Tin Men - Zwei haarsträubende Rivalen

Tin Men – Zwei haarsträubende Rivalen

(„Tin Men“, directed by Barry Levinson, 1987)

“Hey, asshole! This is the ultimate „fuck you“! I just poked your wife!”

Bevor Barry Levinson 1988 mit Rain Man seinen endgültigen Durchbruch erleben durfte, machte er sich einen Namen als Regisseur des überlangen Robert Redford-Vehikels Der Unbeugsame oder des von Steven Spielberg produzierten Abenteuers vom kleinen Sherlock Holmes, welches da benannt wurde: Das Geheimnis des verborgenen Tempels. Es folgte Tin Men mit Danny DeVito und Richard Dreyfuss, zwei verlässlichen US-Komödianten. Eine Tragikomödie, die heute fast nahezu vergessen ist und in der die Autos der goldenen 60er Jahre die heimliche Hauptrolle spielen. In diesem Jahrzehnt – genauer gesagt 1963 – spielt dieses Werk, das als ausbalancierte Tragikomödie das Leben zweier Vertreter in Baltimore schildert. Bill Babowsky (Richard Dreyfuss) arbeitet als Vertreter für Aluminium-Verkleidungen an Häusern und als Geschenk an sich selbst für ein tüchtiges Jahr leistet sich der fleißige Geschäftsmann eines Tages ein neues Auto. Mit diesem kommt er jedoch nicht weit, denn nur nach fünf Minuten wird er in einen Unfall mit Tilley (Danny DVito) verwickelt, der ihm in das Heck fährt. Tilley ist ebenfalls Aluminium-Vertreter und damit Konkurrent von Babowsky, da beide für verschiedene Firmen arbeiten.

Der kleine Unfall zieht bald weite Kreise, denn niemand will an diesem Malheur schuld sein. Ein Grund genug für Babowsky, sich an Tilley zu rächen, was mit einem eingetretenem Scheinwerfer beginnt, aber kein Ende nehmen will. Tilley steckt derweil bis zum Hals in einem Berg von Problemen – nicht nur, dass er Ärger mit der Steuerfahndung hat und um seinen Job fürchten muss – zum ersten Mal wurde eine Kontrolle für Vertreter ins Leben gerufen, die jedem Vertreter, der mit unlauteren Methoden arbeitet, die Lizenz entziehen kann. Damit nicht genug, muss Tilley eines Abends erfahren, dass Babowsky mit seiner Frau (Barbara Hershey) geschlafen hat. Für den sympathischen Verlierer beginnt ein Kampf um seine Existenz …

Tin Men ist eine unterbewertete Komödie der 80er Jahre und gehört zu jenen melancholischen Lustspielen, die sich Zeit für die Charaktere nehmen, ohne mit dem Holzhammer Gags auf dem Fließband zu servieren. Wer demnach einen Film voller Schenkelklopfer erwartet, kann lediglich enttäuscht werden. Wer jedoch eine sensible Mischung aus Komödie und Drama bevorzugt, hat mit diesem Werk die richtige Wahl getroffen. Es ist Levinson positiv anzurechnen, dass er nicht versucht hat mit schlichten Gut-/Böse-Mustern zu arbeiten, da in diesem Fall die Geschichte um einiges uninteressanter geworden wäre. Stattdessen präsentieren sich sowohl DeVito, als auch Dreyfuss als wenig liebenswerte Verlierer, was für eine anschauliche Figurenkonstellation sorgt, da es dem Zuschauer bis zum Finale selber überlassen bleibt, Partei für eine der Personen zu ergreifen – oder für beide. Die Ausstattung und Atmosphäre der 60er Jahre sind hierbei sehr liebevoll nachempfunden worden – wie eingangs erwähnt sind hierbei die fahrbaren Untersätze die wahren Stars des Streifens, was bereits im Vorspann deutlich wird.

Voller Leidenschaft filmt Levinson jeden Zentimeter eines Oldtimers in Nahaufnahmen ab, sodass der Zuschauer vom glänzend polierten Chrom geblendet wird. Während des gesamten Films scheint Levinson auf die Wagen zu deuten, um zu zeigen: Schaut her, was es damals für umwerfend schöne Autos gab. Dies ist nicht als Kritik zu deuten, denn Tin Men ist keinesfalls ein in die Länge gezogenes Ausstellungsstück für vergangene Zeiten. Die Unterschiede in menschlichen Beziehungen – nicht nur in der Ehe von Tilley und seiner Frau – werden hier in humorvollen Dialogen porträtiert, in denen die Charaktere stets aneinander vorbeireden – in bester Loriot-Manier zieht dieser Film den meisten Witz aus den Gesprächen der Personen untereinander. Positiv hervorzuheben ist Jackie Gayle als Freund von Tilley, der nur ein Gesprächsthema zu kennen scheint, welches daraus besteht, die Unlogik in der damals ungeheuer populären TV-Serie Bonanza zu kritisieren.

Ist es möglich, dass vier Cowboys, die gemeinsam auf einer Ranch wohnen, niemals über Sex sprechen? Niemals über ein steifes Glied am Morgen? Derartige Dialoge sind pointiert, amüsant weil höchst ungewöhnlich, dabei aber nicht komplett sinnlos. Des Weiteren spart dieser Film nicht mit unverhohlener Sozialkritik bzgl. der Kommission, die eingesetzt wurde, die Vertreter zu überprüfen. In hoffnungslosem Ton ist die Meinung Babowskys zu hören, der meint, so sähe die Zukunft aus mit Hetzjagden à la McCarthy. Diese Kommissionen – am besten zu beschreiben als Verbraucherschützer – sind mittlerweile zu Standards geworden und werden in diesem Werk für die Arbeitslosigkeit redlich arbeitender Männer angeklagt, was dem Zuschauer einen aufschlussreichen Blick über die Sicht der Dinge in den 60er Jahren beschert, unabhängig davon, ob man dem Pessimismus zustimmen kann oder nicht.

Barry Levinson ist gut darin, keine Kindereien in Masse zu servieren, wie man sie von einem derartigen Stoff vielleicht erwarten könnte. So wird hier nicht der erbitterte Krieg zweier Dickköpfe dargestellt, die sich über 100 Minuten der Zerstörung fremden Eigentums hingeben. Stattdessen gibt es feine, tragikomische Momente, von denen eine Szene mit Tilley und seiner Frau wohl am Besten im Gedächtnis bleibt. Hershey spielt hervorragend die Frau, die zum Spielball zweier Männer geworden ist – sie hat sich in Babowsky verliebt, als ihr (Ex)-Mann ihr voller Schadenfreude und mit höhnischem Grinsen klar macht, ihr Liebhaber wollte sich lediglich an Tilley rächen und habe deshalb mit seiner Frau geschlafen. Derartig bittersüße Momente machen den Film sehenswert, der sicher kein Highlight der 80er Jahre darstellt und zweifellos auf 90 Minuten hätte gekürzt werden können, da einige kurze Szenen kaum etwas Nennenswertes beizutragen haben, doch insgesamt ist Tin Men ein sehr sympathischer kleiner Film mit zwei unsympathischen kleinen Giftzwergen, die sich allmählich in die Herzen der Zuschauer spielen.



(Anzeige)

8
von 10