Verdacht

Verdacht

(„Suspicion“, directed by Alfred Hitchcock, 1941)

“I think I’m falling in love with you, and I don’t quite like it.”

Die Inhaltsangabe „Frau denkt, ihr Ehemann wolle sie umbringen“ trifft den Kern dieses Films wie so oft nur schwerlich. Alfred Hitchcocks Werk entpuppt sich stattdessen als vielschichtiges Porträt, das dem Zuschauer viele Ebenen und Aspekte offenbart, während man über eine Stunde auf die Einlösung des Versprechens der oben genannten Inhaltsangabe wartet. Joan Fontaine, die ein Jahr zuvor bereits in Hitchcocks Oscar-prämiertem Rebecca mitspielte,  tritt als Lina auf, ein kleines graues Mäuschen, das sich gerne hinter wissenschaftlichen Büchern versteckt, während für ihre Eltern festzustehen scheint, dass ihre Tochter wohl als alte Jungfer enden wird.

Im England der dreißiger Jahre lernt sie schließlich einen eleganten Lebemann namens Johnnie (Cary Grant) kennen, der, wie sie erfährt, berüchtigt ist für seine Lebensweise durch krumme Geschäfte und zahlreiche Frauen. Es dauert jedoch nicht lange, da hat Johnnie sie überredet, ihn zu heiraten, sehr zum Verdruss von Linas Eltern. Die beiden ziehen nach einer sehr langen Hochzeitsreise, für die Johnnie sich Geld leihen musste, in eine große Villa mit Angestellten, die – wie sich herausstellen soll – Johnnie nicht bezahlen kann. Widerwillig nimmt dieser eine Arbeit an, kann dem Wetten bei Pferderennen jedoch nicht abschwören. Ohne seiner Frau etwas davon zu sagen, veruntreut er auf seiner neuen Arbeit Gelder und wird daraufhin entlassen.

Lina erfährt davon durch Zufall, ist mehr und mehr schockiert sowie beunruhigt über den Lebenswandel ihres Gatten. Ein Gast des Hauses kann ihre Laune kaum merklich bessern: Beaky (Nigel Bruce), ein enger Freund Johnnies, hat sich für ein paar Tage in ihrem Anwesen eingenistet und treibt Schabernack mit Linas Ehemann, der darin mündet, dass die beiden ein großes Stück Land kaufen und eine Gesellschaft gründen wollen. Bald kommt jedoch alles anders, als eines Tages die Polizei vor der Haustür steht – mit einer Botschaft, die Lina noch mehr verunsichern und ihr Vertrauen in ihren Mann noch mehr erschüttern soll…

Begreift man Suspicion als bitterböse Satire auf partnerschaftliche Beziehungen, wird man sehr viel Spaß mit diesem gelungenen Werk haben. Die anfänglichen Bedenken und Zweifel, die ein jeder Partner gegenüber seiner neuen Bekanntschaft haben mag, werden hier satirisch auf die Spitze getrieben und ad absurdum geführt, zugleich wird einem jedoch auch auf beeindruckende Art und Weise grotesk vor Augen geführt, zu was die Blindheit der Liebe in den schlimmsten Fällen führen kann. Auch hier humorvoll zugespitzt, wie es Hitchcock in seinen besten Zeiten zu schaffen vermochte, wenn Joan Fontaine sich schließlich einbildet, ihr Ehemann, der sie so oft belogen hat, würde sie umbringen wollen. Neben diesem satirischen Aspekt findet sich jedoch auch – sehr geschickt eingebettet – eine dramatische Ebene, nämlich eben jene der Ohnmacht aufgrund enttäuschter Liebe, da man das Gefühl hat, vom Partner verraten und belogen zu worden sein.

Der Zuschauer nimmt Anteil an dem Schicksal Linas, die sich immer sicherer sein kann, Opfer eines Heiratsschwindlers geworden zu sein, wobei ihre Hilflosigkeit durch ihre Naivität beinahe wieder rührend ist. Was man in den ersten zwei Dritteln vermissen mag ist die für Hitchcock typische Suspense, die erst in den letzten Szenen gebührend zum Tragen kommt. Auch hier wird deutlich, dass der große Regisseur nicht nur ein ausgezeichneter Dramatiker, sondern auch ein brillanter Techniker war, was in der vielleicht berühmtesten Einstellung dieses Werks zum Tragen kommt, in der Cary Grant mit einem Glas Milch zu seiner Ehefrau schreitet. Die Kamera flieht vor ihm und dem Glas Milch, in welchem Hitchcock eine Neonröhre versteckt hat, um das helle Getränk zusätzlich zum Leuchten zu bringen.

Suspicion ist demnach ein Streifen, der mehrere Phasen durchläuft von einer höchst amüsanten, bittersüßen Screwball-Komödie, zum zwischenmenschlichen Drama bis zu einer nervenzerreißenden Autofahrt.. Auch schauspielerisch hat dieses Werk einiges zu bieten, denn neben einer mit dem Oscar ausgezeichneten Joan Fontaine kann auch Nigel Bruce als stürmischer Freund Johnnies überzeugen, der Verdacht an den richtigen Momenten auflockert. Was einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt, ist das überstürzte und unbefriedigende Finale, was am Standard des Regisseurs gemessen ein Ärgernis darstellt, da der erwartete Knall nicht eintritt. Suspicion findet hastig ein konstruiertes und vorhersehbares Ende und Hitchcock machte sich auf, den nächsten Film zu drehen. Kein essentieller Eintrag in der Filmographie des Briten, aber zumindest erstklassige Unterhaltung.



(Anzeige)

7
von 10