(„Far from Heaven“, directed by Todd Haynes, 2002)
„I just want to get this fucking thing over with!”
Die 50er Jahre waren eine turbulente Zeit. Vor allem in den Vereinigten Staaten, wo man mit der McCarthy-Ära zu kämpfen hatte, aber auch mit Problemen, welche den ganzen Erdball bewegten. Far from Heaven ist so ein Porträt dieser schwierigen Zeit, die eben alles andere war als kitschige Bilderbucherlebnisse, wie es etwa Regisseur Douglass Sirk in seinen Filmen zum Ausdruck brachte – der hier besprochene Streifen ist eine Hommage an die Werke des bekannten Künstlers, der mit lyrisch, kitschig-warmen Bildern in seinen bekanntesten Filmen den Zerfall von Familien nach oberflächlicher Heiler-Welt-Idylle beschrieb.
Ein großes Lob muss daher gleich an dieser Stelle an den Kameramann von Dem Himmel so fern, Edward Lachman, ausgesprochen werden, der die Stimmung dieser Zeit in warmen Bildern einfing. Produziert u.a. von Steven Soderbergh und George Clooney beschreibt dieser Film von Todd Haynes auch den Zerfall einer Familie. Schuld daran ist jedes Mitglied zu einem gewissen Teil. Zunächst einmal Cathy Whitaker (Julianne Moore), eine brave Hausfrau der 50er Jahre mit Angestellten, einem hübschen Haus, zwei gesunden Kindern und einem erfolgreichen Mann, der sie liebt. Doch ihr Mann Frank (Dennis Quaid) benimmt sich bereits seit einiger Zeit recht seltsam und bleibt oft bis spät nachts in seinem Büro. Cathy schöpft zwar keinen Verdacht, da sie ihm vertraut, muss aber eines nachts die Entdeckung machen, dass ihr Mann homosexuelle Neigungen hat, als sie ihn in seinem Büro mit einem anderen Mann erwischt.
Die Fassade der Hausfrau beginnt zu bröckeln. Sie traut sich jedoch nicht, mit ihren tratschenden Freundinnen über das Problem zu reden, schickt Frank stattdessen zu einem Arzt, damit er sich wegen seiner Homosexualität behandeln lassen soll. Währenddessen macht sich Cathy mit ihrem neuen Gärtner Raymond (Dennis Haysbert) bekannt. Ein Schwarzer, mit dem sie schnell Freundschaft schließt. Dies kommt jedoch in der Gesellschaft alles andere als gut an, denn es geziemt sich nicht, Umgang mit Afroamerikanern zu pflegen. Ehe sich Cathy versieht, zerreißt sich die ganze Stadt das Maul über sie und ihre Freundschaft zu dem schwarzen Gärtner. Dem nicht genug, muss sie auch noch feststellen, dass ihr Mann immer größere Alkoholprobleme bekommt, was die Ehe zusätzlich belastet. Ihre langsam aufgebaute heile Welt droht, ihr zu entgleiten …
Wenn man diesen Film mit einem Subjektiv beschreiben müsste, so wäre wohl „Herbst“ am Treffendsten. Nicht nur aufgrund der augenscheinlichen Tatsache, dass dieser Streifen im Herbst angesiedelt ist, sondern als eine Metapher für das Anfang vom Ende. Über Homosexualität sprach man in der Mitte des 20. Jahrhunderts nicht, über Gleichberechtigung der Schwarzen ohnehin nicht, Alkoholismus war ebenso ein heikles Thema. Doch die Sache begann sich zu wandeln und spätestens in den 60er Jahren kam eine Aufklärung in Gang durch schillernde Figuren der Weltgeschichte, seien es Truman Capote oder Martin Luther King. Somit befand man sich in den späten 50er Jahren bereits im „Herbst“ der Entwicklungen, man begann – zwar noch verschämt – über derartige Probleme zu reden und man war auf dem Weg, sich dieser „Probleme“ anzunehmen. Immer mehr Menschen setzten sich für Gleichberechtigung der Schwarzen ein, immer mehr Wissenschaftler befassten sich mit dem Thema Homosexualität. Frühling und Sommer – wo man sich „Neger“ als Sklaven hielt und über Homosexualität nicht einmal im Traum dachte, es sei denn man hieß Oscar Wilde – waren bereits vergangen, es hatte eine Entwicklung stattgefunden.
In eben dieser Zeit spielt Todd Haynes sehr gelungenes Drama. Julianne Moore spielt die selbstbewusste Hausfrau sehr überzeugend, die oberflächlich alles im Griff hat, der in Wahrheit jedoch alles zu entgleiten droht, wofür sich bereits zu Beginn viele Symbole im Film finden lassen. Hier verraten Gesten und Mimiken einzelner Personen alles über die Gefühle und Gedanken eines anderen, so etwa die denkwürdige Szene, in der Freundinnen Cathys über ich Sexualleben reden und Cathy als Gastgeberin nur leicht errötend klar wird, dass der Zustand des Sexuallebens von ihr und Frank kein normales ist. Die Regiearbeit von Haynes ist dabei hervorragend, wenn man Julianne Moore vor dem Vorbau des Hauses stehen sieht, wie sie in Tränen aufgelöst lange zögert, ob sie ihrer hinfort schreitenden Freundin folgen und ihr alles anvertrauen soll. Dies sind Szenen mit großer emotionaler Wirkung, die der Regisseur und die Hauptdarstellerin dem Zuschauer servieren.
Dabei sollte man nie denken, dieser Film sei eine böse Satire auf die Bilderbuchdarstellung Hollywoods in den 50er Jahren, denn dafür nimmt Todd Haynes seine Charaktere und ihre Probleme viel zu ernst, kleidet seine stilvollen Bilder in märchenhafte Herbstidylle, die eine überzeugende Stimmung hervorzurufen vermögen. Bei allem positiven Lob leidet der Streifen trotzdem an dem Problem, zu viele gesellschaftliche Themen der 50er Jahre auf einmal behandeln zu wollen, sodass man drei Filme aus Dem Himmel so fern hätte machen können. Einen über Alkoholismus, einen über Homosexualität, einen über die freundschaftliche Beziehung zwischen einer weißen Frau und einem schwarzen Gärtner. Hier entfaltet sich das Dilemma – dass bei der Pluralität der Themen, der Angestrengtheit des Drehbuchautoren Haynes, immer eines dieser wichtigen Themen in den Hintergrund rückt. Das erste zentrale Thema ist die Homosexualität Franks, die dann aber für einen langen Zeitraum völlig in Vergessenheit gerät, wenn Cathy sich mit dem Gärtner anfreundet, dafür von Freunden und Nachbarn aber nur böse Blicke und Spott erntet. Dies rückt wiederum in den Hintergrund, wenn der Aspekt des zerstörerischen Alkoholismus angeschnitten wird.
Leider war Todd Haynes in dieser Hinsicht ein wenig zu ambitioniert. Die Qualität des Films vermag dies aber nicht sonderlich zu schmälern, denn dafür sind Regieführung, Schauspieler (auch Dennis Haysbert und Dennis Quaid sind hervorragend), Ausstattung und Kamera zu ausgezeichnet, um Far from Heaven große Punkte abziehen zu können. Positiv anzumerken ist auch die hervorragende Musik von Altmeister Elmer Bernstein, welcher hier mir lyrischer 50er Jahre Musik seinen letzten Soundtrack vor seinem Tod 2004 komponierte. Nicht nur ein sehr schön anzusehender Film, sondern einer mit Inhalt und Botschaft.
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