Mother 2009

Mother

(„마더“ directed by Bong Joon-ho, 2009)

Lorenz zum Kinobesuch

Wie weit geht eine Mutter um ihren einzigen Sohn vor dem Gesetz oder, allgemeiner formuliert, der Außenwelt zu schützen? Das ist die elementare Frage der Bong Joon-ho mit seinem neuen Film nachgeht. Kim Hye-ja übernimmt dabei den Part der namenlosen, alleinerziehenden Mutter und meistert ihren Job hervorragend. Ihr zurückbebliebener Sohn Do-joon Yoon (Won Bin) ist wohl das, was man ein Muttersöhnchen nennen könnte. Dies ist in primis dem obsessiven Beschützerinstinkt seiner Frau Mutter geschuldet, die ihren Jungen kaum außer Augen lässt. Wortkarge Szenen in denen sie ihren Sohnemann füttert oder wenn die beiden Abends im selben Bett schlafen untermauern diese Obhut nochmals bildlich. Von einer vorhandenen Intimsphäre kann man bei Do-joon beim besten Willen nicht sprechen. Das geht sogar so weit, dass Mama bestens über sein Sexualleben Bescheid weiß oder mal eben ihren Schützling beim urinieren kontrolliert. Was für andere – zumindest westliche – Familien Tabuthemen sind, gehört hier also zum Alltag.

Die Geschichte selbst gerät damit ins rollen als eines Tages ein junges Mädchen (Na Mun-hee) tot aufgefunden wird. Dass es Mord war, ist von den chaotischen Behörden schnell festgestellt, die Motive bleiben zunächst aber unklar. Für den korrupten Polizeiapparat gilt es möglichst bald einen Täter zu finden um den Fall abschließen zu können. Die Spuren führen daher relativ schnell zu Do-joon, hatte er am Abend des Verbrechens doch in seinem Rausch das spätere Opfer angepöbelt. Aufgrund seiner Begriffsstützigkeit und den exzessiven Alkoholmissbrauchs scheint er fast keine Erinnerungen mehr an den Vorabend zu haben, ein optimaler Sündenbock also für die Exekutive. Ein Geständnis ist dem Angeklagten recht leicht abzuringen, es scheint ihm sichtlich zu gefallen endlich auch mal im Mittelpunkt der kleinen Gemeinde zu sein.

Seine Mutter sieht das allerdings etwas anders. Sie kann es nicht so einfach hinnehmen, dass ausgerechnet ihr Sohn für eine solche Schandtat verantwortlich ist, vielmehr hält sie Jin-tae (Jin Ku), einziger Freund von Do-joon der ihr schon lange ein Dorn im Auge war, für den Mörder. Nachdem ihre Bemühungen auf gesetzlicher Basis kläglich scheitern – herrlich hier übrigens der Vortrag ihres Anwalts, der darüber sinniert wo denn die ganze (nationale) Euphorie und Aufbruchsstimmung, damals heraufbeschworen durch die Fußball WM 2002, verschwunden sei – beschließt sie das Gesetz selbst in die Hand zu nehmen. In der verbleibenden Zeit der insgesamt etwas mehr als zwei Stunden Laufzeit verfolgen wir nun Kim Hye-ja auf Schritt und Tritt bis zum überraschenden wie tragischen Finale.

Wenn es im Westen für keinen Oscar reichte, wurde Mother mit dem asiatischen Äquivalent sogar dreifach prämiert (bester Film, beste Hauptdarstellerin und bestes Drehbuch). Da mir aber konkretes Wissen zu den anderen Kandidaten fehlt, kann ich keine Vergleiche ziehen, fest steht für mich lediglich, dass es sich hierbei um einen wirklich sehenswerten Streifen handelt. Dass das koreanische Kino ständig neue Highlights hervorbringt ist schon lange kein Geheimnis mehr und auch Madeo reiht sich in der beeindruckenden wie erfolgreichen Filmproduktion des asiatischen Landes ein. Wie regelmäßige Leser des Blogs sicher wissen, haben es mir insbesondere die Filme von Park Chan-wook angetan, doch Bong Joon-ho steht dem Aushängschild Koreas in keiner Weise nach, höchste Zeit für mich also mal den mit Preisen überschütteten The Host, ein weiterer sogenannter Monster-Film, nachzuholen.

Die phänomenale Performance von Kim Hye-ja mit einer handvoll guter Nebendarsteller reichen völlig aus um ein reales Umfeld zu schaffen. Es ist nämlich nicht nur die Mutter-Sohn-Beziehung die beleuchtet wird, sondern es sind viele kleine Details die das Werk unter anderem so interessant machen. So finden der bereits erwähnte, korrupte Polizeiapparat ebenso wie die Diskrepanz zwischen Arm und Reich ihren Platz, aber auch Anspielungen, wie beispielsweise der Handy- und Sexwahn unter Jugendlichen, werden sorgfältig eingebaut.

Eingerahmt wird das Ganze mit wunderschönen Bildern, die hier ganz den Umständen entsprechend, natürlich nicht so farbenfroh wie manch anderer Eastern Flick daherkommen. Die dunkleren Sättigungen werden dann aber gekonnt ausgenutzt um zur Stimmung beizutragen. Die gute Mischung aus Spannung, Drama und Mystery gepaart mit einer komplexen und interessanten Hauptfigur, machen den Film zu einem gelungenen Krimi den man auf keinen Fall verpassen sollte.




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