(„The Usual Suspects“ directed by Bryan Singer, 1995)
Warum gibt es von einigen, wirklich guten Filmen eigentlich keine anständigen Veröffentlichungen? Mit The Usual Suspects gelang Regisseur Bryan Singer damals der internationale Durchbruch den er später mit der gefeierten Comicadaption X-Men weiterführte. Der geerntete Ruhm war dann aber spätestens mit Superman Returns auch schon wieder weg. Warum also sein bisher eindeutig bester Streifen keine ordentliche, deutsche Fassung bekommt bleibt mir unklar. Die Briten liefern zwar eine blaue Scheibe, doch soll diese was Ton und Bild angeht ja auch nicht unbedingt brillieren.
So musste ich mich also mal wieder mit dem verschwommenen Bild der Columbia Tristar-Disc begnügen, es hat sich aber auf alle Fälle gelohnt. Selbst wenn ich nach einem halben Dutzend Sichtungen bereits bestens über die Figuren, dessen Verstrickungen und dem eigentliche Knackpunkt der Story Bescheid weiß, unterhält der Film immer noch prächtig.
Nach einem Lastwagenüberfall in New York lädt die Polizei fünf Topganoven, die üblichen Verdächtigen, zur Gegenüberstellung ein. Neben dem Ex-Bullen Keaton (Gabriel Byrne) und dessen verkrüppelten Freund und Trickbetrüger Roger „Verbal“ Kint (Kevin Spacey) darf auch noch der Sprengstoffexperte Hockney (Kevin Pollack) und zwei wesentlich kuriosere Gestalten, Fenster (Benicio Del Toro) und McManus (Stephen Baldwin), bei der hiesigen Polente vorsprechen.
Zwar hat niemand etwas mit besagten Verbrechen am Hut, doch ihr Zusammentreffen in der U-Haft ermöglicht McManus von einem todsicheren Job an der Westküste zu erzählen, bei dem keiner der Anwesenden absagen kann. Über ihren Kontaktmann in Los Angeles, Redfoot (Peter Greene) kommen sie nach getaner Arbeit zum mysteriösen Anwalt Kobayashi (Pete Postlethwaite). Von diesem erhalten sie schließlich einen weiteren Job, doch diesmal handelt es sich nicht um ein Angebot sondern um einen Befehl. Keaton & Co wird erklärt, dass sie alle durch diverseste Delikte dem sagenumwobenen Keyser Soze auf die eine oder andere Weise um viel Geld gebracht haben, weshalb der aus Ungarn stammende Mafiaboss jetzt für ein Himmelfahrtskommando ihre Dienste einfordert.
Obwohl die Zusammenfassung vermuten lässt, es gehe im Film hauptsächlich um irgendwelche ausgeklügelten Verbrechen, ist dem überhaupt nicht so. Singer baut seinen Film hauptsächlich mit Dialog auf. Zum einen quatschen die Gangster untereinander sehr gerne, dessen Art durchaus an Wortgefechte aus Pulp Fiction erinnert, zum anderen wird die Geschichte primär von Verbal Kint aus der Erzählperspektive vorangetrieben, der soeben auf dem Polizeirevier von Chazz Palminteri verhört wird.
Eine weitere Parallele zum Tarantino-Film ist übrigens auch die nicht chronologisch erzählte Story. Trotz dieser Ähnlichkeiten, dem verwendeten Gangstermilieu und der Tatsache, dass The Usual Suspects gerade mal ein Jahr nach Tarantinos Meisterwerk erschien, muss aber hervorgehoben werden, dass der Film von Singer genügend Eigenpotential mitbringt und keineswegs eine billige Kopie darstellt. Vielmehr schaffte auch er ein Glanzstück filmischer Unterhaltungskunst, das ins den insgesamt ca. 105 Minuten Laufzeit kein einziges mal langweilig wird.
Die Darsteller gehen in ihren Figuren voll auf, schade nur, dass Benicio Del Toro relativ schnell wieder von der Bildfläche verschwindet. Der nuschelnde Hitzkopf stellt für mich darstellerisch die interessanteste Figur im Quintett dar. Auch der Rest weiß zu überzeugen. Spacey spielt gewohnt solide, der großartige Palminteri ist bei mir immer gerne gesehen und Gabriel Byrne, den ich seit diesen Film nirgendwo mehr gesehen habe, gefällt auch außerordentlich gut. Einzig Kevin Pollack wird von seinen Kollegen ein bisschen verdrängt.
Für mich zweifelsohne ein neuzeitlicher Klassiker aus den 90er Jahren, den ich immer wieder gerne sehe. Schade nur, dass der Verleih – zumindest derzeit – keine ordentliche Neufassung plant. Vielleicht muss ich einfach noch fünf Jahre Geduld haben, denn dann feiern Die üblichen Verdächtigen ihre 20 Jahre.
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