Vision - Aus dem Leben der Hildegard von Bingen

Vision – Aus dem Leben der Hildegard von Bingen

(„Vision“, Margarethe von Trotta, 2010)

Heilkundlerin, Prophetin, Komponistin, Nonne. Hildegard von Bingen war das Allround-Talent des 11. Jahrhunderts und ihr wird nun ein filmisches Porträt der Grand Dame des deutschen Films gewidmet. Vision ist dabei ein routiniertes, aber kein sonderlich herausragendes Werk geworden, das keinesfalls zu Margarethe von Trottas besten Filmen gehört. Am ärgerlichsten sind hierbei die ungeschickten Erzählsprünge, die sich Trottas Drehbuch erlaubt hat und welches die Beschreibung des vielseitigen Talents von Bingens ad absurdum führt.

Der Zuschauer lernt die kleine Hildegard kennen, die im zarten Alter von acht Jahren in ein Kloster geschickt wird. Man erlebt, wie Hildegard ihre ungewohnte Umgebung im Kloster kennen lernt, ehe der Film kurze Zeit später dreißig Jahre in die Zukunft springt. Man bemerke: Hildegard von Bingen ist zu diesem Zeitpunkt 38 Jahre alt, bereits anerkannte Heilkundlerin und vor allem Musikerin. Sie fragen sich nun, wie sie zu dieser ausgebildeten Musikern und allwissenden Heilkundlerin geworden ist? Vor allem, da in den (meisten) Pressetexten bzgl. der Inhaltsangabe damit geworben wurde, dass gezeigt wird, wie das kleine Mädchen ausgebildet werde. Pustekuchen. Als habe man den Film drastisch auf 110 Minuten runtergekürzt, fehlt eben dieser wichtige Aspekt und so muss sich der Zuschauer damit zufrieden geben, dass von Bingen auf einmal Notensysteme aufzeichnen kann.

Ebenso verhält es sich mit der Heilkunde. So wird zwar deutlich gemacht, dass sich die Nonne in der Heilkunde hervorragend auskennt und Hildegard später ihre Schwestern auch in dieser unterrichtet, doch es wird nur kurz angerissen und nicht zufrieden stellend ausgeschöpft. Wer sich demnach für den Werdegang der Prophetin interessiert, muss von diesem filmischen Werk zwangsläufig enttäuscht werden, denn dafür stört der erzählerische Bruch zu Anfang bereits zu sehr, als dass diese Biographie befriedigen könnte.

Es ist aber bei weitem trotzdem kein schlechter Film, so ist es äußerst angenehm, keine glorifizierende Beschreibung der von Bingen serviert zu bekommen. Der Film ist im Gegenteil sehr kritisch mit der historischen Figur, stellt sie nie als unantastbare Heldin dar sondern als Menschen, der nach außen hin stark sein will, aber dieselben Fehler offenbart wie jedes menschliche Wesen. So wird mit ihr in der zweiten Hälfte des Films hart ins Gericht gegangen, da sie von Freunden und Schwestern hart angegriffen wird mit dem Vorwurf, sie tue vieles nur aus Selbstsucht und Eigennutz.

Des Weiteren fällt jedoch auch das „Dubbing“ negativ auf: In diversen Szenen singen die Schwestern des Klosters und es fällt unangenehm auf, dass die Stimmen der Schauspielerinnen von erprobten Sängern d.h. von CDs in der Post-Produktion ersetzt wurden mit der Ausnahme von Barbara Sukowa. Dieser Austausch klingt nicht nur aufgesetzt und künstlich, sondern ist auch noch unnötig, schließlich ist es schwer vorstellbar, dass alle Frauen im 11. Jahrhundert einen erstklassigen Sopran gesungen haben. Dem Ein oder Anderen mag es vielleicht auch negativ aufstoßen, dass keine der Visionen von Bingens filmisch dargestellt werden. Nun, Margarethe von Trotta ist in diesem Film bescheiden. Fast die gesamte Handlung spielt sich hinter den Klostermauern ab, man lauscht scheinbar endlosen – aber nicht uninteressanten – Dialogen (in einem Schweigekloster wohlgemerkt!). Das, was von Trottas Werk auszeichnet, ist, dass es trotz des Dialogreichtums kein zäher oder langweiliger Film geworden ist, denn die Schauspieler sind allesamt hervorragend, sodass es großen Spaß macht, ihnen zuzusehen und vor allem zuzuhören.

Vision hätte ein guter Film werden können. Es ist sehr bedauerlich, dass man sich anfangs nicht die Zeit genommen hat, auf die Entwicklung der Hildegard als Mädchen zur heranreifenden Frau/Musikerin/Heilkundlerin einzugehen und somit diesen Aspekt genügend zu würdigen. So bleibt unterm Strich ein routiniert gefilmtes Werk mit guten darstellerischen Leistungen und einem interessanten und kritischen Blick auf die mystische Figur.



(Anzeige)

5
von 10