Garp und wie er die Welt sah

Garp und wie er die Welt sah

(„The World According to Garp“, George Roy Hill, 1982)

Garp und wie er die Welt sah erzählt eine Lebensgeschichte. Die Literaturverfilmung nach einem Werk von John Irving bringt dem Zuschauer das Streben und Leiden des Künstlers und Familienmenschen Garp näher. Eine fiktive Figur, verkörpert von Robin Williams, der hier in einer seiner ersten Hauptrollen zu sehen ist.

Filmisch aufgezeichnet werden das Erwachsenwerden des Helden, wie seine Leidenschaft zur Literatur entfachte, wie er seine erste Liebe entdeckte, wie er ausgerechnet von seiner Mutter (Glenn Close), welche ihn alleine aufzieht, literarisch übertrumpft wird, indem sie einen Bestseller schreibt und wie Garp schließlich eine Familie gründet.

Der Film führt durch zahlreiche Hochs und Tiefs und ist dabei einer der wenigen Filme mit einer Laufzeit von über zwei Stunden, dem ich nicht vorwerfen kann, er sei zu lang. Das Werk George Roy Hills unterhält von der ersten bis zur letzten Minute prächtig, ist dabei aber weit mehr als bloße Unterhaltung. Die eingestreuten Lebensphilosophien mögen nicht neuartig oder tiefsinnig sein, doch diesen Anspruch erhebt der Film auch nicht. Er ist abwechslungsreich durch die Mischung von warmherzigem Humor und menschlichen Tragödien, die Charaktere sind mit spitzer Feder gezeichnet, genau ausgearbeitet und die Tatsache, dass zu keinem Zeitpunkt versucht wird, Garp zu glorifizieren und dass seine dunklen Seiten ebenso hervorgehoben werden wie seine Stärken kommt der Glaubwürdigkeit des Films und der Figuren sehr zugute.

Positiv hervorzuheben auch die hervorragenden schauspielerischen Leistungen von Robin Williams, Glenn Close und vor Allem von John Lithgow, der hier als Transsexuelle in der besten Leistung seiner gesamten Karriere zu bewundern ist. Das Problem des Films ist jenes Faktum, unter dem viele, wenn nicht gar die meisten fiktiven Lebensgeschichten leiden: der Film hat kein Zentrum, Handlungsstränge werden angefangen, aber nicht konsequent fortgeführt, der Fokus verwischt und man ertappt sich am Ende dabei, auf die Frage „Worum ging es in dem Film“ keine Antwort erwidern zu können.

Es geht in diesem Film eben nicht nur um den Kampf Garps gegen seine Mutter, die er literarisch zu überflügeln versucht, es geht nicht nur um die Gründung seiner Familie, mit der Höhen und Tiefen durchmacht und es geht auch nicht nur um den Kampf gegen eine frauenfeindliche Bewegung. Diese Inkonsequenz mag man dem Film vorwerfen, der naturgemäß an der Zahl seiner Themen krankt, doch vielleicht tut man dem Film damit auch Unrecht, wenn die Ursache des Problems in der literarischen Vorlage zu suchen ist, die ich nicht gelesen habe. Das Dilemma ist, für eine ausführliche, komplette und konsequent erzählte Lebensgeschichte ist der Film zu kurz, für die Behandlung eines oder mehrerer zentraler Themen im Leben eines Menschen zu lang.

Was bleibt, ist der Eindruck von großartigen Schauspielern und einem sehr charmanten, liebenswerten und abwechslungsreichen Film, der sich sehr einfach genießen lässt.



(Anzeige)

8
von 10