(„L’armée des ombres“ directed by Jean-Pierre Melville, 1969)
Jean-Pierre Melville gilt als Außenseiter des französischen Kinos, als ein Einzelkämpfer der sogar auf die Hilfe der renommierten, heimischen Filmgewerkschaft verzichtete und stattdessen lieber im eigenen Studio drehte. Da Armee im Schatten für mich persönlich sein erster Film ist, werde ich mich im folgenden Text auch auf keinen Vergleich seiner anderen Werke einlassen, sondern das Ganze isoliert davon betrachten. Melville, der im zweiten Weltkrieg selbst Teil der Résistance war und hier einen Roman von Joseph Kessel adaptiert, zeichnet in diesem fast zweieinhalb Stunden langen Streifen, ein ungewöhnlich düsteres Bild der französischen Widerstandsbewegung. Die Besetzung der Deutschen spielt im Grunde genommen nur eine untergeordnete Rolle, der Regisseur konzentriert sich primär auf eine kleine Gruppe von Partisanen und analysiert deren hierarchische Struktur und zwischenmenschliche Beziehungen.
Nachdem wir als Zuschauer sofort mitten ins Geschehen katapultiert werden und Philippe Gerbier (Lino Ventura) dabei erleben wie er aus dem Pariser Gestapo-Hauptquartier entkommen kann, wechselt die Szenerie sofort nach Marseille, wo Gerbier auf den Rest seiner Truppe stößt. Nun kann man allerdings nicht sagen, dass der eigentliche Film hier beginnt, es gibt nämlich keinen roten Faden in Form einer klar konzipierten Story, sondern es handelt sich vielmehr um eine Aneinanderreihung von einzelnen Situationen die die Widerstandskämpfer bewältigen müssen, oft sind dies auch interne Differenzen die ausdiskutiert werden.
Als Dreh- und Angelpunkt könnte man am ehesten die geplante Befreiung von Felix (Paul Crauchet) nennen, der nach ihrem Treffen in London mit Charles de Gaulle in Gefangenschaft der Nazis gerät. Gerbier und Mathilde (Simone Signoret) arbeiten fortan mit einem kleinen Team (Claude Mann und Christian Barbier) an einem Plan um ihren Freund zu retten, eine Aktion die selbst den Chef Luc Jardie (Paul Meurisse) und dessen Bruder Jean François (Jean-Pierre Cassel) miteinbezieht.
Der Alltag eines Rèsistance-Mitglieds wirkt bei Melville keineswegs so romantisch und verträumt wie uns dies so manch anderer Film glauben machen möchte. Vielmehr zeigt er uns Menschen mit ähnlichen, aber keineswegs denselben ideologischen Vorstellungen, die in einer bedrohlichen Umgebung selbst Ihresgleichen nicht über den Weg trauen und mitnichten so mutig und halsbrecherisch sind wie man es bei sogenannten Helden eben gerne darstellt. Das lässt das Erzählte natürlich sehr realistisch wirken hat aber auch den narrativen Nachteil, dass der Film streckenweise recht langatmig daherkommt. Vor allem in Zeiten wo CGI Overkills und hektische Kamerafahrten das Kino dominieren erscheint L’armée des ombres natürlich sehr schlicht, allerdings nur wenn man sich nicht mit den gut ausgearbeiteten Figuren beschäftigt. Besonders erwähnenswert in diesem Zusammenhang sind die schauspielerischen Leistungen von Ventura und Cassel, die ihren Figuren viel Charisma und Tiefe verleihen.
Der Soundtrack von Éric Demarsan passt hervorragend zum Geschehen und vor allem das Haupt-Theme erobert sofort sein Publikum. Bereits im Intro sorgt die musikalische Akzentuierung der einzelnen Credits dafür, dass man sich die Namen der Mitwirkenden einprägt.
Obwohl nun insgesamt Armee im Schatten in allen Belangen überzeugt, hätte man an der einen oder anderen Stelle vielleicht auch etwas schneller den Plot vorantreiben können, der Erzählrhythmus wirkt nämlich genauso wie seine Figuren äußerst zäh. Hin und wieder kam es mir bei einzelnen Einstellungen so vor als Melville zu selbstverliebt war als dass er diese hätte kürzen können. So kann es schon mal vorkommen, obwohl es inhaltlich nichts beisteuert, dass wir Lino Ventura dabei beobachten wie er seinen Mantel anzieht, die Falten richtet, sich noch einmal umsieht und schlussendlich gemächlich weiterzieht. Dieser Realismus zeugt von Melvilles Perfektionismus, hat allerdings leider auch seine Nachteile.
Armee im Schatten ist seit 17. März auf DVD erhältlich
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