(„Black Swan“ directed by Darren Aronofsky, 2010)
Meine Hoffnungen Natalie Portman endlich mal wieder in Bestform zu erleben als ich letztes Jahr im Herbst erneut Léon sichtete, wurden nun mit Black Swan mehr als verwirklicht. Schon längst ist sie kein Kind mehr sondern wird dieses Jahr 30, doch damals wie heute strahlt sie in ihren Filmen stets diese Unschuld und Fragilität aus, hat aber gleichzeitig eine gewisse innere Stärke. Diese Eigenschaften haben die Drehbuchautoren Mark Heyman und Andres Heinz hervorragend zu nutzen gewusst, weshalb die Rolle der erfolgssüchtigen Ballerina Nina Sayers, Natalie Portman wie aus dem Leib geschnitten ist.
Nina ist Teil einer Ballettkompanie unter Führung von Thomas Leroy (Vincent Cassel) der sich kurz vor Eröffnung der neuen Saison gezwungen sieht die Hauptrolle neu zu besetzten, da sich der bisherige Star Beth Macintyre (Winona Ryder), wenn auch widerwillig, aus Altersgründen zurückzieht.
Eine aufgefrischte Version von Tschaikowskis Schwanensee soll dieses Jahr den Anfang machen und auch wenn alles daraufhin deutet, dass die technisch perfekte Nina die neue Primaballerina sein wird, so passt ihre Verschlossenheit und Steifheit nicht ganz zum schwarzen Schwan, dem schwierigen Teil der Doppelrolle den man als Schwanenkönigin beherrschen muss. Ganz anders sieht es da schon bei ihrer Konkurrentin Lily (Mila Kunis) aus, die zwar nicht so professionell wie Nina zu Werke geht, dafür aber mehr Leidenschaft und vor allem Erotik in ihrer Darstelllungen miteinbringt.
Während uns nun Darren Aronofsky ähnlich wie schon in The Wrestler einen Blick hinter die Kulissen einer vom Großteil unbeachteten Kunst gewährt, bleibt auch diesmal nicht das triste Privatleben der Hauptfigur außen vor. Ninas Mutter (Barbara Hershey), die einst selbst Balletttänzerin war, drängt ihre Tochter quasi zu der Karriere die sie aufgrund ihres Kindes nie führen konnte. Man kann es als Sinnbild heutiger Erziehungsmethoden sehen, wenn sie ihre Tochter nicht erwachsenwerden lässt und stattdessen in ein rosarotes Zimmer voller Plüschtiere sperrt, immer darauf bedacht dem Mädchen Disziplin und Ausdauer einzutrichtern, denn Erfolg ist alles. Ein Sozialleben kennt die junge Frau nicht, auch das andere Geschlecht oder irgendwelche sexuellen Neigungen scheinen für sie Tabu zu sein, alles nur Ablenkung, alles nur Zeitverschwendung.
Die weiße, immerzu perfekte Schwanenkönigin die im Stück zum verführerischen und anarchischen schwarzen Schwan mutiert ist mehr als eine Allegorie zu Ninas Leben. Das Ganze vermischt sich mit zunehmender Laufzeit dermaßen, dass die unter zunehmenden Wahrnehmungsstörungen leidende Tänzerin bei der Premiere ihrer letztendlich erkämpften Hauptrolle ein fatales und irgendwo auch poetisches Ende findet.
Darren Aronofky erweist sich einmal mehr in jeder Hinsicht als brillanter Filmemacher. Nicht nur, dass seine Filme stets niveauvoll unterhalten sondern er wählt auch seine Darsteller und deren Chemie stets sorgfältig aus. Während Natalie Portman weiterhin mit Preisen überhäuft und somit die gesamte mediale Aufmerksamkeit bekommen wird, zeigt Mila Kunis, wenn auch recht zaghaft, dass sie mehr kann als nur hübsch rumzustehen. Die Leistung von Cassel ist hingegen weniger überraschend sondern der Franzose bestätigt hier vielmehr sein Können. Er spielt seinen Part souverän ohne dabei wirklich grandiose Momente zu haben, welche das Drehbuch allerdings auch nicht vorsieht.
Die Story konzentriert sich nämlich primär auf Ninas Einzelschicksal. Eine junge Frau die zerfressen von Neid und getrieben durch Erfolgsgier den eigenen Verstand verliert und, wie auch Lily ihr erklärt, nie wirklich lebt. Blind vor Wut, da die Lily als Zweitbesetzung eine Gefahr für ihre Schlüsselposition darstellt, erkennt Nina bis zum Schluss nicht ihren wahren Feind nämlich sich selbst. Die innere Selbstzerstörung nimmt somit unvermeidlich seinen Lauf.
Man bedient sich auch hier wiederum der von Aronofsky scheinbar heißgeliebten Handkamera die den Protagonisten dicht hinter dessen Schultern folgt und teilweise sogar in die Ich-Perspektive wechselt, was vor allem bei den Tanzchoreografien durchaus schwindelerregend ist aber gleichzeitig eine wahnsinnig intensive narrative Methode darstellt. Neben den visuellen und inhaltlichen Parallelen zu Aronofskys früheren Werken finden wir mit Clint Mansell einen weiteren „alten“ Bekannten. Der Brite gleicht die Schwanensee-Stücke hervorragend mit den Bildern auf der Leinwand ab, was zur Folge hat, dass die Musik im ersten Moment komplett im Hintergrund verschwindet, im Grunde aber mehr als präsent und wortwörtlich tonangebend ist.
In Zeiten wie diesen ist es beeindruckend, dass man hier gerade mal 108 Minuten braucht um eine solche intensive und tiefgründige Geschichte zu erzählen. Keine Minute wirkt hier in die Länge gezogen, alles wirkt genau an der richtigen Stelle, Nichts erscheint überflüssig es ist genau so wie Nina am Ende des Streifens auf Thomas’ Frage „Was hast du getan?“ antwortet: „Ich war perfekt“.
Es wird nach den bereits verliehenen einundzwanzig Preisen noch massig viel Trophäen und Goldjungen (5 Nominierungen) für diesen Film hageln, soviel steht schon einmal fest. Ob es nun der Beste Aronofsky ist will ich erst gar nicht erörtern, bisher war jeder seiner Filme den ich gesehen habe auf seiner Art hervorragend, mitreißend und vor allem in seiner Gänze dermaßen wunderschön, dass es schwer fällt irgendwelche negativen Kritikpunkte anzubringen.
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