Wo die wilden Kerle wohnen

Wo die wilden Kerle wohnen

(„Where The Wild Things Are“ directed by Spike Jonze, 2009)

Das gleichnamige Bilderbuch von Maurice Sendak ist vor allem im angelsächsischen Sprachraum weit verbreitet und wurde seit seiner Veröffentlichung in den Sechzigern Millionen mal verkauft und dennoch ist das Werk in Italien weitgehend unbekannt. Auch wenn mir persönlich einige Illustrationen familiär vorkamen, bin ich nie in den Genuss der Vorlage gekommen kann also was die Adaptionstreue angeht im folgenden Text keine Rückschlüsse ziehen.

Der Trailer zog mich damals sofort in seinen Bann aber aufgrund der angesprochenen Unbekanntheit wurde auch die Verfilmung hierzulande kaum beworben und geriet somit wieder schnell in Vergessenheit. Glücklicherweise gibt es seit März eine italienische Leih-Version und ich kann kurz vor dem deutschen Vertriebsstart ein paar Worte darüber verlieren.

Der kleine Max (Max Records) fühlt sich allein. Seine pubertierende Schwester Claire (Pepita Emmerichs) ist zu alt um mit ihm im Schnee zu toben, seine alleinerziehende Mutter zu ausgelaugt als dass sie nach getaner Arbeit noch ausreichend Zeit für ihren Sohnemann und dessen ausgeprägte Phantasie finden könnte. So verbarrikadiert sich Max nach einen Familienstreit in seinem Zimmer und flüchtet ganz einfach per imaginären Segelboot dorthin wo die wilden Kerle wohnen. Er bewegt sich fortan in einer märchenhaften Welt deren monströse und grobe Bewohner allerdings wenig mit dem verträumten Zauberland zu tun haben das man sich nun erwarten könnte. Schnell wird allerdings klar dass die Bestien im tiefsten Inneren gutmütig sind. Die wilden Kerle, allen voran aber Carol, sind genau wie Max, der sich oftmals sein Wolfskostüm überstreift und damit Dampf ablässt.

Jeder der Figuren stellt eine Art Spiegelbild von Max selbst oder dessen Umwelt dar mit der sich das Kind im Laufe der Geschichte konfrontieren muss. Ganz wie im realen Leben muss Max auch hier lernen Kompromisse zu schließen, Streit zu schlichten oder ein sein soziales Umfeld zu pflegen. Wenn man so will haben die beiden Drehbuchautoren, Spike Jonze und Dave Eggers, die Geschichte zu einer groß angelegten Parabel über das Leben ausgearbeitet, inwiefern hier im Vergleich zum Original selbst Hand angelegt wurde vermag ich wie gesagt aber nicht zu urteilen.

Das 100 Minuten lange Abenteuer verlor bei mir allerdings recht schnell seinen Reiz da Where The Wild Things Are streckenweise doch recht fad und mühselig voranplätscherte. Wenn man die Tatsache heranzieht dass die Vorlage in lediglich 18 Bildern und etwa 300 Wörtern erzählt wurde, liegt die Schlussfolgerung nahe dass die Adaption frei und vermutlich zu komplex erweitert wurde. Ich kann mir nicht vorstellen dass ein Kind vom Leinwandgeschehen gefesselt wird zumal die verwendeten Metaphern höchstwahrscheinlich nur im Unterbewusstsein zur Geltung kommen werden. Laut einschlägigen Quellen wurde seinerzeit der illustrierte Kinderroman von Sendak aufgrund der ungewöhnlich rohen Brutalität von einigen Parteien sogar verschmäht, eine Kritik die ich in gewisser Hinsicht den Film betrachtend nachvollziehen aber nicht teilen kann. Ich finde dies nämlich wiederum einen der größten Pluspunkte, denn Gewalt und Aggression gehören genauso zum Leben eines heranwachsenden Jungen dazu wie das lernen diese Kräfte zu kanalisieren. Außerdem schlägt man mit der Gewaltdarstellung ja nicht über die Stränge sondern bleibt in einem gewissen Rahmen.

Deshalb und aufgrund der wirklich liebevoll gestalteten und nur teils computeranimierten Kostüme der wilden Kerle, kann ich Jonze’s Werk nicht einfach so mir nichts dir nichts als schlecht abstempeln. Hinzukommt dass der junge Max Records mit seinem Schauspiel wirklich zu gefallen weiß. Am allerbesten fand ich aber schlussendlich den superben Soundtrack von Yeah Yeah Yeahs Frontgirl Karen O. Was die Amerikanerin da zu den Bildern performed geht schnurstracks ins Ohr und ist einfach nur himmlisch schön.

Dass ich vor dem potenziellen Kauf aber zuerst zur Leih-Disc gegriffen habe war jetzt im Nachhinein eine kluge Entscheidung, den mehr als einmal werde ich mir Wo die wilden Kerle wohnen wohl eher nicht genehmigen.



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