(„L’aventure c’est l’aventure“, directed by Claude Lelouch, 1972)
Jacques Brel mag dem ein oder anderen Musikliebhaber durch seine Chansons bekannt sein, denn der Belgier konnte eine erfolgreiche Karriere als Sänger vorlegen. Als Schauspieler erfreute er sich unter Cineasten weit weniger großer Beliebtheit, obwohl Brel vereinzelt in Filmen der 60er und 70er Jahre auftrat, so auch in seinem vielleicht berühmtestem Werk, dem Komödienklassiker Die Filzlaus, den Billy Wilder 1981 in seinem letzten Film neu verfilmte. Die Filzlaus sollte auch Brels letzter Film bleiben, denn in dem Jahr – 1973 -, in dem der Streifen entstand, musste der Sänger feststellen, dass er an Lungenkrebs erkrankt war. Fünf Jahre später starb der Künstler im Alter von nur 49 Jahren an dieser Krankheit, hinterließ neben zahlreichen Liedern auch 11 Kurz- und Langfilme, in denen er mitgewirkt hatte.
Einer davon ist Die Entführer lassen grüßen von Claude Lelouch. Lelouch beschreibt hier das Streben dreier Gangster: Lino (Lino Ventura), Jacques (Brel), Simon (Charles Denner), Aldo (Aldo Maccione) und Charlot (Charles Gerard). Diese haben sich in der Vergangenheit mit Banküberfällen über Wasser gehalten, mussten dann aber feststellen, dass sich die Zeiten geändert haben. Banküberfalle sind altmodisch und man sucht nach neuen Methoden, zu Geld zu kommen. Man übt sich als Zuhälter, doch auch dort ist der Erfolg wenig vielversprechend. Schließlich kommt einer von ihnen auf die Idee, sich auf politisch motivierte Verbrechen zu beschränken. Da der Horizont der Gentlemen-Gauner sehr beschränkt ist, laden sie mehrere Professoren und Studenten ein, die ihnen innerhalb kürzester Zeit das wichtigste Basis-Material über Politik lehren. Als Fingerübung für nachfolgende Entführungen versuchen sich die Gangster an Popsänger Johnny Hallyday – der sich hier selber spielt. Die Entführung gelingt und ihre Geisel ist ihnen für die Entführung aufgrund der dadurch entstandenen Publicity noch dankbar – die Gesellschaftskritik sollte spätestens hier deutlich werden. Für Lino und seine Helfer war dies jedoch nur der Anfang und der nächste Schritt wird bereits in Angriff genommen. Die Entführung eines revolutionären Führers in Südamerika. Zunächst scheint der Plan zu funktionieren…
Claude Lelouchs L’aventure c’est l’aventure funktioniert besser als Episodenfilm oder Ansammlung von Sketchen denn als zusammenhängender Abenteuerkrimi/-komödie. Erwartet man einen strukturell zusammenhängenden Streifen, kann man nur enttäuscht werden, denn vieles wirkt auseinandergerissen und interessanterweise kann man die meisten Szenen des Films für sich als lange Sketche stehenlassen, von denen einige besser funktionieren als andere, die zu lange auf eine Pointe hinarbeiten. So gibt es z.B. nicht die leisesten Andeutungen darauf, wie es die Entführer geschafft haben, ihr zweites Opfer, einen Schweizer als Geisel zu bekommen. Der Zuschauer muss sich mit der Tatsache zufrieden geben, dass diese schließlich neben den Entführern sitzt, während die Gauner versuchen, den Mann gegen ein hohes Entgelt wieder los zu werden. Die Überraschung ist, dass der Film dennoch vor allem in der zweiten Hälfte enorm viel Spaß bereitet, denn viele Pointen sitzen trefflich aufgrund gut gewählten Timings und der gut aufgelegten Schauspieler, allen voran Lino Ventura als griesgrämiger Anführer der Fünfertruppe. Zudem ist Lelouchs Film voll mit kleinen, aber sehr originellen Ideen, wie etwa dem angedrohten Generalstreik der Prostituierten, die sich von ihren Zuhältern zu lösen wünschen.
Für politisch Interessierte hält dieses Werk auch gezielte Dialoge bereit, die sich als bitterböse Satire auf den Kommunismus entpuppen. Im politischen Bereich wird wohl der Begriff des Marxismus in diesem Film am Häufigsten verwendet und so ist es sehr amüsant und charmant anzusehen, wie Lelouch es geschafft hat, in diesen schön anzusehenden Abenteuerfilm noch kleine Philosophien über derartige Themen einzubauen. Schön anzusehen ist dieser Streifen deshalb, da er über zahlreiche attraktive Bilder exotischer Landschaften verfügt von Südamerika bis Afrika. Der hier betriebene Aufwand dürfte dem in Der Löwe, welcher ebenfalls von diesem Regisseur inszeniert wurde, in nichts nachstehen.
Interessant ist der Klappentext auf der deutschen DVD, welche die Entführung des Papstes als Highlight des Films anpreist. Soviel sei gesagt: die Entführung eben jener Person spielt in diesem Werk nicht die geringste Rolle und ist erst in den letzten zwei Minuten Thema. Sieht man nun von einem etwas zähen Beginn ab, so kann man ganz prächtig mit dieser kurzweiligen Komödie unterhalten werden. Sicherlich nicht etwas für jeden Geschmack, denn die recht eigenwillige Erzählweise dürfte für viele Zuschauer doch sehr ungewohnt sowie gewöhnungsbedürftig sein, doch ein charmanter Spaß ist es allemal inklusive gut gelaunter Darsteller, teils sehr interessanten Kameraeinstellungen, politischer Kritik und Landschaftsaufnahmen, die Fernweh verursachen.
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