(„Fish Tank“ directed by Andrea Arnold, 2009)
Eine der wohl angenehmsten Überraschungen im laufenden Kinojahr stellt ohne Zweifel Andrea Arnold‘s Fish Tank dar. Der Britin gelingt es damit Kritiker wie Publikum gleichermaßen zu begeistern und auch bei den wichtigen Filmfestspielen in Cannes, wo sie den Preis der Jury erhält, zu überzeugen. Für die Hauptrolle castete man Katie Jarvis direkt von Essex‘ Straßen, eine englische Ortschaft die auch im Film dargestellt werden soll. Sie spielt Mia, ein junges Mädchen das mit ihrer kleinen Schwester Tyler (Rebecca Griffiths) und ihrer alleinstehender und ebenso jungen Mutter Joanne (Kierston Wareing) in einer kleinen Wohnung mitten in elendigen Betonwohnblöcken aufwächst.
Es bedarf wenig Worte, die Bilder alleine reichen aus um dem Zuschauer klar zu machen, dass in dieser Gegend diejenigen hausen, die im Leben weniger Glück hatten. Auf den rauen Straßen überlebt man nur wenn man selbst kaltherzig und egoistisch handelt, um die deprimierende Lage zumindest etwas zu beschönigen bedient man sich nicht ungern des Alkohols. Im Haushalt der drei Frauen vergeht kein Tag ohne Streit,vulgäre Schimpfwörter die man sich gegenseitig an den Kopf wirft und auch physische Gewalt gehört zum Alltag. Doch da gibt es ein kleines leerstehendes Apartment, das für Mia eine Art Zufluchtsort darstellt. Abgeschirmt von der brutalen Außenwelt übt sie dort ihre Tanzschritte die sie größtenteils aus dem Fernsehen, vorzugsweise aus Hip Hop-Videos, adaptier und eigenständig erweitert. Insgeheim hegt sie den Wunsch damit ganz groß rauszukommen und endlich das Kaff das hier Zuhause ist zu verlassen.
Als schließlich eines Tages der charmante Connor (Michael Fassbender), der neue Freund ihrer Mutter, in ihr Leben tritt, scheint sich das Blatt zum Besseren zu wenden. Connor ist witzig, nett, hat einen bodenständigen Job und scheint im Gegensatz zu anderen Jungs aus der Gegend durchaus was in der Birne zu haben. Die Vier verbringen eine relativ unbeschwerte Zeit, fast wie eine Familie aus dem Bilderbuch macht man Sonntagsausflüge mit dem Auto, fängt dabei sogar Fische für‘s Abendessen und hat zusammen viel Spass. Auch wenn Connor zunächst bei Mia auf Ablehnung stößt, scheint es zwischen den beiden eine ganz besondere Verbindung zu geben. Die Jugendliche kann sich aber offensichtlich nicht so recht entscheiden ob Connor nun für sie eher die Vaterfigur, ein guter Freund oder womöglich doch etwas mehr als das alles ist. Der Twist gegen Ende der über zwei Stunden Spielzeit lag zwar immer irgendwo in der Luft, tritt dann aber doch überraschend ein und sorgt für ein herzzerreißendes Finale.
Arnold inszeniert hiermit einen durch und durch kompromisslosen Film, bei dem den Zuschauer eigentlich nie wirklich vorgegaukelt wird, es gäbe für die Protagonisten die Möglichkeit auf ein Happy End. Sie erhebt hiermit vielmehr Realitätsansprüche, was ihr aufgrund des Sets und der wirklich phänomenalen Performance ihrer Schauspieler auch gelingt. Der im Filmgeschäft bereits etablierte Fassbender (Inglourious Basterds, Centurion) zeigt hier was er wirklich draufhat und wirkt mit seinem britischen Akzent, zumindest für mich als Nicht-Brite, auch überhaupt nicht lächerlich. Eine wahrhafte Enthüllung ist allerdings Katie Jarvis. Die junge Britin hegt von der ersten Minute weg eine unheimlich starke Ausstrahlung und aufgrund ihres Backgrounds lässt sie ihre Figur logischerweise höchst authentisch wirken. Alleine wie sie sich mit ihrer Körperhaltung durch ihr Viertel bewegt geben dem Film einen wichtigen Mehrwert. Was ein „echter“ Schauspieler wohl nur sehr schwierig imitieren gekonnt hätte, schafft sie mit Leichtigkeit. Doch auch die Umgebung in der die Darsteller agieren haben ihren Reiz. So entsteht zwischen grauer Wohnsiedlung und grüner Meeresküste ein optisch wunderschöner Kontrast. Musikalisch bedient man sich hauptsächlich bei Hip Hop und Rap und orientiert sich dabei an Künstlern, die in der abgebildeten Region gefragt und gehört sind.
Fish Tank ist ein seiner Gesamtheit kurz gesagt überwältigend, mitreißend und auch traurig, denn schließlich gibt es Essex, die Plattenbauten und die vielen, perspektivlosen Kids wirklich, nicht nur in England. Ein Film über unsere Zeit also, aber auch ein Drama über starke Frauen in rauen Umgebungen und Juwele die zwischen all der Tristesse aufblitzen. Ein modernes Werk das zum nachdenken anregt aber gleichzeitig auch als Unterhaltung funktioniert und somit den Spagat wie die Genrekollegen City Of God, Tsotsi oder auch Machuca ohne große Probleme schafft. Absolute Weiterempfehlung meinerseits und die Empfehlung Katie Jarvis unbedingt auf dem Filmradar zu behalten!
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