Das Apartment

Das Apartment

(„The Apartment“, directed by Billy Wilder, 1960)

„The mirror… it’s broken.“

„Yes, I know. I like it that way. Makes me look the way I feel.“

Das Apartment war einer der erfolgreichsten Filme des vielfach preisgekrönten und beliebten Regisseurs Billy Wilder, der hier zusammen mit I.A.L. Diamond das Drehbuch verfasste. Nicht nur aufgrund der hohen Besucherzahlen im Kino oder aufgrund der Tatsache, dass dieses Werk mittlerweile zu einem legendären Klassiker geworden ist, sondern zu einem großen Teil auch deswegen, weil die Tragikomödie 1960 mit fünf Oscars ausgezeichnet wurde – von insgesamt zehn Nominierungen – und die begehrte Trophäe u.a. für den „Besten Film“ ergattern konnte. Jack Lemmon als einer von Wilder liebsten Schauspielern porträtiert C.C. Baxter, einen kleinen Angestellten in einer großen Firma, die 31.000 Mitarbeiter beschäftigt.

Um seine Chancen auf eine Beförderung zu erhöhen, vermietet er regelmäßig sein Apartment in New York an seine Vorgesetzten, die seine Zimmer dazu nutzen, Ehe zu brechen, sehr zum Missfallen von Baxters Nachbarn, die davon überzeugt sind, der brave Angestellte sei ein unersättlicher Playboy. C.C. scheint es geschafft zu haben, als er schließlich befördert wird – für ihn ein Grund, mit dem Vermieten Schluss zu machen, doch sein Chef Sheldrake (Fred MacMurray) macht ihm da einen Strich durch die Rechnung, denn er hat mitbekommen, weshalb Baxter derart viele Empfehlungen einheimsen konnte. Sheldrake nutzt diese Gutmütigkeit aus und bittet Baxter um den Schlüssel zu dem Apartment, damit er dort mit seiner Geliebten einige ungestörte Stunden verbringen kann. Baxter gibt widerwillig nach, ist aber umso schockierter, als er erfährt, dass diese Geliebte niemand anderes ist als Fahrstuhlführerin Fran Kubelik (Shirley MacLaine), auf die der Angestellte einen Blick geworfen hat. Doch der schlimmste Schock kommt für C.C. erst noch, als er eines Nachts Fran, voll gepumpt mit Schlaftabletten in Suizidabsicht, auf seinem Bett findet. Baxter muss Konsequenzen ziehen, bevor es zu spät ist, doch wird er dafür den Mut aufbringen können?

Billy Wilders Film ist ein tragikomisches Märchen über einen traurigen Antihelden in der Gestalt des kleinen Angestellten C.C. Baxter, für den die Frau, die er liebt, unerreichbar zu sein scheint. Das Schlimmste ist, dass er – wie er später erkennen muss – selber eine Mitschuld daran trägt, indem er aus purem Opportunismus und der Gier nach einer höheren Stellung seinem Chef seinen Apartmentschlüssel überlassen hat, damit dieser mit der Frau aus Baxters Träumen sich dort vergnügen kann. Selten zuvor und selten danach wurde auf einer Kinoleinwand je wieder eine derart ausbalancierte Mischung aus feinsinnigem Humor und ergreifender Dramatik präsentiert, die zu keiner Zeit Gefahr läuft, über die Grenzen ins Alberne oder Kitschige zu laufen.

Einen großen Anteil daran tragen nicht nur die sehr detaillierte Regiearbeit Wilders, sondern vor Allem die brillanten darstellerischen Leistungen nahezu aller Beteiligten. Jack Lemmon ist der duckmäuserische Baxter, ein Woody Allen-Typ, ein Verlierer, der es nur zu etwas bringen kann, wenn er sein Apartment in ein Bordell verwandelt, für den es aber aussichtslos ist, durch Leistung an den erwünschten Posten zu gelangen. Shirley MacLaine als Fran Kubelik ist eine weitere gescheiterte Existenz, die sich ihren Lebensunterhalt als Fahrstuhlführerin verdienen muss und nur Pech mit Männern hatte – angefangen hat dies im Alter von 15 Jahren, wo sie ihren ersten Kuss auf einem Friedhof bekam. Nun ist sie in Sheldrake verliebt, der nicht bereit ist, sie zu heiraten, da er zuhause Frau und Kinder hat. Sheldrake selber bezeichnet Baxter abfällig als Würstchen, dabei ist es dieses Würstchen, das im Gegensatz zu dem großen Mann Sheldrake Würde und Stolz beweist, indem er bereit ist, alles für eine Frau aufzugeben um ihrer gerecht zu werden, während Sheldrake selber kuscht, sich weigert, seine Frau zu verlassen, um mit Fran Kubelik glücklich zu werden.

Es ist eine bittersüße Geschichte, wenn alle annehmen, Baxter sei mit Kubelik zusammen und glücklich, während er von seinen Träumen so weit entfernt ist wie nur möglich und sich mit gebrochenem Herzen von der Dame anhören muss, wie sehr sie in Baxters Chef verliebt ist, nachdem sie versucht hat, sich umzubringen. Baxter kümmert sich rührend und in der stärksten Szene dieses Dramas gelingt Wilder eine einmalige Verschmelzung von ergreifendem Drama und bittererer Komödie, wenn Baxter Kubelik auf seinem Bett vorfindet. Er weiß nicht, ob sie noch lebt und ruft in höchster Verzweiflung sowie Eile einen Doktor, während seine Damenbekanntschaft, die er mitgebracht hat, nicht weiß, was vor sich geht und versucht, Witze zu reißen. Dies ist Billy Wilder at his best, auch wenn er Shirley MacLaine vorher in Tränen aufgelöst um den festlich geschmückten Tannebaum irren lässt, auf der Suche nach ihren Träumen, die sich aufgelöst haben und die sie, wie ihr klar wird, wohl nie wieder finden wird.

Diese Tragikomödie ist deshalb so frisch und aktuell geblieben, weil das ihr zugrunde liegende Thema nach wie vor ein recht heikles und frivoles ist, denn die sexuellen Andeutungen sind hier eindeutig. Von einer Wohnung als privat-intimem Rückzugsort kann keine Rede sein, wenn Baxter sein Apartment für mehrere Stunden zu einem Bordell werden lässt, alles zugunsten seiner Karriere. So ist Das Apartment eine recht bittere Fabel über Opportunismus, Moral, Selbstbetrug und Prostitution, oft verpackt in amüsanten Dialogen bis hin zu ungeschminkten, ehrlichen Äußerungen MacLaines nach ihrem Selbstmordversuch. Was ist man bereit für seine Karriere zu tun? Ist es vereinbar mit den Gefühlen des Einzelnen, mit seiner Gefühlswelt und seinen Überzeugungen? Wie weit ist man bereit zu gehen – etwa bis zur kompletten Selbstaufgabe, verbunden mit dem Verlust von der Identität, wenn Jack Lemmon trotz des Wissens, dass seine Angebetete mit seinem Chef Schäferstündchen in seiner Wohnung abhält, bereit ist, dies geschehen zu lassen? Dies ist auch gleichzeitig die Antwort auf die Frage, warum es so wenig Remakes von Filmen Billy Wilders gibt, mit dem es sich ähnlich verhält wie mit Ernst Lubitsch, denn ihre Filme sind derart gut gealtert, dass sie – nicht nur aufgrund der Thematik – noch heute aktuell und überzeugend sind.



(Anzeige)

10
von 10