(„Don’t Look Now“, directed by Nicolas Roeg, 1973)
„The skill of police artists is to make the living appear dead.”
Einigen Cineasten wird der Name Daphne du Maurier zweifellos ein Begriff sein. In dem Fall höchstwahrscheinlich durch drei Filme, die kein Geringerer als Alfred Hitchcock nach ihren literarischen Vorlagen in Szene setzte, angefangen beim weniger bekannten Riff-Piraten mit Charles Laughton über Sir Alfreds Oscar-Gewinner Rebecca mit Sir Laurence Olivier bis zu dem unsterblichen Horrorklassiker Die Vögel von 1963. Dass auch die Vorlage zu dem recht bekannten Gruseldrama Wenn die Gondeln Trauer tragen von der englischen Autorin stammt, ist hingegen weniger bekannt.
Tatsächlich diente ihre Geschichte „Dreh’ dich nicht um“ als Basis für Nicolas Roegs Film, der – wie etwa auch Pulp Fiction – in die Kategorie der Filme gehört, die sowohl einen breiten Fan-, als auch einen großen Hasskreis haben, sodass sie auch nach 40 Jahren noch regelmäßig Diskussionen darüber entfachen, ob dieses Werk nun genial oder einschläfernd sinnentleert ist. Donald Sutherland, dessen Filmographie nachwievor aus abwechselnd gelungenen und misslungenen Werken besteht, spielt John Baxter, der mit seiner Frau Laura (Julie Christie) und seinen zwei Kindern, einem Jungen sowie einem Mädchen, ein glückliches Leben in England verbringt. Eines Tages ertrinkt die Tochter Christine. Ihr Vater kommt zu spät, er kann sie nicht mehr retten. Als Maler und Kirchenrestaurator erhält er später einen Auftrag in Venedig, sodass er und seine Frau für einige Zeit dort wohnen, während ihr Junge weiterhin in England zur Schule geht.
Den Tod ihrer Tochter scheinen die beiden weitestgehend überwunden oder zumindest verdrängt zu haben, ehe sie die Bekanntschaft mit einem Geschwisterpaar machen. Eine der beiden älteren Damen ist erblindet und behauptet, als sie Laura kennen lernt, dass sie Christine gesehen habe, da sie in Verbindung mit dem toten Mädchen stehe. Zunächst schenkt Laura ihr keinen Glauben und auch ihr Mann hält ihre Prophezeiungen für Humbug. Nach und nach kann sich Laura von der Faszination, die von den Frauen ausgeht, nicht länger entziehen. Sie besucht die Damen immer öfter, die schließlich sogar voraussagen, dass John in Lebensgefahr schwebt, solange er in Venedig weilt. Tatsächlich geschieht bald ein Unfall als Auftakt zu mehreren mysteriösen Ereignissen …
Wenn der Regisseur eines bestimmten Films vor seiner jetzigen Tätigkeit als Kameramann tätig war, merkt der Zuschauer das meist sofort – meist unterbewusst, oft auch direkt durch die offensichtliche Kameraführung, die an einen bestimmten Stil erinnert. So lässt auch Don’t Look Now keinen Zweifel daran, dass Roeg seine Karriere im Filmgeschäft als Kameramann begonnen hat, so intensiv und originell sind die Einstellungen und Bilder, die er dem Zuschauer präsentiert, was zum Besten des gesamten Streifens gehört. Leider leidet aber auch dieser Film in einigen Szenen zu sehr an dieser Eigenschaft, dass die Bilder derart erdrückend sind, dass der eigentliche Inhalt in den Hintergrund rückt, beinahe gar keine Rolle mehr spielt.
Oft kritisiert wurde die intensive Sexszene zwischen Julie Christie und Donald Sutherland, die genau dieses Problem offensichtlich werden lässt. Eine wunderschön gefilmte Szene mit Einblendungen von in der Zukunft stattfindenden Tätigkeiten. Endlos streckt sich diese Szene aus, ohne den Film in irgendeiner Weise weiterzubringen, sodass sich ein tieferer Sinn erschließen könnte. Man kommt nicht umhin, hier eine Art Selbstverliebtheit zu attestieren, die zwar eine schön gefilmte Szene hervorbringt, für den Zuschauer aber nicht zuletzt aufgrund der Länge zur Geduldsprobe wird. Es spricht in diesem Fall für sich, dass Roeg diese Szene nachträglich filmen ließ, da diese nicht im Drehbuch vorgesehen war. Sehr gelungen hingegen ist der Anfang dieses Films, ein kleines Meisterwerk bezüglich der Schnitttechnik, in dem immer wieder zwischen der kleinen Christine, die im Garten spielt und ihren Eltern im Haus hin- und her geblendet wird.
Der Zuschauer weiß, dass das kleine Mädchen im Teich ertrinken wird – lediglich die Eltern sind ahnungslos und auf intensive Weise wird dem Zuschauer hier ein Dilemma der menschlichen Existenz vor Augen geführt; man lacht und erfreut sich seines Lebens, ohne wissen zu können, dass in diesem Moment ein geliebtes Familienmitglied auf tragische Weise zu Tode kommt. Diese raffinierte Schnitt- und Kameratechnik behält Nicolas Roeg für einige Szenen in Venedig bei, ist aber letztlich leider nicht konsequent genug im Umgang mit dieser. Durch bewusst konfuse Einstellungen und ungewöhnliche Kamerawinkel sowie Schnittwechsel schafft er anfangs eine Aura des Unwirklichen. Es mutet wie ein Traum an, der sowohl für die Eltern Christines, als auch für den Zuschauer nicht greifbar ist. Diese unwirkliche Atmosphäre geht im Mittelteil unglücklicherweise verloren, die begrüßenswerten Techniken werden vernachlässigt, wirken verbraucht und unoriginell. Erst im letzten Drittel gewinnt der Streifen durch eine Rückbesinnung wieder an Intensität, legt die teilweise aufgekeimte Langwierigkeit ab und lässt so den Alptraum John Baxters auch für den Begleiter vor dem Bildschirm wieder fühlbar werden.
Diese Weitschweifigkeit im Mittelteil, der es zu schulden ist, dass die Geschichte zeitweise leicht durchhängt, ist das Resultat dieser Inkonsequenz Roegs bezüglich anfänglich viel versprechender Schnitttechnik und Kameraführung. Dies hätte durch einen interessanteren Plot sicherlich besser kaschiert werden können, doch die Visionen einer blinden alten Frau bezüglich eines toten Menschen sind in der Filmlandschaft seit Langem kein Novum mehr und waren es auch bereits 1973 nicht. Trotzdem ist Don’t Look Now ein empfehlenswerter, recht kurzweiliger und in seinen besten Zeiten sehr packender sowie intensiver Gruselthriller.
Einige Kritiker mögen behaupten, Roeg sei nicht tief genug in die Psyche seiner Charaktere eingedrungen, was fatal sei für einen Film, der sich nicht auf oberflächliche Schockeffekte konzentriere, sondern dessen Schockwirkung aus dem Seelenleben der Figuren selber komme. Dem kann man Recht geben, denn die Psyche des Ehepaares wird in der Tat nur oberflächlich angekratzt, das Verarbeiten des Todes ihrer Tochter zu keinem Zeitpunkt näher thematisiert. Hilfreich sind hier die vorzüglichen Kameraeinstellungen sowie die Musik Pino Donaggios (der in den Credits amüsanter weise fälschlich als Donnagio angegeben wurde), die in ihrer Naivität einen interessanten Kontrapunkt zu den Bildern liefert. Das Rätseln des Zuschauers, was hinter den mysteriösen Vorfällen steckt, lässt insgesamt genügend Spannung aufkeimen, als dass Wenn die Gondeln Trauer tragen trotz des enttäuschenden, plakativen Endes zu den besseren Gruselfilmen gezählt werden kann.
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