Genau wie in Dogville entblößt der Autor und Regisseur schlussendlich auch noch die (düsteren) menschlichen Triebe, denen niemand entkommen kann. Seien es Graces, von Vorurteile geprägten, Sexphantasien mit Timothy (Isaach De Bankolé) oder die von Hunger getriebene, nächtliche Aktion von Wilma (Mona Hammond), deren Folge sogar der Tod eines Kindes ist.

Der Großteil des Publikums wird sich am ehesten mit Grace identifizieren können da sie – die von der Gesellschaft als positiv empfundenen aber durchaus menschliche – Züge wie Mitleid, Hilfsbereitschaft und Zielstrebigkeit vorweist. Genau ihre Eigenschaften und Vorhaben die zu Beginn so nobel und ehrgeizig erscheinen, macht von Trier in über 2 Stunden aber komplett zunichte. Seine Figur, die immer wieder in seinen Werken zu sehen ist, der pure Idealist, scheitert auch in Manderlay und muss einsehen dass der Pragmatiker (ihr Vater) Recht hatte, nein schlimmer noch,  das Ende sogar prophezeit hatte.

Handwerklich macht von Trier da weiter wo er mit Dogville aufgehört hat und tut daran, zumindest trifft er damit meinen Geschmack. Sein Perfektionismus scheint auch in diesem Film durch, die akribisch ausgearbeiteten (aber oft auch ermüdenden) Dialoge ergänzen sich prächtig mit den Szenen. Aufgrund der kargen Sets bedarf es allerdings einer überzeugender Schauspielleistung die er aber mit Bryce Dallas Howard und vor allem Isaach De Bankolé bekommt. Willem Dafoe ist zwar nicht viel zu sehen, beweist aber dass er sein Handwerk beherrscht. Nachdem Antichrist von Kritik, Presse und Blog-Kollegen mehr oder weniger einstimmig zerrissen wurde, bin ich schon gespannt auch wenn die Erwartungen natürlich niedrig bleiben.

Update:
Schade dass es beim neuen Disc-Release nicht auch für eine Blu Ray-Version gereicht hat. Die neue DVD-Fassung bringt kaum Extras mit sich, dafür stimmen Bild und Ton. Am Filmerlebnis hat sich seit meiner ersten Sichtung nichts geändert. Manderlay bildet zusammen mit Dogville höchst interessante Filmkunst wobei Lars von Trier seinem Publikum immer noch den letzten Teil der sogenannten USA-Trilogie schuldig ist. Obwohl der Däne in letzter Zeit aufgrund wirklich dummer Aussagen scharf unter Beschuss stand, bin ich auf Melancholia gespannt.

Manderlay ist seit 14. Juli  auf DVD erhältlich (neue Fassung)



(Anzeige)

7
von 10