(„Le Boucher“, Claude Chabrol, 1970)
Le Boucher ist der vielleicht bekannteste Film des kürzlich verstorbenen Franzosen Claude Chabrol und mittlerweile zum kleinen Klassiker geworden – sogar Alfred Hitchcock erwähnte dieses Werk lobend in dem berühmten Interviewband Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? von Francois Truffaut, der wiederum mit Chabrol befreundet war.Dieser stets als Thriller angepriesene Film ist aber eher tiefgehendes Psychogramm zweier Menschen (Stéphane Audran und Jean Yanne), die eine äußerst komplexe Beziehung zueinander pflegen, als reißerische Suspense-Orgie, sodass Zuschauer, die Letzteres erwarten, wohl enttäuscht werden müssen.
Chabrol hat es ausgezeichnet verstanden, dass man die Hauptcharaktere eines Films gut kennen und vor allem ihre Handlungen aufgrund ihrer Persönlichkeit nachvollziehen können muss, bevor man als Zuschauer in der Lage sein kann, mit ihnen mitzufiebern und bevor sich die Spannung entfalten kann. So wird hier viel Zeit aufgewendet – fast die Hälfte der gesamten Laufzeit – um die Beziehung zwischen dem Schlachter und der jungen Schulleiterin zu begleiten und zu beleuchten. Man ist als Zuschauer dabei, wenn Popaul über Wochen versucht, das Herz der Lehrerin Hélène zu erobern, diese ihm aber einen Korb gibt. Die Freundschaft möchte sie jedoch erhalten und so schenkt sie dem Schlachter Popaul zu dessen Geburtstag ein Feuerzeug. Hélène ist wie gelähmt, als sie wenig später die Leiche einer jungen Frau im Wald findet und neben ihr besagtes Feuerzeug…
Der Schlachter ist ab diesem Punkt voller überraschender Wendungen, während derer sich der Zuschauer stets fragen muss, ob Popaul nun der Mörder ist oder nicht, sodass aus dieser anfänglich interessanten, aber filmisch doch auch recht zähen Liebesgeschichte ein geschicktes Katz- und Mausspiel wird, das zu fesseln vermag. Besonders auffällig sind zwei Szenen, die erwähnenswert sind. Einfallsreich, aber auch makaber und bösartig etwa die Einstellung, als ein kleines Mädchen aus Mm. Hélènes Klasse unter einem Hügel in ihr Butterbrot beißen will, dann aber fragt, ob es regnet – als dies verneint wird, tropft Blut von oben auf die helle Butter und die Kamera fährt hinauf zum Hügel, um einen menschlichen, blutenden Arm zu zeigen.
Die andere Szene gehört filmisch zu den bemerkenswertesten des Französischen Kinos der 70er Jahre – die Rede ist hier von einer Autofahrt bei Nacht mit einem Schwerverletzten auf dem Beifahrersitz. Chabrol blendete jegliche Geräusche aus, das Einzige, was der Zuschauer hört ist die verstörende Musik von Pierre Jansen, ehe der Monolog des Beifahrers einsetzt. Langsam, leise, fast völlig kraftlos. Die Kameraperspektive wechselt von der Blickrichtung zur Straße, zum dunklen Himmel, zum Gesicht des Fahrers und schließlich zum Verletzten – über mehrere Minuten wird durch diesen ständigen Wechsel eine nahezu unerträgliche Stimmung aufgebaut. Man sieht sich versetzt in die alptraumhafte Situation und möchte aus diesem Horrorszenario ausbrechen. Doch man weiß: es gibt kein Entrinnen.
Der langsame Aufbau des Films mit der Beleuchtung der Beziehung zwischen den beiden Charakteren ist hier filmisch sinnvoll, aber im Ganzen doch zu zäh geworden und die Dialoge sind in diesem Stadium recht dümmlich und flach ausgefallen. Mit dieser Einschränkung ist Chabrols Werk aber trotzdem empfehlenswert, denn der Franzose erwies sich als sadistischer Beobachter, der das Innenleben seiner Protagonisten haargenau seziert und somit eine Atmosphäre aufbaut, die sofort fesselt und Der Schlachter zu einem interessanten und bedenkenswerten Psychokrimi macht.
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