(„Deux hommes dans le ville“, directed by José Giovanni, 1973)
„Die Polizei ist nun mal nicht die Heilsarmee.“
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er zum Tode verurteilt. Nach einer langen Zeit hinter Gittern, konnte ihn sein Vater jedoch befreien, sodass er mit seinem Leben davonkam. Seine Erfahrungen und Erinnerungen schrieb er in Buchform auf. Schnell landete er einen Bestseller und begann, Filmdrehbücher zu schreiben, ehe er sich selber auf den Regiestuhl setzte, um von Leuten zu berichten, in deren Psyche er sich hineinversetzen konnte. Im Alter engagierte er sich für Gefängnisarbeit und setzte sich gegen Jugendkriminalität ein. 2004 starb der Schriftsteller und Regisseur im Alter von 80 Jahren. José Giovanni hatte ein bewegtes Leben. Sein stärkstes Werk inszenierte er 1973 mit Deux hommes dans la ville mit Alain Delon und Jean Gabin, die hier zum dritten und letzten Mal gemeinsam vor der Kamera standen. Delon ist Gino Strabliggi, der vor zehn Jahren zu einer zwölfjährigen Haftstraße wegen bewaffneten Raubüberfalls verurteilt wurde. Sein Sozialarbeiter Germain Cazeneuve (Gabin) setzt sich nun dafür ein, dass er vorzeitig aus der Haft entlassen wird.
Er glaubt an ihn – bürgt sogar dafür, dass Gino keine Dummheiten mehr begehen wird. Widerwillig entlässt das Gefängnis den Verbrecher, der tatsächlich bereit zu sein scheint, sich ein normales, geregeltes Dasein aufzubauen mit einer Frau, die ihn liebt und einem Job, mit dem er sie ernähren kann. Für Gino läuft es gut und auch Cazeneuve, mit dem ihn eine tiefe Freundschaft verbindet, ist zufrieden. Von kleineren Vorkommnissen wie dem steten Auftreten von Ginos ehemaliger Verbrechertruppe (unter ihnen ein noch junger Gérard Depardieu) abgesehen, wird der frisch entlassene Häftling nicht mit seiner Vergangenheit belästigt. Wäre da nicht Inspektor Goitreau (Michel Bouquet), der ihm das Leben schwer machen will. Dieser glaubt nämlich nicht daran, dass Gino eine saubere Weste hat. Er scheint gar zu hoffen, dass Gino wieder straffällig wird, damit er diesen wieder ins Gefängnis schicken kann. Zu allem Überfluss kommt wenig später Ginos Lebensgefährtin bei einem Autounfall ums Leben. Wird er es schaffen, keine Dummheiten zu begehen oder wird der Inspektor es schaffen, genügend Material gegen Gino zu beschaffen, um ihn wieder zu verhaften, so wie es sich Goitreau wünscht?
Der Film ist kein Krimi, sondern ein lebendiges und engagiertes Plädoyer gegen die Todesstrafe, gar gegen das ganze französische Rechtssystem. Man spürt in jeder Szene dieses Werkes, wie sehr Giovanni die französische Justiz und ihre Ungerechtigkeiten verurteilt, wie sehr er selber unter ihr zu leiden hatte. Es ist eine verbitterte Anklage, aber mit einem derartigen Realismus inszeniert von jemandem, der sich in diesen Kreisen auskennt, dass dieser Streifen einen fast sprachlos zurücklässt. Jean Gabin als Sozialarbeiter, der noch an das Gute im Menschen glaubt und den Glauben an das Rechtssystem verliert, ist hierbei das Sprachrohr für den Regisseur und Drehbuchautor Giovanni, der ein sehr mutiges Statement für mehr Menschlichkeit bei der Polizeiarbeit und in Gefängnissen vorlegt. Die Forderung ist, jeden Menschen als Individuum zu sehen, nicht jeden mit dem Motto abzustempeln: „Einmal ein Verbrecher, immer ein Verbrecher“.
Die schauspielerischen Leistungen sind hierbei durchweg hervorragend. Delon, der den Film produzierte, stellt den verzweifelten Gino, der um seine Freiheit kämpft, überzeugend und sehr berührend dar, auch Michel Bouquet liefert als ätzender Inspektor eine der größten Glanzleistungen seiner Karriere ab. Manch einer mag kritisieren, dass dieser Film dafür sorgt, dass man Verständnis für einen Mörder aufbringt, doch es geht niemals um die Taten an sich, sondern es sind philosophische Reflexionen darüber, was einen jeden Menschen zu einem derart grausamen Verbrechen treiben kann und wie das „dekadente System“ Frankreichs einen unschuldigen Menschen zum Wahnsinn treiben sowie zerstören kann, sodass hier mit unglaublicher Intensität das Seelenleben der Protagonisten abgebildet wird. Das Finale dieses spannenden Werks schnürt einem buchstäblich die Kehle zu und offenbart dem Zuschauer in all seiner Härte die Grausamkeit der Todesstrafe, wie sie zu jener Zeit in Deutschlands Nachbarland noch angewandt wurde, ehe man sie 1981 abschaffen ließ.
Endstation Schafott ist nicht nur gut gespielt, schnörkellos und anklagend, es ist auch zutiefst menschlich und berührend. Unabhängig davon, ob man dem Regisseur in seinen radikalen Ansichten zustimmt oder nicht, so kann dieser Streifen als schockierendes, intensives und auch durchaus verstörendes Argument gegen die Todesstrafe angesehen werden, was einen nicht schnell wieder loslassen wird. Es ist auch ein Plädoyer für mehr Verständnis und Menschlichkeit gegenüber Verbrechern, denn ein jeder von ihnen besitzt menschliche Eigenschaften. Es lohnt sich, an sie zu glauben. Umrahmt wird dieser ambitionierte Film von der emotionalen Musik Philippe Sardes, der geschickt dem pseudo-dokumentarischen Stil entgegensteuert. Deux Hommes dans le ville ist verstörend, aber absolut beeindruckend.
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