(„Gone Baby Gone“ directed by Ben Affleck, 2007)
Ben Affleck, der in letzter Zeit nicht nur von mir negative Kritik einstecken musste (Ausgequetscht, Smokin’ Aces), überrascht hier mit seinem Spielfilmdebüt. Der Mann der früher jede Menge Filme mit Kevin Smith und Freund Matt Damon (der übrigens hier in den Credits eine Danksagung erhält) drehte, beweist mit Gone Baby Gone, dass er nicht nur vor der Kamera etwas drauf hat. Auch das Drehbuch seines Erstlings ließ sich Affleck nicht nehmen, sondern arbeitete es gemeinsam mit Aaron Stockard aus. Schließlich beweist er auch noch ein Händchen bei der Besetzung und holte für die Hauptrolle seinen kleinen Bruder, Casey Affleck, dazu aber später mehr.
Patrick Kenzie (Casey Affleck), in Boston aufgewachsen und dort lebend, kennt sein Viertel bestens. Der junge Privatdetektiv verkehrt mit Dealern genauso wie mit Zuhältern, bewegt sich also auf den gefährlichen Straßen wie ein Teil von ihnen. Eine Vorgangsweise die die hiesige Polizei für höchst fragwürdig hält, aber im aktuellen Fall für sie unverzichtbar macht. Mit seiner Freundin und Partnerin Angie (Michelle Monaghan) soll er nämlich den Behörden helfen die verschwundene Amanda McCready wiederzufinden. Die Mutter des kleinen Mädchen Helene (Amy Ryan) erweist sich dabei aber nicht unbedingt als hilfreich. Die verkokste Rabenmutter scheint es sich mit einen lokalen Drogenbaron verscherzt zu haben, eine Spur die Kenzie mit den recht unkonventionellen Cops Bressant (Ed Harris) und Nick (John Ashton) quer durch die Stadt verfolgt.
Affleck fängt dabei sehr schön die Atmosphäre ein, zeigt tolle Original-Luftaufnahmen der Stadt und das abgebildete Milieu wirkt glaubhaft, keineswegs stereotypisch oder zumindest nicht übertrieben dargestellt. Geschickt verstrickt er den Plot mit den Bildern, bastelt daraus eine spannende Suche die scheinbar zum Scheitern verurteilt ist und wartet dann letzen Endes doch noch mit einem überraschenden Twist auf, der durchaus zum Nachdenken anregt. Die Frage nach moralischer Richtigkeit oder vielmehr ob sich ein Mensch anmaßen darf zu entscheiden was denn überhaupt Richtig und was Falsch ist spielen dabei genauso eine zentrale Rolle, wie die zwischenmenschlichen Beziehungen unter wirtschaftlichen und/oder sozialen Extrembedingungen.
Der „kleine“ Affleck macht dabei eine sehr gute Figur. Sein Charakter, die tragischste Figur überhaupt im Film, darf sich keineswegs mit einem Happyend verabschieden, sondern befindet schlussendlich in einem Dilemma. Ich bin schon gespannt auf seine Leistung in The Killer Inside Me. Wirklich überrascht hat mich allerdings Ed Harris, der nach den 90ern zumindest auf meinem Radar so gut wie von der Bildoberfläche verschwunden war. Morgan Freeman spielt übrigens auch eine kleine Rollem, fällt schauspielerisch allerdings kaum ins Gewicht sondern diente hier wohl eher als Marketingzugpferd.
Gone Baby Gone ist im Grunde genommen ein Thriller, der allerdings sehr gerne die Genregrenzen – wenn es denn so etwas überhaupt gibt – verlässt, um beispielsweise auf zeitgenössische Gesellschaftsprobleme hinzuweisen. Ein wirklich gelungener Einstand also für Ben Affleck, der im Herbst mit The Town einen weitern, vielversprechenden Flick in die Kinos bringen wird.
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