(„The Man who Fell to Earth“ directed by Nicolas Roeg, 1976)
Grotesk, bizarr, verstörend, außergewöhnlich – so lässt sich Der Mann, der vom Himmel fiel kurz und knapp zusammenfassen. Großes Kunstkino in Person von Nicolas Roeg (Wenn die Gondeln Trauer tragen) trifft auf einen kongenial spielenden David Bowie (The Prestige). In der Arthaus Collection „British Cinema“ ist der Klassiker mit vielen Extras neu erschienen. Das Roegs Filme vor allem durch eine eigenwillige Bildsprache und eine herausragende Kameraarbeit brillieren, liegt zweifelsohne daran, dass er bevor Roeg selbst Filme inszenierte, selbst Kameramann bei namhaften Regisseuren wie John Huston (Casino Royale, 1966) oder François Truffaut (Fahrenheit 451, 1966) gewesen ist.
Thomas Jerome Newton (David Bowie) kommt als Raumfahrer eines fremden Planeten zur Erde. Auf seiner Heimatwelt sind die Wasserbestände fast erschöpft. Daher verlässt er seine Familie, um auf der Erde Wasser für seinen Planeten zu organisieren. Mit Hilfe seiner weiter entwickelten Technik, die er als Patente anmeldet, macht er in schwindelerregender Geschwindigkeit ein Vermögen und baut in Windeseile einen mächtigen Konzern auf. Sein Ziel ist der Bau eines Raumfahrtunternehmens, mit dessen Hilfe er Wasser zu seinem Planeten befördern will. Doch sein Erfolg als Geschäftsmann weckt Neid bei Konkurrenz Unternehmen. Daher heftet sich eine kriminelle Organisation an Newtons Fersen.
Die Vorlage für den Science Fiction-Film ist der gleichnamige Roman von Walter Tevis (The Man who Fell to Earth, 1963). Das ist neben The Hustler (1959) und The Colour of Money (1984) der dritte Roman des Schriftstellers, der erfolgreich verfilmt wurde. Daneben schrieb er unter anderem auch Mockingbird (1980), wofür er mit dem Nebula Award nominiert wurde. Roegs Adaption erweist sich schnell als visuell überbordende Geschichte eines Außerirdischen, der auf der Erde Hilfe sucht und an der Konsumkultur zugrunde geht. Mitunter abgehoben wirkend, entwickelt sich die Handlung als eine Sammlung von Bildern und Impressionen, bei der auch Roegs sexuelle Obsessionen in mehreren – in der Buchvorlage fehlenden – Szenen zur Geltung kommen. Letzteres wirkt äußerst verstörend und hätte besser weggelassen werden sollen.
Der Film ist gespickt mit Verweisen zur Kunstgeschichte und brilliert vor allem durch die Kamera, die oft aus der Egoperspektive filmt, und den Lichteinsatz, der durch eine Überbelichtung für eine surreale Stimmung sorgt. Überblendungen von Kunstgemälden in Filmeinstellungen und wieder zurück machen aus Der Mann, der vom Himmel fiel trotz veralteter Tricktechnik ein experimentelles Seherlebnis. Die Visionen und Flashbacks von Newton – nomen est omen – kennzeichnen den Film als New Wave – dem Science Fiction-Subgenre, dass sich im Gegensatz zur Space Odyssey nicht dem Weltraum, sondern dem „inner space“ widmet. Surreale Landschaften und ausdrucksstarke Bilder verbildlichen im New Wave die Seelenzustände der Protagonisten, die in einer kapitalistischen Welt die Orientierung verlieren.
Rockstar David Bowie erweist sich mit seinem androgynen Bühnenimage als Idealbesetzung für den Außerirdischen. Durch seine Augen, die in unterschiedlichen Farben leuchten und seinen in orangerot getönten Haaren erscheint er rein äußerlich schon wie Captain Future auf einem Drogentrip. Schließlich sind es aber vor allem seine scharf geschnittenen Züge, die gleichzeitig weich wirken, fremd und blendend. Die Rolle des Außerirdischen Newton zündet übrigens nur im Englischen richtig: Denn ein „Alien“ bedeutet im allgemeinen englischen Wortschatz zunächst „Fremder“, speziell aber auch „Ausländer“. Newton gibt sich in den USA als Engländer aus. „Alienated“ bedeutet wiederum „entfremdet sein“, was dem Lebensgefühl der 1970er Jahre und der Stimmung im Film entspricht und nicht zuletzt auch durch die geniale Musik unterstrichen wird.
Die DVD bietet neben interessantem Textmaterial zum Film auch ein Interview mit dem Regisseur. Insgesamt kann der Film als Mischung aus Stanley Kubricks Klassikern 2001: A Space Odyssey, Clockwork Orange und Eyes Wide Shut. Der Mann, der vom Himmel fiel ist aufgrund der visuellen Experimente sicherlich nicht jedermanns Sache. Allen Science Fiction-Fans und Liebhaber von Filmklassikern oder Autoren- und Kunstfilmen ist Roegs Arbeit aber auf alle Fälle zu empfehlen.
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