(„Der Räuber“ directed by Benjamin Heisenberg, 2010)
Verbrecher übten schon immer eine gewisse Faszination aus, so überrascht es auch nicht, dass 2002 Martin Prinz seinen Roman Der Räuber an die Geschichte eines der „erfolgreichsten“, österreichischen Bankräuber anlehnte. Das Buch wurde nun im gleichnamigen Film von Benjamin Heisenberg auch für die große Leinwand adaptiert und ist seit etwa einem Monat auch als DVD im Handel erhältlich.
Johann Kastenberger, der in den Medien aufgrund der Reagan-Maske und der Schrotflinte die er bei seinen Verbrechen benutze, zu Pumpgun-Ronnie hochstilisiert wurde, verübte in Achtzigerjahren zahlreiche Überfälle bei denen er mal mehr mal weniger hohe Beträge erbeutete. Obwohl ihm die Behörden immer dicht auf den Fersen waren schaffte es der Niederösterreicher stets dem Arm des Gesetzes irgendwie zu entwischen. Ob mit Auto oder zu Fuß, der erfahrene und auch erfolgreiche Marathonläufer und scheinbar motivationslose Dieb entkam der Polizei sogar als sie ihn mitten in Wien, in der Rennweger Kaserne, festhielten.
Kastenberger wird von Andreas Lust gespielt, der seine Arbeit hervorragend beherrscht. Obwohl ich weder die Buchvorlage gelesen noch den echten Kastenberger aus irgendwelchen Aufnahmen kenne, kann man getrost behaupten, dass Lust nicht nur die Figur spielt, sondern regelrecht zu ihr mutiert. Der echte Bankräuber und seine teilweise waghalsigen Coups wurden lediglich als Basis herangezogen um einen desillusionierten und antriebslosen Charakter zu sezieren. Ronny-Pumpgun könnte im Grunde jeder Durchschnittsbürger sein, der sein tristes Dasein als Teil der großen Maschinerie einfach satt hat oder dem unsere soziale wie ökonomische Gesellschaftsstruktur einfach zu komplex, vielleicht sogar zu abstrakt ist.
Dies rechtfertigt nun keinesfalls die eiskalten und emotionslosen Morde die Kastenberger verübte, doch seine Brutalität und das skrupellose Ausbeuten anderer spiegelt irgendwo genau herrschende Zustände wieder. In den etwas mehr als 90 Minuten verliert sich Lust mehr und mehr in einen Sumpf aus dem ihn selbst seine Freundin Erika (Franziska Weisz) mit all ihrer Liebe und (blindes) Verständnis nicht mehr befreien kann. Seine Aktionen können als verzweifelter Versuch um so etwas wie Freiheit zu erlangen gedeutet werden, die moralische Frage, ob nun der Zweck wirklich die Mittel heiligt, bleibt allerdings dem einzelnen Zuschauer zu entscheiden.
Der Räuber ist inhaltlich sowie schauspielerisch eine der besten deutschsprachigen Produktionen die ich in den letzten Jahren sehen durfte. Während Lust und Weisz ihre Rollen perfekt verkörpern und auch mit wenig Dialog dank ausgezeichneter Körpersprache Gefühle und Atmosphäre über den Bildschirm transportieren, fängt die Kamera das Geschehen ohne viel Schnick-Schnack sauber und deutlich ein.
Die Special Edition der Disc wartet mit über 70 Minuten Bonusmaterial auf, die Bild- und Tonqualität lässt keine Wünsche offen, auch ein Wendecover ist lobenswerterweise vorhanden.
Der Räuber ist tolle Unterhaltung mit Niveau, die weder zu kurz aber auch nicht zu lang geraten ist und durchaus auch Platz für Diskussionen bietet.
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