Geliebte Aphrodite

Geliebte Aphrodite

(„Mighty Aphrodite“, directed by Woody Allen, 1995)

„I feel like I owe you a great fuck.”

Bis 1995 hatte Woody Allen einen unerfüllten Traum. Er wollte schon immer einmal einen griechischen Chor in einen seiner Filme einbauen, der das Geschehen kommentieren sollte. Wie im antiken griechischen Theater. 1995 hat er sich schließlich diesen Traum erfüllt und Geliebte Aphrodite gedreht, für den er mit einem Choreographen zusammenarbeitete, der den Chor, der nicht nur spricht, sondern auch singt dirigieren sollte. Anführer dieses Chores ist F. Murray Abraham, den der Cineast aus Amadeus oder Der Name der Rose kennt und der Unterstützung von Schauspielkollegin Olympia Dukakis bekommt, die in diesem Werk drei Zeilen spricht und für eine Minute im Film zu sehen ist, dafür jedoch einen Nennung unter den führenden Darstellern im Vorspann erhielt. Für Darstellerin Mira Sorvino bedeutete dieser Streifen der große Durchbruch, denn zuvor war sie lediglich Nebendarstellerin in weniger beachteten Filmen gewesen, ehe sie für ihre Darstellung der Prostituierten und Pornodarstellerin Linda in Geliebte Aphrodite einen Oscar erhalten sollte.

Es macht in der Tat diebisches Vergnügen, Sorvino, die einen halben Kopf größer ist als Woody Allen, zu beobachten, denn ihre skurrile Leinwandpräsenz inklusive einer hohen, enervierenden Stimme macht sie von Beginn an unwiderstehlich. Woody Allen selbst spielt Lenny, einen Sportreporter in den besten Jahren, der mit der wesentlich jüngeren Helena Bonham-Carter verheiratet ist. An einem Punkt in ihrer Beziehung kommt das Gespräch auf ein Kind, denn nichts scheint sich seine Frau Amanda mehr zu wünschen als einen Nachkommen. Lenny blockt ab, von einem Kind will er nichts wissen. Da Amanda auch wenig Lust auf neun Monate Auszeit in ihrem Beruf hat, schlägt sie eine Adoption vor, der Lenny nur langsam widerwillig zustimmt. So kommt es, dass wenig später ein kleiner Sohn das Leben des Ehepaares bereichert. Dieser entpuppt sich mit den Jahren als kluges Kerlchen, sodass Lenny heimlich nach der wahren Mutter des Kindes zu suchen beginnt. Diese Suche wird jedoch komplizierter als gedacht, denn eine Mutter namens Linda arbeitet nicht nur in der Pornoindustrie, sondern ist zudem noch als Prostituierte tätig, sodass sie des Öfteren ihren Namen wechselt und als „Judie Cum“ in Perlen wie „Deep Throat“ auftritt. Lenny arrangiert schließlich einen Termin bei der groß gewachsenen Blondine und mit der Zeit freunden sich die beiden an – trotz der Warnungen des griechischen Chores.

Geliebte Aphrodite ist ein niedlicher, charmanter Film, indem das F-Wort wahrscheinlich öfter vorkommt als in jedem anderen Film von Woody Allen bis zu dieser Zeit. Das Milieu, in dem sich Mira Sorvino als putzige Verliererin bewegt, gab Allen ausreichend Möglichkeiten, Scherze über Sex, die Pornoindustrie oder Prostituierte und Zuhälter darzustellen, was ihm in gewohnten One-Linern perfekt gelingt. Eine weitere Möglichkeit für treffsichere Pointen gab sich Allen selbst in dem Auftreten des griechischen Chores – gefilmt in Italien – der hilflos mit den Tücken der Technik zu kämpfen hat, wenn er sich plötzlich bei einem Hilferuf an Zeus nur mit dessen Anrufbeantworter zufrieden geben muss. Wie in einigen Werken des Regisseurs – so auch in Annie Hall – ließ er auch hier surrealistische Elemente einfließen, indem er Mitglieder des antiken Chores in der realen Welt New Yorks erscheinen lässt, um Hilfe von ihnen zu bekommen.

Abseits dieser originellen Idee weiß Mira Sorvino zu bezaubern, deren Auftreten die Highlights dieses amüsanten Films sind, denn wie keine zweite versteht sie es hier, den Zuschauer nicht mit platten Witzen zum Lachen zu bringen, sondern stattdessen mit kindlicher Naivität und menschlichen Schwächen zum Schmunzeln zu bewegen – eine Figur, der es nicht schwer fällt, von den Zuschauern geliebt zu werden. Im Gegensatz zu der Liebe, die ihr im wahren Leben entgegenströmt und nach der sie sich so sehr sehnt, dass Lenny schließlich zum Suchenden wird, ihr einen Partner zu besorgen, der nicht nur ihr Äußeres begehrt, sondern von ihrem Charakter bezaubert zu werden. Es ist ein dramatischer Aspekt, den Allen hier gekonnt mit angemessenem Humor zum Ausdruck bringt.

Es ist die Unfähigkeit der Menschen, Prostituierte ernst zu nehmen, es ist die Unfähigkeit der Pornodarstellerinnen, tiefe, menschliche Beziehungen aufzubauen. Sorvino findet die richtige Balance, dieses Leiden deutlich zu machen. Ein Aspekt, der jedoch zu weit außen vor gelassen wird, ist das Dilemma Lennys, der seiner neuen Bekanntschaft Linda anfangs verheimlicht, dass er der Adoptivvater ihres Sohnes ist und der – je mehr sich ihre freundschaftliche Beziehung entwickelt – ihr das Geheimnis unmöglich anvertrauen kann, ohne die Freundschaft zu zerstören. Woody Allen diskutiert dieses Problem nicht und verpasst auf diese Weise eine Chance, seinem unterhaltsamen Streifen eine intensivere, dramatische Ebene hinzuzufügen. Mighty Aphrodite ist trotzdem nicht zuletzt aufgrund von Mira Sorvino ein liebenswerter, kleiner Film geworden mit einer hohen Anzahl gelungener Gags, die Allen gebührend zelebriert.



(Anzeige)

8
von 10