(„La Belle et la Bête“, directed by Jean Cocteau, 1946)
Es war einmal vor langer Zeit, als es noch keine Fernseher, Computer oder Paparazzi gab. In dieser ruhigen, unbeschwerten, gar jungfräulichen Zeit lebte Belle (Josette Day), die jüngste dreier Schwestern und zugleich auch die Hübscheste. Der Vater ist Händler, hat jedoch mit seinen Geschäften viel Pech gehabt, sodass ihnen nicht viel Geld zur Verfügung steht und sie in ärmlichen Verhältnissen leben müssen. Eines Tages kann der Vater jedoch eine erfreuliche Verkündung machen, denn eines seiner Handelsschiffe ist im Hafen eingetroffen und auf diese Weise ist er wieder zu Reichtum gekommen. Bevor er auf eine kurze Reise geht, fragt er seine Töchter, was er ihnen mitbringen soll. Während die eine antwortet, sie hätte gerne einen Affen und die andere, sie möchte einen Papagei, wünscht sich Belle lediglich eine Rose, da diese in der Nähe nicht wachsen. Die Schwestern lachen über Belle und ihre Bescheidenheit, doch das Lachen soll ihnen bald vergehen, denn es ist die Rose, welche die ganze Familie ins Unglück stürzen soll.
Auf der Heimkehr flüchtet sich der Vater aufgrund eines Unwetters in ein scheinbar verlassenes Schloss, in dem er Essen und Trinken vorfindet. Als er sich einige Stunden später, nachdem sich das Wetter gebessert hat, wieder auf den Heimweg machen möchte, kann er nicht widerstehen, aus dem prachtvollen Garten eine Rose für Belle zu pflücken. Doch seine Tat bleibt nicht unbemerkt und nur wenige Sekunden später erscheint ihm das Biest (Jean Marais), das ihn anklagt, das kostbarste gestohlen zu haben, was er besitze: eine seiner Rosen. Es gibt nur eine Strafe für eine solche Tat und die ist der Tod. Es gibt jedoch eine Alternative, eröffnet das Biest. Wenn eine der Töchter des Diebes sich bereit erkläre, an seiner Stelle zu sterben, wäre der Dieb frei.
Der Vater kehrt heim und berichtet seinen Töchtern von seinem Erlebnis. Belle wird daraufhin von Gewissensbissen gepeinigt, schließlich war es ihr Wunsch nach einer Rose, der ihren Vater in eine solche Gefahr gebracht hat. Trotz allen Widerständen macht sie sich heimlich auf, das Schloss des Biests zu erkunden und dort ihren Tod zu finden. Sie ist schockiert vom Anblick des Wesens, das sie zu sich gebeten hat, doch bald merkt sie, dass dieses Etwas eine gute Seele hat und sich lediglich nach Liebe sehnt, anstatt danach, sie umzubringen. Für Belle wird es eine schwierige Zeit, denn auf der einen Seite ekelt sie sich vor dem Anblick des Biests und vermisst ihren Vater, auf der anderen Seite ist sie gerührt von der Liebenswürdigkeit und Einsamkeit ihres Gastgebers, der sie jeden Abend fragt, ob sie ihn heiraten möchte. Wie wird Belles Antwort letztendlich lauten?
La Belle et la Bête ist einer jener sehr raren Filme, die perfekt sind. Mit einer Lupe und Mikroskop ließen sich keine negativen Kritikpunkte für diesen unverwüstlichen Klassiker finden, der einige der poetischsten Bilder bietet, die jemals auf einer Leinwand zu sehen waren. Am interessantesten an dieser komplexen Liebesgeschichte sind jedoch vielleicht die „Spezialeffekte“, die unmittelbar auffallen. Sich bewegende Hände halten Leuchter, Türen gehen von alleine auf, im Spiegel erscheinen Bilder aus einer anderen Welt. All dies sind die einfachsten tricktechnischen Mittel, die Jean Cocteau anwendet und der Zuschauer weiß sofort, wie diese Tricks erzeugt wurden. Doch das Besondere ist – und hierin liegt eben die Qualität dieses Films – dass es nicht darum geht, wie diese Effekte hervorgerufen wurden, sondern wie sie zur magischen Atmosphäre beitragen, ohne sie zu zerstören oder sie lächerlich zu machen. Und dies liegt primär in den Händen des Regisseurs.
Auf einmalige Art und Weise beweist dieser Film, dass es nicht unbedingt aufwendiger Spezialeffekte aus dem Computer bedarf, um dem Zuschauer ein „Ah“ oder „Oh“ zu entlocken, sondern dass die simpelsten Tricks in den Händen des richtigen Regisseurs zu einem wahren Erlebnis werden können. Die Ausstattung ist hierbei so spärlich wie möglich, wenn Belle sich an ein paar matt flackernden Leuchtern vorbeibewegt, um sie herum befindet sich alles im Dunkeln, ehe sie über eine Treppe eilt, wodurch sie auf einen Flur kommt, in den die Gardinen der Fenster sanft vom Wind geweht werden – all das eingefangen in Zeitlupe schafft einen wahrhaft märchenhaften Moment der Filmgeschichte, der zu verzaubern versteht. Ähnlich wie Alfred Hitchcock war Jean Cocteau aber nicht nur ein brillanter Techniker, sondern auch ein ausgezeichneter Dramaturg, der ich um die Emotionen seiner Charaktere bemühte und sie zu interessanten Figuren formte. So ist das subtile Mitleid mit dem Biest, welches man nach Sichtung des Films nicht als solches beschreiben möchte, derart sensibel eingefangen worden, dass man nicht umhinkommt, eine Vertauschung der Rollen zu bemerken. Schließlich ist es das Biest, das in seinem eigenen Körper gefangen ist und nicht entfliehen kann, so sehr es das auch möchte.
Belle wird zwar in diesem Schloss gefangen gehalten, erweist sich jedoch als die wahre dominante Kraft in diesem Haus und verzaubert ihren Gastgeber jeden Tag aufs Neue. Eine weitere Schönheit dieses Werks ist das, was man nicht sieht. Weder Belle, noch das Biest können den jeweils anderen leiden sehen, so sehr haben sie sich schätzen gelernt, doch die Linderung dieser Leiden oder die Erfüllung der Wünsche des Anderen stehen im Gegensatz zu den eigenen Interessen, was es zunächst scheinbar unmöglich macht, sich und auch den Anderen glücklich zu machen. Ein berührendes, menschliches Dilemma, denn das Schicksal des Biestes liegt in den Händen seiner Gefangenen, die mit ihrem eigenen Gewissen kämpfen muss.
Am Ende wird eine simple, vielleicht sogar kitschige Botschaft ausgesprochen, doch sie trifft den Kern und ist ehrlich: Liebe kann das hässlichste Wesen aufblühen und zu einer Schönheit werden lassen. Jean Cocteaus Film ist aufgeblüht in seiner vollen Schönheit. Wer dieses Meisterwerk sichten möchte, für den stellt die amerikanische DVD der fabelhaften „Criterion Collection“ die beste Wahl dar. Für den Preis von 31 $ erhält der Käufer nicht nur den restaurierten Hauptfilm, sondern gleichzeitig die auf demselben Stoff basierende Oper von Philip Glass, ein dickes Begleitbuch, diverse Audiokommentare, seltene Bilder von den Dreharbeiten und derart viele weitere kleine Bonusmaterialien, dass es eine Zeit dauern kann, bis man im Menü das angewählt hat, was man eigentlich sehen möchte.
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