(„My Son, My Son What Have Ye Done“ directed by Werner Herzog, 2009)
Was passiert wenn David Lynch zur Narrenfreiheit aufruft? Werner Herzog ließ sich diese gesuchte und schließlich erhaltene Chance nicht entgehen, kapselte sich gemeinsam mit Herbert Golder – mit dem er übrigens schon bei Rescue Dawn zusammenarbeitete – irgendwo auf dem österreichischen Land ab und schrieb binnen kurzer Zeit das Drehbuch.
Basierend auf der ursprünglichen Idee von Golder die tragische Geschichte des Mörders Mark Yavorsky als Fundament für eine Erzählung über Wahnsinn und Chaos zu nutzen, schafften die beiden einen interessanten Kunstfilm der sich in Herzogs sonst schon formidablen Galerie nahtlos einreiht.
Michael Shannon, der schon in Bad Lieutenant zu sehen war, bekam die Hauptrolle zugesprochen und soll hier als Brad McCullum die emsig gesammelten Dokumente über Yavorsky in einem optisch leicht wiedererkennbaren Herzog-Universum darstellen. Mal abgesehen von den vielen visuellen wie narrativen Spielereien, bildet die Mordtat von McCullum den Grundkern der Geschichte und kann relativ schnell wiedergegeben werden.
Als Detective Havenhurst (Willem Dafoe) und sein unerfahrener Kollege Vargas (Michael Peña) den Tatort irgendwo in Sand Diego erreichen ist es schon längst zu spät. Brad hat seine Mutter im Nachbarshaus mit einem Schwert erschlagen. Bei der Mordwaffe handelt es sich um eine Theaterrequisite, die er selbst bei einem Stück benutzte als er unter der Regie von Lee Myers (Udo Kier) als Orestes (aus der griechischen Mythologie) seine…nunja, Mutter erschlagen musste.
Dies ist wohl die markanteste Parallele zu Yavorksys Verbrechen, für den Rest nahm man sich genügend Freiheiten um über Alles und Nichts zu erzählen. So geht es in My Son, My Son What Have Ye Done neben Theater und Architektur, eingestreuten Bibelzitaten oder Lebensweisheiten unter anderem auch um Tiere. Die Flamingos, oder wie Brad sie im Film gerne nennt, „die tuntigen Adler“, zeigte uns Herzog bereits in Bad Lieutenant und auf der Straußfarm begegnen wir einen alten Bekannten, nämlich Brad Dourif, der sich in The Wild Blue Yonder als Alien beweisen durfte. Vielleicht gehe ich hier zu weit, doch als wir erfahren, dass der Bauer vor den Riesenvögel einfache Hühner hielt, kam mir sofort Herzogs Stroszek in den Sinn. Einige Szenen wurden übrigens an denselben Orten in Peru wo auch gut 40 Jahre vorher Aguirre – Der Zorn Gottes gedreht wurde aufgenommen.
Um einen weiteren Kreis zu schließen: Mama McCullum wird von einer grandiosen Grace Zabriskie gespielt, die mir schon in Lynchs Inland Empire Gänsehaut bereitete. Ohne viele Worte zu verlieren, sondern alleine mit ihrer minimalistischen aber äußerst effektiven Gestik, erschafft sie eine unheimliche Aura um sich. Sie braucht sich vor dem restlichen, durchaus namhaften Cast (Chloë Sevigny wurde übrigens in diesen Zusammenhang noch nicht genannt) überhaupt nicht zu verstecken.
Einen nicht unwichtigen Part spielt auch die Filmmusik von Ernst Reijseger, die neben den oben angesprochen Themen sozusagen nochmals eine eigene Topik im Film darstellt und dank eines winzigen Cameo-Auftritts des Musikers auch bildlich direkt ins Geschehen eingreift.
Am Ende der 90 Minuten Laufzweit wurde ich gut bis sehr gut unterhalten, ein gewisses Faible für diese Art von Film sollte man aber auf alle Fälle mitbringen. In Zeiten in denen kurzweile Blockbuster die Kinosäle dominieren ist dies wohl eher nicht der Normalfall, weshalb es auch nicht verwundert dass My Son, My SonWhat Have Ye Done in Deutschland nur den Weg ins Heimkino gefunden hat. Das DVD-Release präsentiert sich übrigens recht unspektakulär was das Bonusmaterial angeht. Das ca. 30minütge Featurette ist dafür aber interessant und absolut sehenswert. Ansonsten kann Bild und Ton überzeugen und lässt keine Wünsche offen.
Am Ende überwiegt aber sowieso das Bedürfnis den Film (irgendwann) mal wieder anzuschauen um ihn dann womöglich aus einer ganz andere Perspektive neu zu entdecken.
My Son, My Son What Have Ye Done erscheint am 18.11 auf Blu Ray und DVD
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