(„The Conversation“, directed by Francis Ford Coppola, 1974)
Am Anfang weiß man nicht, was man sehen soll. Die Kamera schwebt über einem kleinen Platz in San Francisco. Musiker, Obdachlose, vereinzelte Grünpflanzen. Es ist kurz vor Weihnachten. Die Kamera zoomt näher heran, unter all den Menschen erspäht man Gene Hackman als Harry Caul, ein Mensch in der Masse. Die Kamera fokussiert sich zunächst nicht auf ihn, denn Caul soll und darf nicht auffallen. Er ist Privatdetektiv und spezialisiert darauf, Menschen abzuhören. An diesem Tag beobachtet er ein junges Liebespaar, ehe er sich in seinen Abhörwagen begibt, indem ihm die Bänder des heimlich aufgenommenen Gespräches zwischen den beiden Turteltauben übergeben werden. Caul ist sehr genau und professionell, aber es scheint nicht so, als ob er seinen Job liebt. Durch die Gespräche, die er mitschneidet und abhört, die Qualität verfeinert, damit die Stimmen deutlich zu hören sind, erfährt er die intimsten Details seiner Opfer.
Seit langer Zeit plagt ihn sein Gewissen, denn bei einem vergangenen Auftrag hat der Privatdetektiv die Schattenseiten seines Berufs kennen gelernt. Nachdem er einige Personen, so lautete sein Auftrag, abgehört hatte, wurde eine ganze Familie getötet, die mit den Abhörungen in Verbindung stand. Caul begriff zu diesem Zeitpunkt, dass er dieses Blutbad hätte verhindern können, hätte er diesen Auftrag nicht angenommen. Nun, einige Jahre später, beschleichen ihn erneut Zweifel und er fragt sich, ob es das Richtige ist, was er tut. Das aufgezeichnete Gespräch des Paares scheint belanglos, beim zweiten Hinhören offenbaren sich jedoch immer mehr seltsam anmutende Dialogfetzen, denen Caul erst Aufmerksamkeit schenkt, als er eine Warnung des Assistenten seines Auftraggebers erhält, er solle seine Nase nicht in die Angelegenheit stecken, sondern lediglich die Bändern abliefern und mit seinem Geld verschwinden. Caul gefällt die Sache nicht.
Ihm gefällt auch nicht, dass er seinen Auftraggeber nie zu Gesicht bekommt, sondern stets nur dessen rechte Hand Martin Stett (Harrison Ford). Das Interesse an diesem Gespräch und vor allem an dem Paar, welches dieses Gespräch führt, nimmt immer mehr zu, bis Cale das Schlimmste befürchtet und annimmt, die Beiden könnten ebenso getötet werden wie die Familie bei seinem vergangenen Auftrag. Dieser Dialog, dem er immer und immer wieder lauscht, wird wie ein Sog, dem Cale weder entkommen kann, noch will. Er muss einschreiten, bevor es zu spät ist und seine Professionalität ignorieren.
The Conversation, einer der meist gefeierten Filme von Francis Ford Coppola, ist einer jener Thriller, die sich intensiv mit dem Seelenleben, der Psyche der Hauptfigur beschäftigen und sie durchleuchten, dem Geschehen und der Person einen realistischen Anstrich geben, wie auch French Connection, der ebenfalls ein Film mit einem depressiven Antihelden als Hauptcharakter ist. Der Dialog lebt nicht von Actionszenen, die den Zuschauer am Ball halten sollen, sondern es ist bewusst ein sehr langsamer Film geworden, der sich nicht um die eigentliche Operation bzw. das Mysterium darum dreht, sondern um den Operator Caul und dessen Umgehen mit dieser Situation. Wie in French Connection ist es eine abgeklärte, nüchterne und leidenschaftslose Figur, nahezu unfähig zur Mitteilung von tiefen Emotionen. Man mag glauben und kritisieren, dass zugunsten dieser Charakterisierung, die nahezu 90 Minuten einnimmt, ehe Caul zu handeln beginnt, der eigentliche Fall, den er behandelt, in den Hintergrund rückt.
Doch dies täuscht, denn jede Szene, so wird sich im Nachhinein erschließen, hat im Film ihre Berechtigung. So auch der Besuch Cauls auf einer Messe für Privatdetektive und Polizisten, auf der die neusten Abhörmethoden präsentiert werden. Eine auf den ersten Blick belanglose Szene, die aber nicht nur viel über den Ermittler selbst erzählt, sondern vor allem über dessen Umfeld, das im weiteren Verlauf eine gewichtige Rolle spielen soll. Coppola täuscht bewusst und spielt mit dem Zuschauer, so wie es mit Caul selbst geschieht, dessen Ermittlungen immer mehr zu einem Wechsel zwischen Traum und Realität werden, zu einem Aufkeimen verdrängter Erinnerungen und Angst vor der Zukunft. Coppolas Film bleibt dabei stets stilsicher und überzeugt mit einer intensiven Atmosphäre, zu der nicht nur ein bravourös aufspielender Gene Hackman beiträgt, sondern auch die bluesige Klaviermusik von David Shire, welche vor Drehbeginn bereits komponiert wurde. Nihilistisch und auch cool wie der Charakter Harry Caul, einsam und kühl.
In diesem Sinne ist The Conversation ein Ein-Mann-Stück, indem sich Hackman behaupten muss, denn der Regisseur und Drehbuchautor Coppola legte unüblicher Weise bei diesem Thriller nicht etwa den Fokus auf das abgehörte Pärchen, wie man es bei derartigen Sujets vielleicht erwartet hätte, sondern auf den denjenigen, der sie abhört. Ausspionierte Personen, die Teil eines größeren Planes sind, wurden oft in der Filmgeschichte porträtiert, doch nun verschiebt sich hier der Fokus auf eben die Person, die außerhalb des Geschehens stehen sollte, wie es der Arbeitgeber wünscht, der aber gar nicht anders kann, als in die Gespräche miteinbezogen zu werden.
Das Abhören der Gespräche ist hier nur der Anfang, denn sie offenbaren alles über einem Menschen – das Milieu, in dem er sich bewegt, seinen Intellekt, seine Pläne, Wünsche, Hoffnungen, Ängste, Gedanken. Für manche ist das ein verführerischer Gedanke, für Harry Caul nicht, denn er hat die Schattenseite seines Berufs kennen gelernt. Coppola ist konsequent und unterbricht seine Psychologie des Charakters Caul nicht, um die Spannungskurve für den Zuschauer zu heben. Fans moderner Thriller, in denen pro Sekunde acht Autos explodieren, können dem Regisseur das vorwerfen, doch er verfolgt konsequent ein Konzept, das zu einem rasanten Finale führt und erneut die Gefahr der allgegenwärtigen Täuschung vor Augen führt.
(Anzeige)