(„A Simple Plan“, directed by Sam Raimi, 1998)
Wenn Sie Fargo der Coen-Brüder mögen, sollten Sie A Simple Plan auf keinen Fall verpassen. Filmkritikerlegende Leonard Maltin kritisierte an dem hier rezensierten Film, dass er niemals glaubwürdig sei, doch würde man nach diesem Kriterium gehen, würde auch Fargo nicht als das Meisterwerk gelten, als das es angesehen wird. Nach bester Hitchcock-Manier ist die Ausgangssituation für die dramatischen Vorfälle im verschneiten Minnesota ein so genannter „McGuffin“. Ein „McGuffin“ ist der Aufhänger für die gesamte Story, durch den sie an Spannung gewinnt, wodurch der Zuschauer, Hitchcock zufolge, stets bereit ist, den McGuffin zu akzeptieren.
Dabei spiele es eben keine Rolle, wie glaubwürdig er ist, da das Augenmerk schließlich auf der nachfolgenden Handlung liegt und nicht auf dem McGuffin. Der McGuffin ist in diesem Film ein abgestürztes Flugzeug mit nahezu 5 Millionen Dollars und einem toten Piloten an Bord. Das Flugzeug – und somit auch das Geld – wird von Hank (Bill Paxton), Jacob (Billy Bob Thornton) und Lou (Brent Briscoe) entdeckt. Hank ist der Bruder von Jacob und derjenige, der es in der Familie am Weitesten gebracht und das College besucht hat, während der einsame Jacob arbeitslos ist und oft mit seinem Kumpel Lou abhängt, der nicht viel intelligenter ist und unter der Fuchtel seiner Frau steht, die im Gegensatz zu ihrem Mann regelmäßig arbeitet. Nach langem Zögern entscheiden sich die Drei, das Geld so lange aufzubewahren, bis sie sicher sind, dass es niemand vermisst, sodass sie den Millionen-Betrag dann aufteilen und für sich behalten können. Doch schnell beginnt alles schief zulaufen und ehe sie sich versehen, sind sie am Tod mehrerer Menschen nicht unschuldig.
A Simple Plan ist grotesk, morbide, dramatisch, intensiv und höchst unterhaltsam. Das spannende und schockierende Werk überzeugt vor allem auch aufgrund der großartigen Besetzung – jede kleinste Nebenrolle verfügt über den perfekten Darsteller, der bestens zum Charakter der Figur passt. Besonders erwähnenswert ist Billy Bob Thornton in der besten Darstellung seiner gesamten Karriere. Eine durch und durch respektable Leistung, bedenkt man, dass diese Rolle einem Schauspieler alles Erdenkliche abverlangt – die Palette reicht von Wutausbrüchen über Nervenzusammenbrüche bis zu Trauer und Komik. Ein Meisterstück und eine der besten Szenen des ganzen Films ist die feinsinnige Diskussion zwischen den Brüdern im Auto, indem Regisseur Sam Raimi ein sensibler Balanceakt der Tragikomik gelungen ist.
Die gesamte Spannung zieht der Film auch nicht – wie vielleicht zu erwarten gewesen wäre – aus Ausnahmesituationen, die in Blutbädern enden, sondern aus den inneren Konflikten der einzelnen Personen. Erst der Fund des Geldes und die damit verbundenen Probleme legen verschüttete Familientragödien frei, die den Charakteren Wärme und Menschlichkeit verleihen. Daher ist es schließlich umso erschütternder, wenig später feststellen zu müssen, wozu diese Menschen fähig sind, wenn sie einen hohen Geldbetrag, den sie um jeden Preis für sich behalten wollen, in Gefahr sehen. Die Konflikte um das erbeutete Geld reichen von Demütigungen bis zum Mord, wobei jeder Zuschauer für sich entscheiden muss, welches er als schmerzvoller empfindet.
Das Finale, die Nerven sind bis zum Zerreißen gespannt, setzt all diesem die Krone auf und mag von einigen wohl als zu übertrieben empfunden werden. Doch es fügt sich perfekt ein in die schmutzige Welt von ehemals rechtschaffenen Bürgern. Eine bitterböse Satire und Gesellschaftsstudie, unerbittlich und unbedingt sehenswert.
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