(„Barney’s Version“, directed by Richard J. Lewis, 2010)
No! I’m bent over backwards in love!”
Barneys Version ist eine Lebensgeschichte. Und wie jede Lebensgeschichte, die auf Zelluloid gebannt wird, steht und fällt dieser Film mit der Leistung des Hauptdarstellers. Barneys Version steht, denn Paul Giamatti liefert eine atemberaubende Tour de Force als jüdischer TV-Produzent, der sein Leben in verschachtelter Erzählweise rekonstruiert. Das Chaos im Liebesleben Barneys beginnt in Rom, als man das Jahr 1974 schreibt. Dort schwängert er eine junge Dame, was Barney zum Anlass nimmt, diese zu heiraten, obwohl er sie zu keinem Zeitpunkt liebte. Es kommt jedoch noch schlimmer, denn nach der Hochzeit stirbt das Baby bei der Geburt. Trotzdem lässt sich feststellen, dass keinesfalls Barney der Vater sein kann, sondern sein afro-amerikanischer Freund. Es folgt die Trennung, jemand begeht Selbstmord, der durch einen dummen Zufall nicht verhindert werden kann.
Barney verlässt Rom und nimmt das Angebot seines Onkels an, in Amerika einen Job als Fernsehproduzent zu erhalten, wo er seine zweite Frau kennen lernt. Schnell wird deutlich, dass die kulturellen Unterschiede zwischen den beiden Familien unübersehbar groß sind, denn seine Verlobte hat nicht nur promoviert, sondern stammt aus einer wohlhabenden Familie, während Barneys Vater (Dustin Hoffman), ein pensionierter Polizist, während des Essens damit prahlt, wie er Verbrecher gedemütigt hat. Erst auf der Hochzeit wird Barney klar, dass auch die Liebe zu seiner zweiten Frau nicht derart tief ist, wie er dachte. Auslöser für diese Erleuchtung ist eine junge Frau namens Miriam (Rosamunde Pike), eine Bekannte seiner Frau, von der Barney nicht eine Sekunde die Augen lassen kann. Noch auf seiner eigenen Hochzeit fleht er die schöne Unbekannte an, ihn zu heiraten, was diese natürlich mit Unverständnis ablehnt. Barney versucht daraufhin widerwillig, mit seiner Frau ein geregeltes Leben zu führen – ein Plan, der nur scheitern kann und in dem Tod eines Freundes seinen Klimax findet…
Barneys Version trifft den richtigen Ton zwischen Komödie und Tragödie und vermag so einen sensiblen Balanceakt zu vollbringen. Das Spektrum, welches dieser Film offeriert, reicht von lautem Gelächter bis zu herzzerreißend offenen Momenten, die zu keinem Zeitpunkt kitschig sind. In den besten Szenen dieses Werks wird Lachen und Weinen auf eindrucksvolle Weise kombiniert – am eindrucksvollsten ist hier vielleicht die Sequenz in dem Freudenhaus zu nennen, in welches sich Barney aufgrund eines unheilschwangeren Anrufs begeben muss. Ein weiterer Pluspunkt sind die erstaunlich vielseitigen Charaktere, die durch ihre Ecken und Kanten an Menschlichkeit gewinnen und zweifellos ist Barney die interessanteste Figur von allen. Ein verbitterter, ununterbrochen Zigarre qualmender Sarkast, der seinen Mitmenschen ihre Freude nicht gönnt.
Doch Barney ist auch gleichzeitig ein sensibler Familienvater, der immer wieder an sich selber scheitert und an seinem Schicksal meistens selber Schuld ist, was ihn mit vielen Menschen auf seinem Planeten vereint. Die Maskenbildner haben hervorragende Arbeit geleistet und einen hervorragend aufspielenden Paul Giamatti in einen alten Mann verwandelt, der nahezu alle Stationen seines Lebens durchlaufen muss und dabei Schritt für Schritt sichtbar altert. Nicht nur Giamatti, der hier wohl die Rolle seines Lebens spielt, die niemand besser hätte darstellen können, ist erwähnenswert, denn das ganze Schauspielerensemble vermag durchweg zu überzeugen. Viele Kritiker werden behaupten, Dustin Hoffman, der nur in einigen Szenen zu sehen ist, sei der wahre Star des Films.
Das zu behaupten, wäre Giamatti gegenüber jedoch ungerecht, es ist aber nicht zu verleugnen, dass Hoffman (dessen Sohn in diesem Film auch eine kleine Rolle übernimmt) die Rolle des gutherzigen, aber stürmischen Ex-Cops perfekt auszufüllen vermag, um die humorvollen Momente dieses Streifens auf amüsante Weise zu füllen. Es funktionieren jedoch bei weitem nicht alle Witze, was in den meisten Fällen daran liegt, dass viele Scherze aus dreißig Jahre alten Witzbüchern abgeschrieben zu sein scheinen. Hier sei nur an das folgende Beispiel erinnert, indem Hoffman als Gast eines Dinners anmerkt, das Huhn sei hervorragend. „Es ist Fisch.“ Haben Sie gelacht? Vielleicht werden Sie es, wenn Sie die entsprechende Szene dazu sehen, denn in vielen Fällen vermögen die hervorragenden Schauspieler einige Kalauer gekonnt zu retten.
Vielleicht hätte der auf einer literarischen Vorlage beruhende Film gut daran getan, die Episode um den potentiellen Mord eines wichtigen Charakters wegzulassen, denn dieser Aspekt wird zwar immer wieder kurz angerissen, oft genug jedoch auch vernachlässigt, wodurch er in den Hintergrund rückt und in Vergessenheit gerät. Die Geschichte bringt diese Episode notwendigerweise nicht unbedingt weiter, sodass es vorteilhafter gewesen wäre, die durch das Kürzen dieser Sequenzen gewonnene Zeit in das Schicksal der Hauptfigur zu investieren, dessen Leiden im letzten Abschnitt derart überzeugend und kraftvoll gespielt ist, dass man sich wünschen mag, mehr davon gesehen zu haben. So bleibt Barneys Version ein insgesamt sehr gelungenes Porträt eines wechselvollen Menschenlebens mit ausgezeichneten Schauspielern, sensiblen Momenten, Humor, Tragik und Wärme, mit detaillierter, präziser Regieführung gekonnt in Szene gesetzt.
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