Das Kabinett des Dr Parnassus

Das Kabinett des Doktor Parnassus

(„The Imaginarium of Doctor Parnassus“ directed by Terry Gilliam, 2009)

Seien Sie entspannt und lassen Sie sich entführen in die wunderbare Traumwelt von Dr. Parnassus. Steigen Sie auf diesen phantastischen Zug auf, lehnen Sie sich entspannt zurück und überlassen Sie die Kontrolle den Bildern auf der Leinwand. Wer Tagträumen nichts abgewinnen kann, wem Märchen zu kindisch sind oder wer es nicht für nötig  hält in eine imaginäre Welt zu flüchten der braucht sich erst gar keine Zeit für Das Kabinett des Doktor Parnassus zu nehmen. Wer Terry Gilliams schräge Art mag und metaphysische Spielereien sämtlicher Art mag wird hingegen die reinste Freude an den etwa 2 Stunden Laufzeit haben.

Seit tausenden von Jahren reist nun schon Parnassus (Christopher Plummer) mit seinem kleinen „Wanderzirkus“ durch die Welt. Angekommen im 21. Jahrhundert campieren sie in London. Mit ihrer vielerorts als „Freakshow“ abgewerteten Vorstellung verblüffen sie diejenigen die den Mut aufbringen durch einen mysteriösen Spiegel zu schreiten. Zugegeben, in Max Webers „entzauberten Welt“ hat es das Kabinett nicht leicht neue Kunden zu gewinnen, für die Wenigen die aber einen Blick wagen, wartet dafür eine komplett neue Welt die lediglich durch die eigene Phantasie begrenzt ist.  Es ist bestimmt kein Zufall dass Gilliam ausgerechnet einen Spiegel als Portal verwendet, schließlich muss man zuallererst über seinen eigenen Schatten springen, sich seiner selbst überwinden und die sich spiegelnde Umwelt völlig hinter sich lassen um in ein gänzlich neues Abenteuer einzutauchen.

So richtig frischer Wind kommt aber erst mit Tony (Heath Ledger) den das Crewmitglied Anton (Andrew Garfield) und Parnassus’ Tochter Valentina (Lily Cole) halbtot und aufgehängt unter einer Brücke finden. Der anscheinend unter Amnesie leidende Tony kurbelt mit seinen neumodischen Ideen ordentlich das Geschäft an und spült Geld in die leeren Kassen. Bald wird aber klar dass er ein Geheimnis versteckt genauso wie Parnassus selbst. Was nämlich auf den ersten Blick wie ein alter Unterhaltungskünstler wirkte ist in Wirklichkeit mehr, spätestens nachdem er mit dem sinistren Mister Nick (Tom Waits) ein paar Worte gewechselt hat klingelt es beim Zuschauer.

Die Autoren spielen wie bereits angedeutet sehr gerne mit Metaphern, die Fantasiewelt von Parnassus bietet hierzu quasi eine unerschöpfliche Quelle. Die verwendete Computergrafik um dieser Gestalt zu verleihen ist zwar nicht das Nonplusultra, tut aber ihren Dienst. Interessanter ist da schon der Stil und die Farbenpracht die ihr verpasst wurde. Besonders die ersten Szenen, die etwas weniger aufwendig gestaltet sind, gefielen mir sehr gut und lies „Alice in Wonderland“-Feeling aufkommen. Auch wenn Gilliam keine Schwarz/Weiß-Malerei betreibt muss auch hier das ewige Thema „Gut gegen Böse“ herhalten. Sein Satan wird von einem sehr lässigen Tom Waits interpretiert, der zuweilen sehr sympathisch und sogar einsichtig wirkt.

Das tragische dahinscheiden von Heath Ledger im Jahr 2008 brachte die Produktion fast zum scheitern doch nach einer Pause entschied man sich den Film umzuschreiben und ihn dem Verstorbenen zu widmen. Ledger wird in den Imaginations-Szenen durch Schauspielkollegen ersetzt die niemand weniger als Johnny Depp, Jude Law und Colin Farrell sind. Genau wie Ledger leisten alle Tony-Interpreten eine grandiose Performance, lediglich Depp kommt zeittechnisch vielleicht etwas zu kurz. Gut gefiel mir auch Verne Troyer, der mit seinen Humor für willkommene Leichtigkeit sorgt.

Verglichen mit Gilliams früheren Werken empfand ich The Imaginarium of Doktor Parnassus sogar als sehr angenehm. Wirkte doch Brazil fast zu komplex, Fear and Loathing in Las Vegas (Gonzo-bedingt) äußerst konfus oder Brothers Grimm etwas fad (muss ich aber unbedingt nochmals sichten und Tideland endlich nachholen), so ist sein letzter Streich insgesamt abgerundeter aber deswegen keineswegs banal.

So gesehen könnte der Streifen sogar Leute interessieren die bisher von Gilliams Werke recht wenig hielten. Wie Eingangs aber auch erwähnt sollte man schon eine gewisse Bereitschaft für abgedrehte Ideen mitbringen um letztendlich auch Spaß daran zu haben. Die Kaufversion wird erst erscheinen (gesichtet wurde die italienische Leih-DVD) deshalb kann ich dazu noch kein Statement geben, einen Platz in meiner Sammlung hat sie aber schon mal sicher.



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