(„Duel“, directed by Steven Spielberg, 1971)
„How can he go so fast?”
Duell ist nicht – obwohl dies gerne behauptet wird – der erste Langfilm von Steven Spielberg. Bereits 1964, demnach im Alter von 18 Jahren, drehte er mit Firelight einen Science-Fiction Film, den wohl die Wenigsten bis heute gesehen haben. Nach diesem wenig beachteten Werk drehte das Nachwuchstalent zunächst für das Fernsehen, so etwa Episoden der in Amerika sehr beliebten Grusel-Serie Night Gallery. 1971 sollte eine Folge der nicht minder beliebten Serie Columbo folgen, welche zu den Highlights der damals noch jungen Reihe gehörte und eindrucksvoll das Talent Spielbergs unter Beweis stellte. Wie auch kurze Zeit später in Duell fällt in der Columbo-Folge Tödliche Trennung die ungewöhnliche Kamerahandhabung auf. Ein verspielter Trick ist es hier, den gesamten Mord lediglich in den sich spiegelnden Gläsern der Sonnenbrille des Täters zu zeigen.
Duell wurde ebenfalls für das Fernsehen gedreht, lief aber in den heimischen Wohnzimmern der Amerikaner derart erfolgreich, dass Universal bei Spielberg weitere 16 Minuten für den Film in Auftrag gab, damit die Laufzeit von 70 auf 86 Minuten verlängert werden konnte, um den Überraschungshit auch in den Kinos ausstrahlen zu können. Streng genommen ist demnach nicht etwa Sugarland Express der erste Kinofilm von Spielberg, sondern Duell – ein Film mit einer Handlung, wie sie simpler kaum sein könnte: Dennis Weaver spielt David Mann, einen verheirateten Familienvater, der auf den Straßen Kaliforniens unterwegs ist, um einen wichtigen Termin bei seinem Vorgesetzten einzuhalten. Es kommt ihm jedoch etwas dazwischen. Gegen Mittag sieht der den großen Truck zum ersten Mal, als dieser bedächtig vor ihm auf der Straße vor sich hin schleicht. David denkt sich dabei nichts, stattdessen überholt er den Truck, um an der nächsten Tankstelle Benzin auffüllen zu lassen. Seine Überraschung ist groß, als der bedrohlich aussehende Truck, dessen Fahrer er noch nicht erblicken konnte, nach dem Zwischenstopp wieder hinter ihm auftaucht. Bald wird deutlich, was sein Verfolger von ihm will. Mit riskanten Fahrmanövern versucht er, David immer wieder von der Fahrbahn zu drängen, sodass David klar wird, dass er umgebracht werden soll. Immer wieder versucht er, seinem Verfolger zu entkommen, doch es scheint keinen Ausweg zu geben. Der Truck lässt sich nicht abschütteln.
Steven Spielberg bezeichnete diesen Film einmal als seine eigene Version von Fred Zinnemanns Zwölf Uhr mittags. Eine sehr interessante Aussage, der man durchaus zustimmen kann, denn die simple Story der Verfolgungsjagd wird zusammengehalten von vielen kleinen Einzelepisoden, in denen David immer wieder versucht, Hilfe zu holen, um sein Leben zu retten und den Fahrer des Trucks verhaften zu lassen. Doch – wie auch in Zwölf Uhr mittags – ist niemand ihm bereit zu helfen, da man ihn entweder für geistesgestört hält oder schlicht nichts mit der Polizei zu tun haben will. Doch auch ohne diesen Hintergrund ist Duell ein beachtlicher Film, bedenkt man, was Spielberg aus dem unspektakulären Stoff, einer Drehzeit von zwölf Tagen und einem Minimalbudget herausgeholt hat – für einen Fernsehfilm wohlgemerkt. Zunächst resultiert die Spannung dieses Films aus den menschlichen Wünschen und Bedürfnissen, die wir alle kennen, die allerdings Dennis Weaver aufgrund des Truckfahrers, der ihn behindert, nicht erfüllt werden können. Sein Bedürfnis ist es, dringend zu einem Termin mit seinem Chef zu kommen. Doch ihm wird ein Strich durch die Rechnung gemacht. Als Zuschauer, da man diese Situationen kennt, ärgert man sich nicht nur mit dem, der sich in Eile befindet, man hofft regelrecht, er würde rechtzeitig kommen, da man sich mit seiner Situation identifizieren kann. Als bereits klar ist, dass dieser Termin niemals eingehalten werden kann, geht es einzig und allein um das nackte Überleben. Weaver bzw. dessen Charakter ist uns derart vertraut geworden, dass die Identifikation mit ihm nicht abreißt – die nachfolgenden Ereignisse werden zu einer Zerreißprobe für die Nerven.
Am bemerkenswertesten ist vielleicht die Kameraarbeit. Es scheint so, als ob an jedem Winkel der fahrenden Wagen Kamera angebracht sind – sei es auch an den ungewöhnlichsten Stellen. Man fühlt sich von Kameras regelrecht verfolgt – sie folgen Weaver auf dem staubigen Asphalt, sie befinden sich am rechten oder linken Scheinwerfer, unter dem Wagen, an der Stoßstange – die Liste ließe sich noch weiter fortführen. Die Einfälle, den Terrorismus darzustellen, der von dem Truck ausgeht, sind sicherlich nicht die originellsten und zweifellos teils arg konstruiert, beinahe klischeehaft, wenn der Truck die Telefonzelle rammen will, in der sich gerade Dennis Weaver befindet – umringt von zahlreichen Kästen mit Klapperschlangen, die zu Bruch gehen. Das stört freilich nicht sonderlich, da es immerhin die nötige Spannung aufbringt, die hier fast ausschließlich durch die Bilder transportiert wird, da auf Dialog so gut verzichtet wird, wie es nur möglich ist. Die Spannung wird nicht etwa durch Dialoglastigkeit ruiniert, stattdessen spielt Spielberg viel mit der Stille oder – wenn nötig – mit in Worten gefassten Gedanken des Hauptdarstellers.
Duell ist ein augenscheinlich sehr unprätentiöser, bescheidener Film mit einer wenig originellen Handlung, die jedoch vom Regisseur auf nahezu faszinierende Weise durch verschiedene Techniken genutzt wird, um den Zuschauer stets unterhalten zu können. Sieht man von dem recht müden Finale ab, so präsentiert sich mit diesem Verfolgungsthriller ein sehr kurzweiliger, keinesfalls uninteressanter Film. In den Händen eines anderen Regisseurs hätte mit diesem B-Movie sicher viel schief laufen können, werfe man nur einen Blick in die gängigen Schlechtesten-Listen der Filmgeschichte, welche dutzende Werke mit ähnlichen Produktionsbedingungen aufführen. Angesichts dessen ein sehr gelungener und lohnender Film.
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