Dinner für Spinner

Dinner für Spinner

(„Le diner de cons“, directed by Francis Veber, 1998)

“You idiot! What an idiot!”

Zwölf Jahre hat es gedauert, bis in Hollywood endlich ein Remake jener französischen Komödie gefilmt wurde, die zu den größten Kassenerfolgen Frankreichs überhaupt zählte, drei Césars einheimsen konnte und fast ausnahmslos hervorragende Kritiken erntete. Dinner für Spinner ist ein moderner europäischer Klassiker, eine der erfrischendsten Komödien der letzten Jahrzehnte mit perfektem Timing, erstklassigen Schauspielern und zahlreichen originellen Ideen. Die Césars gingen an Jacques Villeret als bester Hauptdarsteller, an Francis Veber für das beste Drehbuch und an Daniel Prévost als besten Nebendarsteller neben drei weiteren Nominierungen, unter anderem als „Bester Film“.

Francis Veber ist in diesem Land mittlerweile eine lebende Legende als Regisseur und Drehbuchautor von zahlreichen erfolgreichen Komödien wie etwa Ein Käfig voller Narren, Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh oder Der Boss – alles Filme, die von Hollywood aufgrund ihrer Popularität  früher oder später neu verfilmt wurden. Dinner for Schmucks wurde nun das Remake von dem hier rezensierten Streifen getauft, konnte seine Produktionskosten einspielen, aber nur wenig Sympathie von Kritikern erlangen – erst recht von jenen, welche das Original kannten. Die Geschichte dreht sich um eine Gruppe wohlhabender Männer, die jeden Mittwoch ein Dinner veranstalten. Jeder von ihnen ist dazu verpflichtet, jemanden mitzubringen, über den man sich gemeinsam lustig machen kann – einen Spinner. Pierre Bronchant (Thierry Lhermitte) ist einer jener Snobs, der ein wenig Torschlusspanik hat, denn das nächste Dinner für Spinner steht vor der Tür, doch er hat noch niemanden Verrücktes gefunden, den er mit zu dieser wichtigen Veranstaltung nehmen kann. Rechtzeitig trifft er jedoch im Zug auf Francois Pignon (Jacques Villeret), einen Finanzbeamten, der Modelle von bedeutenden Gebäuden herstellt – komplett aus Streichhölzern.

Das Opfer ist gefunden, denkt sich Pierre und rechnet sich ein leichtes Spiel aus, denn er kann sich kaum vorstellen, dass jemand mit einem größeren Idioten aufwarten kann als er mit Francois. Es kommt jedoch anders als gedacht, denn Pierre verletzt sich am Nachmittag vor dem Dinner den Rücken, was ihn daran hindert, am Dinner teilnehmen zu können. Es kommt noch schlimmer, denn wenig später steht Francois Pignon vor seiner Tür, der mit dem Verletzten einen kleinen Plausch halten will. Sehr zum Ärger von Pierre lässt sich der aufdringliche Besucher nicht mehr abwimmeln. Der Abend endet für Pierre in einer Katastrophe, denn Francois ist ein Chaot, der in nur wenigen Stunden das gesamte Leben seines Gastgebers aus der Bahn wirft und alles auf den Kopf stellt. Bald ist nicht mehr klar, wer der Spinner ist…

Dinner für Spinner war ursprünglich ein Theaterstück, das Anfang der 90er Jahre in Frankreich große Erfolge feiern konnte und in dem Jacques Villeret bereits die Rolle des „Spinners“ übernahm – insgesamt 600 Mal. Er ist das Herzstück dieses Films, der, genau wie das Theaterstück, fast in nur einem Raum spielt – der Wohnung von Pierre Brochant, der versucht, seine Pestbeule Francois Pignon loszuwerden, bis er merkt, dass Pignon zwar die Ursache für die zahlreichen Probleme des Gastgebers ist, die dieser an diesem Abend bekommen wird, doch Pignon ist auch gleichzeitig die einzige Möglichkeit, diese Probleme wieder zu beseitigen. Diese Konstellation – genervter Mann, der sich seiner Klette entledigen will und aufdringlicher Spinner – erinnert stark an Francis Vebers Drehbuch für Die Klette aka Die Filzlaus, einer nicht minder erfolgreichen französischen Komödie von 1972, in der Lino Ventura in einem Hotel versucht, seinen Zimmernachbarn Jacques Brél vom Selbstmord abzuhalten.

Ob Dinner für Spinner gelungener ist als der erwähnte Streifen, muss jeder Zuschauer für sich entscheiden, doch die Frage, ob dieses Konzept auch hier in abgewandelter Form nochmals funktioniert, muss klar bejaht werden. Kritiker könnten nun behaupten, in diesem Film werde sich über 80 Minuten über einen Spinner lustig gemacht, sodass die Komödie den nötigen Respekt oder die Sensibilität vermissen lasse, doch mit dieser Argumentation würde man es sich zweifellos zu einfach machen. Pignon ist zwar ein „Idiot“ und der Auslöser für zahlreiche Gags, die ein perfektes Timing aufzuweisen haben, doch Francis Veber lässt nie auch nur einen Zweifel daran, dass Francois Pignon als Schwachsinniger der einzige mit einem weichen Herz in dieser Wohnung ist.

Sein Gastgeber hingegen ist ein wohlhabender Verleger, der Steuern hinterzieht und sich für niemanden interessiert außer für sich selbst. Das Interessante ist daher, dass mal als Zuschauer zwar über Pignons Dummheit lacht, doch gleichzeitig über die Missgeschicke, die er seinem Gastgeber zufügt, der das Gegenteil von einem Sympathieträger darstellt. Auf diese Weise entwickelt sich ein wechselndes Spiel um die Frage, wer von beiden der Erbärmlichere ist – nicht erst am Ende steht die Antwort fest.

Es ist das gewohnte Spiel von zwei verschiedenen Welten, die hier aufeinanderprallen mit Menschen, die miteinander nicht klarkommen, aber letztendlich aufeinander angewiesen sind. Es ist das Thema von fast allen Filmen Francis Vebers, doch nie war eine Komödie von ihm treffsicherer als Le diner de cons, denn dank einem großartigen schauspielerischen Ensemble funktioniert jeder Witz. Unvorhersehbar, frisch und originell unterhält Dinner für Spinner wie er es besser nicht könnte, ohne sich dabei auf verletzende Weise über Außenseiter lustig zu machen, denn die Abstempelung eines uns unsympathischen Spinners wird angeprangert und für eine ganze Reihe von Scherzen benutzt, die sich zusammenschließen, um in weniger als anderthalb Stunden das Lebenswerk eines einzigen Menschen komplett zu demontieren – sehr zum Vergnügen des dankbaren Zuschauers. Gefüllt mit knackigen Dialogen, die nahtlos ineinander überfließen, gut aufgelegten Darstellern, frischen Ideen, einer sensiblen Botschaft gehört Dinner für Spinner zu den großen Komödien der Filmgeschichte. Liebhaber von dialoglastiger Situationskomik werden um dieses Feuerwerk nur schwer herumkommen, denn diese Komödie ist so gut wie ihr Ruf.



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