(„A Single Man“ directed by Tom Ford, 2009)
D[/Dropcap]as Regiedebüt von Tom Ford ist mit Sicherheit eine der positivsten Überraschungen im laufenden Kinojahr. Sein Hauptdarsteller Colin Firth sahnte für seine Leistung, vollkommen zurecht, mehrere Filmpreise ab, bei der Academy blieb es schlussendlich aber bei einer Nominierung. Ford versucht sich hier übrigens an einer Romanadaption von Christopher Isherwood.
Er projiziert ein visuelles Meisterwerk auf die Leinwand das inhaltlich vielleicht einige Durchhänger aufweist ansonsten aber ständig auf Perfektion bedacht ist. Dass dem US-Amerikaner dies angeblich ohne große Mühe gelingt liegt wohl daran dass er auf eine erfolgreiche Karriere als Modedesigner zurückgreifen kann, somit in diese Hinsicht deutlich „vorbelastet“ ist. Im Filmbusiness war er zuvor für Daniel Craigs Bond-Anzug in Ein Quantum Trost verantwortlich und so ließt er es sich logischerweise auch nicht bei seiner eigenen Produktion nehmen seine Darsteller einzukleiden.
George Falconer (Colin Firth) ist Universitätsdozent in Los Angeles und führt eine langjährigen und glückliche Beziehung mit seinem Lebenspartner Jim (Matthew Goode). Wenn er allerdings am Morgen seinen maßgeschneiderten Anzug und passender Hornbrille aufsetzt wird sein Tarnanzug für den Alltag aktiv der in erster Linie allerdings nicht seine Homosexualität sondern seine Depression kaschieren soll. Doch erfahren wir dies erst später denn eigentlich wird der Zuschauer zu Beginn sofort mit der eigentlichen Tragik konfrontiert: Jim stirbt bei einem Autounfall was George in einen suizidgefährdeten Zustand verfallen lässt.
Er sucht Zuflucht bei einer alten Freundin, Charly (Julianne Moore), die – nachdem sie von Ehemann Richard verlassen wurde – im gehobenen Stil mit Alkohol und Nikotin ebenfalls dahinvegetiert. Man glaubt kurz zu erkennen dass nun der alternde Professor sozusagen zum Hetero umgepolt wird, doch eigentlich verliert Ford kaum Zeit das Sexthema zu behandeln. Vielmehr geht es ihm um die Gefühlsebene der Figuren die, unabhängig ob schwul oder nicht, bei allen Menschen vorhanden ist. Nicht umsonst betont Falconer, in Bezug auf den drohenden Atomkrieg mit der Sowjetunion, dass er in einer Welt ohne Gefühle nicht leben möchte.
Mit fortschreiten der Laufzeit macht der Hauptdarsteller dann auch noch nähere Bekanntschaft mit den jungen Studenten Kenny (Nicholas Hoult), der sich offensichtlich in seinen Lehrer verguckt hat, doch auch dieser scheint den verstorbenen Jim nicht ersetzen zu können. Es fehlt dem Quereinsteiger Ford wohl etwas an Erfahrung wodurch das Ende ein bisschen überhastet wirkt und der vorherige Erzählrhythmus (zumindest teilweise) etwas ins stocken gerät. Als langweilig wie etwa an anderer Stelle in der Blogosphäre zu lesen war, würde ich A Single Man deshalb aber nicht bezeichnen. Die ästhetisch glamourösen Bilder, die dadurch oft sogar unecht wirken, stellen ganz klar das Herzstück des Werkes dar. Geschickt spielt man auch mit der Farbsättigung und lässt damit die Charaktere bewusst blass oder, durch das dynamische wechseln in warme Farben, aufblühend aussehen. Musikalisch wird häufig auf Streichinstrumente zurückgegriffen was ich als sehr passend empfand und die Sache abrundet.
Der Regisseur und Drehbuchautor scheint auf Symmetrie und Perfektion geradezu versessen zu sein, glücklicherweise trübt das aber nicht die Tatsache dass der Zuschauer, egal welcher sexueller Neigung, leichten Zugang zu den Figuren findet. Die Abhandlung über Georges Gefühlszustand bleibt neben dem optischen Augenschmaus nämlich zentraler Bestandteil des Plots und gewinnt durch Firths brillante Darstellung deutlich an Qualität. Die recht kurzen Auftritte von Julianne Moore empfand ich wie immer als sehenswert, allerdings nicht zwingend überragend. Der Rest steht im Schatten von Firth und – ich kann es nicht oft genug sagen – Fords wunderbarer Bilderflut.
Wie auch I Love You Phillip Morris, hegt der Film keinerlei Latenz zur Homophobie, sondern gesteht Schwulen dieselbe Daseinsberechtigung wie einer Mann-Frau Beziehung ein, indem er sich auf eine derartige Diskussion erst gar nicht einlässt. Bis auf diese Gemeinsamkeit könnten die beiden Kinostreifen aber nicht unterschiedlicher sein. Wenn die sympathische Gaunerkomödie mit Carrey prächtig unterhält und zum lachen auffordert, deckt Ford ein gänzlich anderes Genre ab und verlangt von seinen Zuschauern sich zu öffnen und sich von der Dramaturgie packen zu lassen. Absolut sehenswert also, Ford verspricht ein interessanter Newcomer im Business zu werden.
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