(„Street With No Name“, directed by William Keighley, 1948)
“What’s the use of having a war if you don’t learn from it?”
Street With No Name ist ein Film, der viel Stoff für Diskussionen bietet – zumindest was das FBI betrifft. Zunächst einmal ist es ein ungewöhnlicher Film, der auf ungewöhnliche Weise gedreht wurde. Regisseur William Keighley inszenierte dieses Werk als Halb-Dokumentarfilm, in welchem die Arbeit des „Federal Bureau of Investigation“ dargestellt wird. Derartige Krimis mit dokumentarischem Anstrich, gar mit einem erörternden Sprecher im Off, waren zu jener Zeit höchst ungewöhnlich. Natürlich bot dieser Ansatz Gelegenheit, Verbrechen auf die Art darzustellen, wie sie in Wirklichkeit waren, auf der Kinoleinwand jedoch noch nicht abgebildet worden waren – nicht in einer derartigen Brutalität.
Heute mag man über das eiskalte Töten einer unschuldigen Ehefrau auf einer Party schmunzeln, da derartiges in den letzten Jahrzehnten im Film oft (genug) abgebildet wurde – in den späten 40er Jahren war dies ein Novum und der dokumentarische Bezug verschärfte die Brisanz zusätzlich. Straße ohne Namen entstand nämlich nach Dokumenten des FBI. Man stellte 20th Century Fox Akten zur Verfügung, woraus Drehbuchautor Harry Kleiner dann schließlich diesen Thriller zusammensetzte. Die grobe Handlung hat demnach tatsächlich stattgefunden und ist nicht frei erfunden. J Edgar Hoover war mit der Arbeit des Drehbuchautors sehr zufrieden, da dieser das FBI in einem sehr guten Licht dar stehen ließ. Hiermit wären wir bei dem ersten Problem dieses Werks: es wirkt teilweise wie unreflektierte FBI-Propaganda. Hoover selbst ist eine sehr zwielichtige Figur, so gilt er heute überwiegend als Rassist und Manipulierer, der bedeutende Politiker an sich band oder der Presse ausgewählte Informationen zuspielen ließ. Von alledem ist in diesem Film nichts zu spüren.
In ein und derselben Stadt werden innerhalb kürzester Zeit zwei unschuldige Menschen getötet. Sofort ist klar, dass hinter diesen Taten eine ganze Gangsterbande stecken muss. Leider weiß man weder welche, noch ist man im Besitz irgendeinen Beweises. Die Polizei wendet sich an das FBI, die einen ihrer Beamten zur Verfügung stellen, den Mördern Dingfest zu machen. Dieser Beamte ist Gene Cordell (Mark Stevens), der sich unter falschem Namen in ein New Yorker Hotel einmietet, um die Gegend kennen zu lernen, in der die Bande sich aller Wahrscheinlichkeit nach versteckt hält. Cordell wird schnell fündig und stößt auf den Kreis von Alec Stiles (Richard Widmark), der an dem jungen, sportlichen Spion schnell Gefallen findet. Es dauert nicht lange, da fragt Stiles, ob Cordell nicht in seine Mannschaft aufgenommen werden möchte. Selbstverständlich sagt der Beamte zu und so geschieht es, dass er den nächsten Beutezug mit organisiert. Leider läuft die Sache schief, der Coup wird abgeblasen und in der Bande um Alec Stiles härtet sich der Verdacht, dass sich ein Spitzel in ihrer Mitte befindet, den es umzulegen gilt.
Straße ohne Namen ist ein durchaus sehr interessanter Film. Bei aller fehlenden Reflexion gegenüber dem FBI, ist es sehr interessant, die Methoden eben jener Organisation kennen zu lernen. William Keighley verwendet anfangs die nötige Zeit, die technischen Untersuchungen im Labor des FBI abzubilden, so ist es erstaunlich, wie fortschrittlich und elektronisch entwickelt dort bereits in den 40er Jahren geforscht wurde. Diesem sehr interessanten Einblick stehen sehr fragwürdige Darstellungen gegenüber, in denen der Ermittler einem mordverdächtigen mit freundlicher Stimme klar macht, er wolle ihm doch nur helfen und man möge sich ihm doch bitte anvertrauen.
Von derartigen Weichzeichnungen abgesehen ist Street With No Name ein recht spannender Polizeikrimi mit einem hervorragenden Richard Widmark als charismatischen Bösewicht, der Stütze des gesamten Bauwerks und perfiden Gegenspieler des recht blass dargestellten FBI-Spions. Auch der Korruptions-Aspekt spielt in diesem Film eine gewichtige Rolle – hier ist es der Chef der städtischen Polizei, der dem Gangsterboss Informationen zuspielt, sodass dem Zuschauer hier das breit gespannte Netz vor Augen geführt wird, in dem sich einflussreiche Verbrecher bewegen, deren Informanten überall sitzen – außer im FBI selbstverständlich, denn das FBI beherbergt keine korrupten Beamten. Es stellt zwar eine Kleinigkeit dar, doch der dokumentarische Stil hätte teilweise konsequenter dargestellt werden müssen, denn es ist kaum wahrscheinlich, dass zwei Boxer nach einem schlagreichen Kampf ohne sichtbare Blessuren den Ring verlassen, so wie Keighley es einem hier glauben machen will.
Straße ohne Namen bietet kaum mehr Einblick in die Organisation von Gangsterbanden als die meisten Gangsterfilme. Das große Plus ist die starke Atmosphäre, die Keighley hier erzeugt – sei es durch bloße Gesten, Blicke oder bestimmte Kameraeinstellungen. Die Stimmung ist in der Tat beklemmend, der Einblick in die Arbeit der Menschen im FBI-Labor anschaulich und interessant, der Bösewicht wird überzeugend dargestellt und der dokumentarische Stil mit dem Erzähler im Off ist gelungen. Trotz alledem hinterlässt dieses Werk einen recht bitteren Nachgeschmack – sei es aufgrund der propagandistischen Darstellung des FBI oder aufgrund der hölzernen Darstellung des Ermittlers von Mark Stevens. An Aktualität hat dieser Film mittlerweile unvermeidlicher weise verloren, doch das kann man diesem 60jährigen Werk schwerlich vorwerfen. Es sei zudem noch erwähnt, dass die deutsche DVD von 20th Century Fox eine miserable Bildqualität mit haufenweisen Verschmutzungen vor Allem gegen Ende aufweist – eine Restauration ist hier dringend erforderlich.
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